EU-Agrarpolitik:Viel Geld für immer weniger Betriebe

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Der Bund Naturschutz und die Grünen-Landtagsabgeordnete Gisela Sengl kritisieren die EU-Agrarpolitik. Die Fördergelder müssten effektiver und fairer verteilt werden. Bauernobmann Kreitmair ist anderer Ansicht

Von David Holzapfel, Dachau

58 Milliarden Euro gibt die EU im Jahr für die gemeinsame Agrarpolitik, kurz GAP, aus. Eine Menge Geld, wenn man bedenkt, dass jeder EU-Bürger jährlich 114 Euro in diesen Haushaltsposten einzahlt. Dabei werden immer mehr Stimmen laut, die eine grundlegende Revolution der GAP fordern. Bei einer Podiumsdiskussion der Petra Kelly Stiftung und dem Forum Ökologisch-soziale Marktwirtschaft diskutieren Anton Kreitmair, der Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) und Kreisobmann von Dachau, Gisela Sengl, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag und Christian Rehmer, der Leiter Agrarpolitik des Bund Naturschutz Deutschland (BUND) in Dachau darüber, ob Europa eine neue Agrarpolitik braucht.

Diese Frage beantworten sowohl Rehmer, als auch Sengl gleich zu Beginn mit einem klaren Ja. Der BUND wie auch die Grünen beobachten die schwindende Biodiversität und die steigende Belastung des Klimas durch Treibhausgase mit großer Sorge. BBV-Obmann Kreitmair hingegen ist für Reformen in der GAP zwar grundsätzlich offen und erkennt Handlungsbedarf. Er ist aber auch der Ansicht, dass Angebot und Nachfrage den Markt regulieren sollten. Die Agrarpolitik solle weniger Einfluss auf die Betriebe ausüben, findet der Landwirt.

Soll die Agrarpolitik der EU mehr oder weniger in die Geschicke der Bauern eingreifen? (Foto: Robert Haas)

Die gemeinsame Agrarpolitik gehört seit Beginn der Einigung Europas zu den wichtigsten Aufgabenfeldern der europäischen Politik. Sie beruht auf zwei "Säulen". Die erste beinhaltet Direktzahlungen an Landwirte, sowie die gemeinsame Marktordnung für einzelne landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die zweite Säule zielt auf die Entwicklung des ländlichen Raums, also besonders auf Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz. Naturschützer Rehmer hält sie für ineffektiv. Die Fördergelder würden zu oft am falschen Ende ankommen und die aktuellen Problemfelder nicht beseitigen.

"Die Arten stehen unter großem Druck", betont Rehmer. Seit dem Jahr 1980 habe sich die Zahl an Feldvögeln mehr als halbiert. Auch die Population an Grünlandschmetterlingen sei um 35 Prozent geringer als noch vor 30 Jahren. Überdüngung, eine unflexible Fruchtfolge und der starke Einsatz von Pflanzenschutzmitteln seitens der Landwirte: Das Artensterben führt der Umweltschützer auf eine Vielzahl von Gründen zurück. Geht es um die Emission von Treibhausgasen, nimmt der BUND die Landwirtschaft jedoch nur bedingt in Haftung. Denn Treibhausgasemissionen infolge landwirtschaftlicher Nutzung machen mit zehn Prozent im Vergleich zu mehr als 54,4 Prozent infolge der Energieerzeugung und 24,3 Prozent durch den Verkehr nur einen kleinen Teil des europaweiten Treibhausgasausstoßes aus. Das heiße aber nicht, dass die Bauern in diesem Punkt komplett aus der Verantwortung genommen würden, betont der agrarpolitische Leiter des BUND.

Gisela Sengl und Anton Kreitmair diskutieren in Dachau kontrovers. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Nicht nur eine Vielfalt an Arten, sondern auch an landwirtschaftlichen Betrieben liegen sowohl dem Bund Naturschutz, als auch den Grünen am Herzen. Mit Sorge betrachtet Rehmer daher, dass sich - trotz hoher Hilfsgelder seitens der EU - alleine in Bayern bisher 14 000 Betriebe aus der Landwirtschaft verabschiedet haben. "Der Trend geht hin zu Großbetrieben. Die kleinen Betriebe bleiben immer öfter auf der Strecke, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa", moniert er. Das möchte Kreitmair so nicht stehen lassen. "Vor allem hier im Landkreis Dachau können wir stolz sein auf die Anzahl und Vielfalt der Betriebe", sagt er. Das führt der Landwirt auf die erfolgreiche Politik seines Berufsverbandes zurück. Sengl schüttelt da entschieden den Kopf. Sie sieht eben diesen Berufsverband in der Hauptverantwortung für das Bauernsterben. Die stark exportorientierte BBV-Politik des "Wachsens oder Weichens" hätte zu dieser Entwicklung geführt, sagt die Politikerin.

Die Hauptforderung der Reformbefürworter besteht darin, dass die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik vergebenen Mittel effektiver und fairer eingesetzt werden - für Umwelt und Landwirtschaft gleichermaßen. Ob und wie stark die EU-Agrarpolitik künftig reformiert wird, hängt in erster Linie von den Ergebnissen der Europawahl Ende Mai ab. Jede zur Wahl stehende Partei habe ihre Haltung zur Agrarpolitik in ihrem jeweiligen Wahlprogramm vermerkt, sagt Sengl. "Da geht es um unsere Umwelt und unser Geld, deswegen haben wir ein Recht auf Mitbestimmung".

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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