Jugendklimakonferenz:"Wir packen das Problem an der Wurzel"

Jugendklimakonferenz

Sie fordern nichts weniger als "die Rettung vor dem Chaos": Zur ersten Dachauer Jugendklimakonferenz kommen etwa 50 Teilnehmer. Sie lauschen Vorträgen, diskutieren in Stuhlkreisen und sammeln Ideen in Workshops.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Bewegung "Fridays for Future" hat Spuren in der politischen Debatte in Dachau hinterlassen. Zu Besuch auf der ersten Jugendklimakonferenz.

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Im Stuhlkreis gehen die Meinungen auseinander. "Durch die Politik ändert sich ja nichts", sagt ein Aktivist von "Fridays for Future" (FFF). "Ohne Politik ändert sich aber sowieso nichts", entgegnet ihm ein Mitglied des Jugendrates. Beide wollen etwas verändern, dem einen geht es zu langsam, der andere sucht nach dem ersten Schritt. Und eigentlich soll es an diesem Samstagnachmittag auf der ersten Dachauer Jugendklimakonferenz gar nicht um Grundsatzfragen wie diese gehen, doch die anwesenden Jugendlichen schwanken nun mal zwischen Hoffnung und Motivation, Trotz und Widerstand.

Nur etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass Greta Thunberg vor dem schwedischen Reichstag begann zu protestieren, weil die Politik in ihren Augen zu wenig tut, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Jetzt gehen Schüler und Studenten in unzähligen europäischen Städten jeden Freitag für eine bessere Klimaschutzpolitik auf die Straße. Die junge Generation hat im vergangenen Jahr einen weitreichenden Politisierungsprozess erlebt. Und auch in Dachau ist "Fridays for Future" längst angekommen und hat Spuren in der politischen Debatte hinterlassen. Die Kommunalpolitik reagiert auf die Forderungen der Bewegung. Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) hat die erste Jugendklimakonferenz initiiert. Die Dachauer Jugendlichen wollen die Politik vor Ort mitgestalten. Ein erster Schritt dazu wird auf Klimakonferenz gemacht, an der etwa 50 Jugendliche teilnehmen. Der Dachauer Jugendrat plant, Ideen, die auf der Konferenz genannt werden, zu bündeln und als Anträge an den Stadtrat heranzutragen.

"Ich bin zwölf Jahre alt und seit vier Jahren Botschafter für Klimagerechtigkeit"

Anfangs sitzen alle dicht beisammen, in zehn langen Stuhlreihen in der Aula der Mittelschule Dachau Ost. Ein Junge tritt auf die Bühne, gerade mal so groß, dass er über das Rednerpult blicken kann. Das Mikro hält er fest in der Hand. "Ich bin Felix, zwölf Jahre alt und seit vier Jahren Botschafter für Klimagerechtigkeit", stellt er sich vor. "Plant for the Planet", heißt die Umweltorganisation, in der er Mitglied ist und die weltweit neue Bäume pflanzt. Felix referiert auswendig über den Klimawandel, erklärt die größten Gefahren und hält den Leugnern des Klimawandels wissenschaftliche Fakten entgegen. Er zeigt Weltkarten, die an den Stellen von Europa und den USA ganz dick sind, weil hier der Emissionsverbrauch pro Kopf so hoch ist, dass andere Teile der Welt auf dieser Karte kaum mehr sichtbar sind. Er erklärt den Treibhauseffekt, das Schmelzen der Gletscher und warum es Klimaflüchtlinge gibt.

Jugendklimakonferenz

"Ich bin zwölf Jahre alt und seit vier Jahren Botschafter für Klimagerechtigkeit", sagt Felix.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Links, am Fenster, sitzt Michael Staniszewski, in Karohemd und Schiebermütze, und hört zu. Er engagiert sich bei der Dachauer Ortsgruppe von "Fridays for Future". Die sachliche Nüchternheit des zwölfjährigen Referenten ist genau das, was der Student sich in der weltweiten Klimadebatte wünscht. Den Frust, meint Staniszewski, den könne man sich bei den Demos am Freitag rausschreien. All das, was sich immer wieder ansammelt, wenn Fakten ignoriert werden und Politiker nicht zuhören, sondern vorschlagen, die Demonstranten sollten samstags zur Schule gehen, um technische Innovationen voranzutreiben - so wie es ihm Landrat Stefan Löwl (CSU) im Oktober auf dem Podium der Karlsfelder Familienmesse empfohlen hatte.

Bei der Konferenz sollen die Jugendlichen in Workshops selbst Ideen sammeln

Nach solchen Gesprächen sei man sehr frustriert, sagt Staniszewski. Aber deswegen aufgeben? Nein. Radikaler werden, wie es zum Beispiel Bewegungen wie Extinction Rebellion vormachen? "Radikal heißt ja erst einmal, das Problem an der Wurzel zu packen - und das machen wir", sagt er. Aber aus Frustration heraus handeln, davon hält er nichts. Stattdessen möchte er sich weiter dafür einsetzen, dass die wissenschaftlichen Fakten bei den Menschen ankommen, möchte Infoflyer entwerfen, Fortbildungen und Diskussionen in Schulen organisieren. Oder, wie es Felix kurz vorher auf der Bühne gesagt hatte: "Vorträge halten, Vorträge halten, Vorträge halten."

Bei der Konferenz sollen die Jugendlichen in Workshops selbst Ideen sammeln. Die Themen sind unterschiedlich und reichen von Müllvermeidung, Klimaschutz vor Ort über öffentlichem Nahverkehr. In einem Workshop geht es darum, wie sich die Zukunft klimafreundlich gestalten lässt. In einem Klassenzimmer ist ein Kreis aus Stühlen aufgebaut, auf jedem liegt ein Block und ein Bleistift. Teilnehmer erklären, welche Hoffnung sie haben. Einige in der Runde sagen, sie möchten "eine grüne Welt" oder dass "zukünftige Generationen noch Schnee erleben können". Ein Jugendlicher, versunken in einen großen Kapuzenpulli, hat ein paar ganz konkrete Wünsche. Einer ist, dass "die Waldbrände aufhören in Russland und dem Amazonas". Weil das doppelt schlimm sei, also nicht nur CO₂ entstehe, sondern auch dessen natürliche Katalysatoren, die Bäume, verschwinden, weil Menschen mit den entstandenen Feldern Geld verdienen möchten. "Ich finde, das macht überhaupt keinen Sinn", schließt er so schlicht und doch aus tiefstem Herzen heraus, und niemand widerspricht.

Dies solle kein Nachmittag sein, an dem "Politiker lange Reden schwingen und euch zulabern", hatte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), der die Jugendklimakonferenz mitinitiiert hatte, zu Beginn angekündigt. Dass die Jugendlichen sowieso selbst sehr gut diskutieren können, das zeigt sich spätestens, als man sich im Stuhlkreis gegenübersitzt. Wirken können dann Worte wie die von Nicholas Hohmann, Mitarbeiter der Stadtjugendpflege, der zwischen den Stühlen des FFF-Aktivisten und des Jugendrats steht: "Wir müssen immer wissen, was unsere Hoffnung und unser Ziel ist, damit wir uns in Diskussionen nicht verlieren." Die Hoffnung auf die Zukunft eint die Jugend. Das beste Szenario, dass sich der FFF-Aktivist für diese Welt vorstellen kann? "Die Rettung vor dem Chaos."

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