Süddeutsche Zeitung

Ernüchternde Suche :"Wir sind eine ruhige Familie"

Lesezeit: 2 min

Das Schicksal einer Alleinerziehenden mit drei Kindern. Sie will die Hoffnung auf eigene vier Wände nicht aufgeben

Von Petra Schafflik, Dachau

Als sie im vorigen Sommer hochschwanger Zuflucht suchte im Frauenhaus, hoffte Zeynep T. (Name geändert) auf eine bessere Zukunft, auf eine positive Perspektive für ihre Kinder. Doch jetzt feiert ihr Jüngster schon fast seinen ersten Geburtstag und die dreifache Mutter muss erkennen: "Meine Situation ist hoffnungslos." Eine bezahlbare Wohnung, in der sie mit ihren Söhnen leben könnte, lässt sich nicht finden. "Jetzt könnte ich frei sein, aber mir fehlt ein Dach über dem Kopf." Dabei bräuchten gerade die Kinder dringend ein echtes Zuhause. Der Gedanke, vielleicht sogar obdachlos zu werden, ängstigt die zierliche, zurückhaltende Frau. "Eine schreckliche Vorstellung, das möchte ich meinen Kindern ersparen."

Mit der Wohnungssuche hat Zeynep T. begonnen, kaum dass sie im Frauenhaus eingezogen war. Denn die Sozialpädagoginnen vom Betreuungsteam der Schutzeinrichtung wissen, dass enorme Geduld gefragt ist. In Frage kommen für die vierköpfige Familie nur Wohnungen, die den Kriterien des Jobcenters entsprechen. Zwar will Zeynep T. an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sobald das Erziehungsgeld ausläuft. "Denn ich habe immer gearbeitet." Trotzdem wird sie zusätzlich auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sein. Also darf eine Wohnung in Dachau oder Karlsfeld maximal 782 Euro Kaltmiete kosten, für Angebote im Landkreis liegt das Limit bei 598 Euro. Doch so eine bezahlbare Unterkunft ist nicht zu finden.

Alles hat sie schon versucht: Auf der Warteliste für eine Sozialwohnung ist die Familie vorgemerkt. "Wir sind Platz 35 von 55, das dauert." Auch ihre ehemalige Vermieterin hat sich für sie umgeschaut, ohne Erfolg. Täglich prüft sie mehrmals verschiedene Immobilienportale im Internet. Manchmal klickt sie sich alle halbe Stunde rein, in der Hoffnung auf eine neue Chance. "Sobald etwas Neues hereingekommen ist, schreibe ich sofort." Danach passiert in der Regel nichts. Oder ein Vermieter findet, dass die angebotene 3-Zimmer-Wohnung für drei Kinder zu klein sei. Aber eine größere Wohnung ist für 781 Euro erst recht nicht zu finden. Auch wenn sie fließend Deutsch spricht, haben einige Vermieter vielleicht Vorbehalte wegen ihres Migrationshintergrunds, vermutet Zeynep T. Ein einziges Mal wurde sie zu einem Besichtigungstermin eingeladen, danach kam keine Reaktion mehr.

Der Alltag im Frauenhaus ist beengt, vor allem für ihre Söhne belastend. Wenn der Kleine unruhig schläft, wachen alle auf. Der Älteste besucht das Gymnasium, ihm fehlt ein ruhiger Arbeitsplatz. Ein richtiges Familienleben ist auf wenigen Quadratmetern nicht möglich in dem Schutzhaus, das ja nur als Übergangslösung konzipiert ist. Auch wenn die Aussichtslosigkeit sie manchmal zu lähmen droht, sucht Zeynep T. weiter. Schreibt Vermieter an, stellt sich immer mit einem kurzen Text persönlich vor, schildert ihre Lebenssituation. "Wenn wir in eine Wohnung einziehen, gibt es bestimmt keine Probleme. Wir sind eine ruhige Familie, meine ehemalige Vermieterin war immer zufrieden", betont sie. Die Hoffnung bleibt: "Vielleicht bekommen wir doch noch eine Chance."

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Quelle:
SZ vom 02.10.2017
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