Süddeutsche Zeitung

EUMWA-Meisterkonzert:Aufregende Hörerlebnisse

Das EUMWA-Meisterkonzert besticht durch seine Vielfalt und Intensität

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

"Mit ihrem spanischen Naturell, ihrer französischen Erziehung und ihren deutschen Sympathien vereinigt sie die Eigenheiten verschiedener Nationalitäten derart in sich, dass man keinem bestimmten Boden einen ausschließlichen Anspruch an sie zugestehen, sondern die Kunst das Vaterland ihrer freien Wahl und Liebe nennen möchte." Das schrieb Franz Liszt 1859 über die Sängerin und Komponistin Pauline Viardot-Garcia (1821-1910). Sie war eine enge Freundin von Clara Schumann (1819-1896), deren 200. Geburtstag heuer gefeiert wird. Clara und ihr Mann Robert Schumann (1810-1856) wiederum waren bekanntlich eng mit Johannes Brahms verbandelt. Man könnte ganze Bibliotheken mit Untersuchungen über dieses Beziehungsgeflecht füllen.

Man kann aber auch diese vier herausragenden Persönlichkeiten durch ihre Musik sprechen lassen. Das war am Mittwochabend beim Meisterkonzert des Europäischen Musikworkshops Altomünster (EUMWA) im Festsaal des Dachauer Schlosses der Fall. Was wenig verwundert, ist doch Markus Kreul nicht nur künstlerischer Leiter des EUMWA, sondern auch Schumann-Botschafter, ebenso wie Cellist Guido Schiefen. Sie haben Clara Schumanns Romanzen op. 22 für ihre Instrumente transkribiert und Sphärenmusik geschaffen, die unter die Haut geht. Diese Erstaufführung war eine der drei Premieren eines begeisternden Abends. Die zweite war ein wunderschönes Fagott-Quartett von Karl Kolbinger, gespielt von Karsten Nagel, Zhou Zhyong, Timm Kornelius und Marco Scida. Nagel leitete den ersten Fagott-Workshop des EUMWA und zeigte mit seinen Schülern, dass ihr Instrument zu Unrecht meist irgendwo im Orchestergraben versteckt ist. Die dritte Premiere war der berührende Auftritt des Vokalensembles EUMWA 19 unter der Leitung von Dominik Wortig.

Was diesen Konzertabend darüber hinaus so singulär in der EUMWA-Historie machte, waren eine Jahrhunderte umspannende Musikauswahl und das innige Zusammenspiel von Dozenten und Schülern. Das zeigte sich schon beim ersten Werk, Luigi Boccerinis 1774 entstandenes Quintett B-Dur, mit den Dozenten Raphael Gärtig (Flöte), Sonja Korkeala (Violine) und Guido Schiefen (Cello) sowie den Workshop-Teilnehmern Tassilo Probst (Geige) und Leonie Hertaux Viola. So können sich Instrumente nur ineinander verweben und verschlingen, wenn sich ihre Musiker verstehen, aufeinander zugehen. Nur dann entstehen so aufregende und dramatische Hörerlebnisse wie bei Gian Carlo Menottis Trio für Klarinette, Violine und Klavier mit Nino Gurevich am Flügel, Klarinettist Ionas Mercadal und Violinist Probst. Irene Garcia-Posadas und Stefan Pitz spielten die Malagueña für Klavier zu vier Händen von Ernesto Lecuona y Casado feinstens aufeinander abgestimmt und mit expressiver Kraft. Schwebend, feinnervig, völlig versunken, einander umspielend und sich wieder voneinander lösend: Das waren die Virtuosen Sonja Korkeala und Guido Schiefen mit ihrem Duo für Violine und Violoncello von Bohuslav Martinù. Sie verzauberten die Zuhörer damit genauso wie Schiefen und Kreul mit ihrer Clara-Schumann-Huldigung. Das waren große Momente in einem an Höhepunkten reichen Programm.

Für seinen Soloauftritt - begleitet von seinen Dozentenkollegen - hatte Dominik Wortig vier Lieder aus den Schottischen National-Gesängen von Carl Maria von Weber ausgewählt. Er zeigte mit seinem kraftvollen Tenor, dass die menschliche Stimme sich ganz wunderbar mit Flöte, Geige, Cello und Klavier austauschen kann. So wurden aus "kleinen" Liedern große Oper. Das setzte sich mit zwei Stücken aus den Spanischen Liebesliedern von Robert Schumann fort. Nicht nur die besungenen blauen Augen blitzten angesichts der Leidenschaft, des Temperaments und der Ausdrucksstärke des Sängerquintetts Isabella Pany, Melanie Gleissner, Florian Firlus, Daniel Sauer und Moritz Kugler vor Vergnügen. Susanne Müller und Melanie Gleissner begeisterten mit "Les Bohémiennes" von Pauline Viardot-Garcia. Alle Sängerinnen und Sänger fügten sich perfekt ins neu gegründete und womöglich in dieser Zusammensetzung nie wieder zu hörende Vokalensemble EUMWA 19 ein. Traumhaft war auch Schumanns "Zigeunerleben" mit Markus Kreul am Klavier. Und wurde noch übertroffen von dem 2012 entstandenen "Serenty" des norwegischen Komponisten Ola Gjeilo. Zusammen mit Cellist Schiefen ließ dieses Ausnahme-Ensemble musikalischen Sternenstaub durch den Schlosssaal schweben.

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Quelle:
SZ vom 27.04.2019
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