Erinnerungspolitik:Einmischen erwünscht

Oberbürgermeister Florian Hartmann zweifelt den Rat der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten an. Ihm missfällt die Informationspolitik zur Festanstellung der freiberuflichen Referenten.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) stellt den Rat der Stiftung der Bayerischen Gedenkstätten infrage. Hintergrund ist, dass die Stiftung die freiberuflichen Referenten an der KZ-Gedenkstätte Dachau fest anstellen will, um Scheinselbständigkeit zu vermeiden. Hartmann hatte diesbezüglich an Stiftungsdirektor Karl Freller (CSU) und Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) schriftlich sein "Missfallen" ausgedrückt, weil einzelne Referenten befürchteten, nach der Umstellung weniger zu verdienen als jetzt.

Nun hat Freller dem Oberbürgermeister geantwortet, dass man in der nächsten Sitzung des Rates das Thema aufgreifen wolle, sagt Hartmann, der damit unzufrieden ist: "Dann bringt es auch nichts mehr." Es sei scheinbar nicht gewollt, dass man sich bei solchen Themen einbringe, meint er. Dann aber frage er sich, welchen Zweck das Gremium habe. "Das ist ein Witz. Dann brauche ich nicht mehr hingehen."

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Florian Hartmann, Oberbürgermeister von Dachau.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Der Stiftungsrat, in dem Hartmann selbst sitzt, besteht aus dreizehn Mitgliedern aus den Bereichen Politik und Kirche sowie von Opfergruppen. Diese beschließen über alle grundsätzlichen Fragen der Stiftung und haben damit weitreichende Befugnisse in Haushalts- und Personalangelegenheiten. Vorsitzender ist der bayerische Kultusminister. Im Februar votierte der Stiftungsrat einstimmig dafür, im neuen Jahr die freiberuflichen Referenten an den KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg teilweise fest anzustellen und fortan Sozialbeiträge zu zahlen. Ein Dachauer Jurist empfahl diesen Schritt, um die Gedenkstätten rechtlich abzusichern. In Dachau betrifft die neue Regelung etwa 150 Referenten, die bisher pro Führung ein Honorar bekommen.

Für viele Rundgangsleiter bedeutet die Umstellung des Arbeitsmodells einen Einschnitt in ihrem beruflichen Leben. Einige äußerten sich auf mehreren Informationsveranstaltungen verärgert über die vorgelegten Vertragskonditionen, woraufhin die Stiftung das Angebot modifizierte. Anschließend kam es bei Referenten zu Irritationen über die Kriterien, nach denen sich entscheidet, in welche Gehaltsstufe des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst jemand gelangt.

Referenten hatten Hartmann mehrmals um Hilfe gebeten. Dieser schrieb daraufhin dem Stiftungsdirektor und Stiftungsratsvorsitzenden. Er fühlte sich als Mitglied des Stiftungsrates schlecht informiert über das modifizierte Angebot an die Referenten. Während Freller antwortete, dass man das Thema in der nächsten Stiftungsratssitzung noch einmal beraten wolle, meldete sich Piazolo beim Oberbürgermeister erst in der vergangenen Woche. Sowohl die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Gabriele Hammermann als auch Stiftungsdirektor Freller hätten Hartmann die Vorteile für die Betroffenen dargelegt, so eine Pressesprecherin. Dementsprechend habe nun auch Piazolo geantwortet. "Der Minister steht hinter dem Beschluss des Stiftungsrates." Die Umsetzung selbst sei alleinige Angelegenheit der Stiftung. Diese habe über die Bedingungen der den Rundgangsleitern angebotenen Arbeitsverträge zu entscheiden. "Als Rechtsaufsichtsbehörde" begrüße das Ministerium den Schritt zu festen Arbeitsverhältnissen, "da hiermit die Rechtsverhältnisse auf eine sichere und einwandfreie Grundlage gestellt werden".

CSU-Fraktionssitzung

Karl Freller

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Auch Freller sagte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung: "Wir können und möchten uns nicht auf eine Regelung einlassen, die angreifbar ist." Zu Hartmanns Kritik am Stiftungsrat sagte er, dass es selbstverständlich gewollt sei, dass sich der Oberbürgermeister einbringe. Gleichwohl meint Freller, Hartmann solle seine Kritik im Gremium selbst und nicht in der Öffentlichkeit äußern. Der Stiftungsdirektor betonte: "Wir sind höchst interessiert an einer weiterhin guten Zusammenarbeit mit der Stadt Dachau." Man habe in der Vergangenheit viele Maßnahmen umgesetzt, wie den neunen Parkplatz an der Gedenkstätte. Man versuche, die Gedenkstätte und die Stadt weltweit als Ort zu präsentieren, "wo Geschichte aufgearbeitet wird".

Hartmann sieht den Stiftungsrat indes fraglich, zumindest bei Themen wie der Umstellung der Arbeitsverhältnisse der Referenten. Er werde in der kommenden Sitzung sicherlich noch einmal nachfragen, sagt er. Aber er frage sich schon, "ob das überhaupt gewollt ist, dass man sich einbringt". Er würde grundsätzlich empfehlen, den Stiftungsrat anders zu gestalten. Das habe er bereits Ludwig Spaenle (CSU) geschrieben, als dieser noch Kultusminister war. "Ich würde ein paar Dinge ändern", sagt Hartmann.

Die Mitglieder des Stiftungsrates kommen voraussichtlich im Januar zu einer nicht-öffentlichen Sitzung zusammen.

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