Experten suchen nach Lösungen:Der Schatz im Abwasser

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Klärschlamm enthält wertvollen Phosphor, der als Dünger dringend gebraucht wird. Nun wird untersucht, mit welchen Verfahren man den Stoff auch in Geiselbullach gewinnen könnte

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck/Dachau

In einer offenen Halle liegt ein großer Haufen von etwas, das aussieht wie schwarze Erde. Daniela Gerstner nimmt eine Handvoll auf. Das feinkrümelige Substrat riecht ein bisschen wie frischer Kompost. Die Betriebsleiterin der Geiselbullacher Kläranlage entdeckt sogar Röstaromen in dem Geruch. Auch wenn das eher schwer nachzuvollziehen ist: Das braunschwarze Zeug stinkt tatsächlich nicht, obwohl es getrockneter Klärschlamm ist. Der bleibt übrig, nachdem das Abwasser aus zehn Städten und Gemeinden in drei Landkreisen die Kläranlage des Amperverbands durchlaufen hat, wie die Umweltingenieurin erklärt. 5000 bis 6000 Tonnen entwässerten Klärschlamm fallen dort jährlich an. Was in Zukunft damit passieren soll, darüber müssen die Gemeinderäte in den kommenden Wochen entscheiden.

Momentan wird der Klärschlamm noch verbrannt, und das nicht einmal in der benachbarten Müllverbrennungsanlage. Dabei geht auch ein wertvoller Rohstoff verloren: Phosphor. Obwohl das chemische Element relativ häufig auf der Erde vorkommt, ist es doch eine endliche Ressource. Phosphor wird vor allem in der Landwirtschaft dringend als Dünger benötigt. Aber auch in der Lebensmittelindustrie findet er Verwendung. Phosphorhaltiges Gestein vor allem in politisch weniger stabilen Ländern abgebaut, etwa in Marokko oder China, in Europa gibt es praktisch keine Lagerstätten.

Um von Importen unabhängiger zu werden, ist nun gesetzlich geregelt, dass von 2029 an Phosphor deutschlandweit aus dem Klärschlamm zurückgewonnen werden muss. In den trockenen Rückständen des Abwassers kommt er in relativ großen Mengen vor. Der Amperverband, das Gemeinsame Unternehmen für Abfallwirtschaft GfA, die Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau sowie die Kommunen beider Landkreise wollen nun untersuchen, ob und wie die Rückgewinnung auf der Kläranlage des Amperverbands geschehen könnte. Und das nicht nur für die Kommunen, deren Abwasser ohnehin schon in Geiselbullach geklärt wird - Maisach, Olching, Gröbenzell, Puchheim, Eichenau, Alling und Germering sowie Gilching und Weßling im Landkreis Starnberg, zudem Bergkirchen im Landkreis Dachau. Auch der Klärschlamm, der auf den anderen Anlagen in den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck anfällt, zum Beispiel in denen der beiden Kreisstädte, könnte einbezogen werden.

Kürzlich haben sich dazu die Landräte der beiden Kreise, Bürgermeister und Vertreter der beiden Unternehmen getroffen und grundsätzlich vereinbart, dass die Möglichkeiten der Phosphor-Rückgewinnung untersucht werden sollen. "Ich halte es für äußerst wichtig, dass wir dieses Projekt in Angriff nehmen", sagt Frederik Röder, Vorsitzender des Amperverbands und Bürgermeister von Alling. "Wir brauchen den Rohstoff und wir brauchen jetzt eine Entscheidung, was von 2029 an passieren soll." Denn technisch ist die Rückgewinnung nach mehreren Methoden möglich, die aber noch nicht unbedingt ausgereift sind.

Die Untersuchung, wie man den Phosphor aus dem Klärschlamm holen könnte, ist Teil einer größeren Studie, mit der festgestellt werden soll, ob die Klärschlämme aller Anlagen gemeinsam entsorgt werden können. Die favorisierte Methode: die Verbrennung in der Müllverbrennungsanlage der GfA, die in Geiselbullach direkt neben dem Klärwerk des Amperverbands liegt - nach der Phosphorrückgewinnung. Bislang wird der Klärschlamm aus der Anlage in Geiselbullach bis nach Sachsen-Anhalt gefahren und dort verbrannt. Kleinere Anlagen dürfen ihn noch als Dünger auf Feldern ausbringen. Weil er aber zunehmend mit Schwermetallen und Medikamentenrückständen, vor allem auch mit Hormonen, belastet ist, ist das für größere Anlagen untersagt. Die giftigen Stoffe könnten so in die Nahrung geraten.

Bis Ende März werden Stadt- und Gemeinderäte das Thema besprechen und entsprechende Beschlüsse fassen. Die Studie wird etwa 100 000 Euro kosten, wie Projektmanager Matthias Jung vom Amperverband erklärt. Die Kosten werden unter allen Beteiligten aufgeteilt. 75 Prozent tragen Jung zufolge GfA, Amperverband sowie die Klärwerke der Städte Fürstenfeldbruck und Dachau. Die restlichen 25 Prozent übernehmen die kleineren Gemeinden je nach der Zahl ihrer Einwohner.

Die Phosphor-Rückgewinnung erscheint durchaus aussichtsreich: Fast die Hälfte der Menge an Phosphor, die derzeit nach Deutschland eingeführt wird, könnte laut Daniela Gerstner aus dem im ganzen Land anfallenden Klärschlamm zurück gewonnen werden. Im Geiselbullacher Werk des Amperverbands kommen der Betriebsleiterin zufolge sieben Milligramm Phosphor pro Liter Abwasser im Zulauf an. 35 000 bis 40 000 Kubikmeter Wasser kommen pro Tag in der Geiselbullacher Anlage an - das Abwasser von etwa 165 000 Menschen. Im Durchschnitt des Jahres 2018 befanden sich darin 246 Kilogramm Gesamtphosphor im Abwasser.

Die Phosphor-Rückgewinnung kann grundsätzlich aus dem Abwasser direkt, aus dem Klärschlamm und aus dessen Asche erfolgen. Welche Methode erfolgversprechend ist, hängt mit der Qualität des Abwassers zusammen. Nicht alle Produkte eignen sich gleich gut als Pflanzendünger. "Es müssen die Verfahren verfolgt werden, bei denen das beste Produkt mit der besten Pflanzenverfügbarkeit gewonnen wird", sagt Gerstner.

Die Berliner Wasserbetriebe haben schon vor zehn Jahren eine patentierte Lösung entwickelt, mit der das funktioniert. Der Langzeitdünger, der so gewonnen wird, ist schon 2008 nach der Düngemittelverordnung zugelassen worden. Die Wasserbetriebe verkaufen ihn unter dem Namen "Berliner Pflanze".

Jung zufolge ist die technische Entwicklung in diesem Bereich noch nicht abgeschlossen. Es sei derzeit aber auch nicht sicher, ob die Phosphor-Rückgewinnung im kleineren Maßstab wirtschaftlich funktionieren kann. Möglicherweise werde es bis in zehn Jahren auch auf drei große Anlagen in Deutschland hinauslaufen, die den Schlamm aus dem ganzen Land behandeln, sagt der Projektmanager.

Gerstner hält es jedoch für besser, die Phosphor-Rückgewinnung dezentral zu regeln: "Wir brauchen regionale Konzepte", sagt die Umweltingenieurin. "Es ist nicht sinnvoll, den Schlamm durch ganz Deutschland zu fahren."

© SZ vom 13.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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