Erinnerungskultur:Heimat im Glauben

Erinnerungskultur: Nur noch als Modell im Heimatmuseum: die Notkirche Gerberau.

Nur noch als Modell im Heimatmuseum: die Notkirche Gerberau.

(Foto: Toni Heigl)

Eine Tafel soll an die einstige Notkirche in der Gerberau erinnern. Sie gilt als die erste Flüchtlingskirche in Bayern

Von ANITA NAUJOKAT, Karlsfeld

70 Jahre nach ihrer Einweihung wollen der Verein Heimatmuseum Karlsfeld und der Pfarrverband Sankt Josef in Karlsfeld der einstigen Notkirche in der Gerberau eine Gedenktafel widmen. Anbringen wollen sie die Initiatoren an der Stelle, wo die Straße Gerberau in den Paula-Hahn-Weinheimer-Weg übergeht. In Chroniken und Annalen gilt die Vorläuferkirche von Sankt Josef als erste Flüchtlingskirche Bayerns. Der Bezirksausschuss (BA) Allach-Untermenzing unterstützte das Ansinnen aus der benachbarten Gemeinde einstimmig, ebenso kam die Idee bei dem Untermenzinger Stadtteilhistoriker Walter G. Demmel gut an.

Die Gerberau gehört zu Allach-Untermenzing, kirchlich betreut wird sie aber vom Pfarrverband Sankt Josef in Karlsfeld. Im Umfeld der neuen Wohngebiete in der Gerberau lebten noch immer einige Bewohner aus der damaligen Zeit, für die die Erinnerung wichtig sei, begründete Rosi Rubröder vom Heimatmuseum in Karlsfeld die Errichtung der Gedenktafel. Ebenso sollte für die neuen Bewohner eine Erinnerungskultur an die Vertriebenen und Flüchtlinge jener Epoche geschaffen werden.

Während des Zweiten Weltkriegs diente die Siedlung als Arbeitslager für die BMW-Flugmotorenwerke. 1945 nutzten es die Amerikaner als Lager für entlassene deutsche Kriegsgefangene. Danach siedelten sich viele Vertriebene und Flüchtlinge an. Am 20. Juni 1948 soll deren Seelsorger Pfarrer Erich Goldammer den Entschluss gefasst haben, auf einem Freiraum neben den zwölf Baracken eine Kirche zu errichten. Die BMW-Kantine des Lagers und der Kinderhort waren für die Gottesdienste allmählich zu klein geworden. Das Gebäude mit dem Glockentürmchen wurde fast ausschließlich von freiwilligen Helfern in ihrer Freizeit nach langen Arbeitstagen erstellt, auch der Pfarrer soll mit Hand angelegt haben. Erbaut wurde sie mit Steinen aus Bombenruinen, die mühselig aus der Stadt herangekarrt wurden.

Am 21. August 1949 weihte der damalige Kardinal Michael von Faulhaber die Kirche ein und gab ihr als Patron den heiligen Josef, weil dieser wegen der Flucht nach Ägypten ein ähnliches Schicksal wie die Heimatvertriebenen erlitten habe. Ein Jahr später folgte als Anbau das Pfarrhaus, ein paar Jahre danach das Jugendheim.

1957 übernahm MAN das Werksgelände samt der Wohnsiedlung, die nach dem Bauingenieur und Erfinder Heinrich Gottfried Gerber, Gründer des MAN-Werks Gustavsburg, benannt wurde. Mit der Eröffnung des Kirchenbaus von Sankt Josef in Karlsfeld 1967 wurde die Notkirche nicht mehr gebraucht.

Schon seit Längerem existiert sie nur noch als Modell im Karlsfelder Heimatmuseum. MAN hatte das Gebäudeensemble lange als Lager genutzt und es 2005 abreißen lassen. Laut dem Unternehmen hat es nicht unter Denkmalschutz gestanden.

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