Erinnerungsarbeit:Ein Platz für Max Mannheimer

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In Dachau könnte das ehemalige Moorbadgelände nach dem verstorbenen KZ-Überlebenden benannt werden. Andere Gemeinden und Schulen im Münchner Umland haben ähnliche Pläne zum Andenken an den Aufklärer

Von Helmut Zeller, Dachau

Gemeinden und Schulen im Münchner Umland wollen dem Auschwitz-Überlebenden Max Mannheimer ein ehrendes Andenken bewahren - nur in der Stadt Dachau, die in besonderer Beziehung zu dem Präsidenten des Internationalen Dachau-Komitee stand, schweigt die Kommunalpolitik. Mit einer Ausnahme: Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) will nach dem Namen des großen Zeitzeugen, der am 23. September 2016 im Alter von 96 Jahren gestorben ist, eine Straße oder einen Platz benennen. Hartmann hat auch schon einen bisher namenlosen Platz im Auge, der mitten in der Stadt liegt, am ehemaligen Moorbadgelände. Denkbar wäre auch die Auslobung eines Max-Mannheimer-Preises für Jugendliche, die sich in irgendeiner Form mit der NS-Geschichte auseinandersetzen, sagt Hartmann.

Botschaft weitertragen

In Dachau hängen noch vereinzelt Plakate mit Mannheimers Konterfei: "Deine Botschaft werden wir weitertragen", steht darauf geschrieben. Auf einer Gedenkveranstaltung im Jugendgästehaus im November 2016 wurde angekündigt, dass das Jugendgästehaus fortan "Max-Mannheimer-Haus - Studienzentrum und Internationales Jugendgästehaus" heißt. Der Vorstand der Stiftung, die vom Freistaat Bayern, der Stadt und dem Landkreis Dachau getragen wird, hatte das so beschlossen. Darüber hinaus war die Erinnerung an Max Mannheimer bisher kein Thema in den Gremien von Stadtrat und Kreistag. Bruno Schachtner, ehemaliger Kulturreferent des Stadtrats, ist seit Jahrzehnten in der Erinnerungsarbeit in Dachau engagiert. Er fordert, dass das Vermächtnis Mannheimers umfassend gepflegt wird. Mit der Umbenennung des Jugendgästehauses, so Schachtner, müsse es nun aber auch stärker unterstützt und eine vielseitigere Arbeit ermöglicht werden. Schachtner wünscht sich, dass auch die Dachauer Jugend mehr an die Arbeit des Mannheimer-Hauses herangeführt wird. Eine Initiative für ein Andenken des Zeitzeugen würde er begrüßen.

Es ist gut möglich, dass Schachtner im OB einen schlagkräftigen Verbündeten findet. "Für die Erinnerungsarbeit in Dachau war Max das gefühlte Zentrum", hatte Hartmann auf der Gedenkfeier im November vergangenen Jahres erklärt. Auf jeden Fall will der OB die Erinnerung an Mannheimer bewahren. Eine Straßenumbenennung sei allerdings problematisch, da dann die Anwohner ihre Adresse verlieren würden. Eine kleine Straße werde wiederum, wie Hartmann sagte, der Bedeutung des Zeitzeugen nicht gerecht. In Frage komme etwa eine Straßenbenennung im Baugebiet "Augustenfeld Mitte" bei der Geschwister-Scholl-Straße. Aber das könnte unter Umständen lange dauern, wie Hartmann sagt.

In der Mitte der Stadt

In einem Gespräch mit Kulturamtsleiter Tobias Schneider und dem Stadtarchivar Andreas Bräunling wurde allerdings eine andere Idee geboren: Der schöne Platz am ehemaligen Moorbadgelände hat bisher keinen Namen. Auf dem Areal liegen die Stadtbücherei, das Stadtarchiv, ein Studentenwohnheim und die Scheibner-Schule. Hartmann sagt: "Das wäre ein geeigneter Platz in der Mitte der Stadt." Allerdings hat die Sache, wie der OB erklärt, einen Haken: In dem historischen Gebäude war im Zweiten Weltkrieg ein Lazarett und Erholungsheim für die SS untergebracht. Der Runde Tisch für Zeitgeschichte soll sich nun damit befassen und klären, ob unter dieser Voraussetzung eine Benennung des Platzes nach Max Mannheimer angemessen und vertretbar ist. Außerdem erwägt Hartmann, einen Preis für Schüler im Namen Mannheimers auszuloben - gerade weil er auf so unnachahmliche Art viele junge Menschen gegen die wachsende Geschichtsvergessenheit, den Rechtsextremismus, Antisemitismus sowie die Menschenverachtung gewappnet hat. Dabei könnten Schülerarbeiten, die sich in Form von Dokumentationen, Aufsätzen, Filmen oder bildender Kunst zur NS-Geschichte im Rahmen der Internationalen Jugendbegegnung ausgezeichnet werden.

Ehrenbürger Max Mannheimer

Mehr als 30 Jahre lang führte Max Mannheimer Zeitzeugengespräche, klärte Jugendliche und Erwachsene über den Holocaust und andere Verbrechen der Nationalsozialisten auf. Mit ebenso großer Leidenschaft kämpfte er für die KZ-Gedenkstätte Dachau. Er unterstützte die Geschichtspolitik der Stadt, die sich nach jahrzehntelanger Weigerung, zunächst unter OB Kurt Piller (SPD), dann vor allem aber unter OB Peter Bürgel (CSU) begann, ihrer NS-Vergangenheit zu stellen. Diesen Wandel hat Max Mannheimer mit herbeigeführt. Zum Dank verlieh ihm die Stadt 2011 die Ehrenbürgerwürde. Diese seltene Auszeichnung erhielten seit 1856 erst zwölf Persönlichkeiten.

Unwürdiges Gerangel in Bad Aibling

Während in Dachau noch eine entsprechende Diskussion aussteht, hat die Gemeinde Poing (Landkreis Ebersberg) bereits gehandelt. Auf Wunsch aller Fraktionen wird ein öffentliches Bauwerk, eine Straße oder ein Platz nach Max Mannheimer benannt. SPD-Fraktionssprecher Peter Maier erklärte dazu: In einer Zeit, in der lautes Geschrei und Rassenhass die Diskussion dominiere, sei es besonders wichtig, an jemanden zu erinnern, der Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Toleranz immer hochgehalten habe. Am Gymnasium Grafing wird erneut über die Namensgebung debattiert: Direktor Paul Schötz ist nicht abgeneigt, will aber noch die Meinung von Schülern, Eltern und Lehrkräften hierzu einholen.

Ein unwürdiges Gerangel zeichnete sich zunächst in der Kurstadt Bad Aibling ab. Der Bauausschuss wollte die neue Erschließungsstraße zwischen Lindenstraße und Maximiliansplatz den Namen "Max-Mannheimer-Straße" geben. Dann sprachen sich Bürger und Firmen dagegen aus, weil sie angeblich "rechtsradikale Schmierereien" befürchteten. Inzwischen aber haben sich alle Fraktionen in internen Gesprächen für eine Max-Mannheimer-Straße ausgesprochen.

Max Mannheimer und seine Familie aus dem mährischen Neutitschein wurden im Januar 1943 ins Konzentrationslager Theresienstadt und dann nach Auschwitz deportiert. Seine Eltern, drei Geschwister und seine Frau wurden ermordet, nur er und sein Bruder Edgar überlebten die Schoah. Nach der Deportation nach Warschau kam Max Mannheimer in das KZ Dachau und schuftete als Sklavenarbeiter in den Außenlagern Allach und bei Mühldorf. 1945 wurde er nach 27 Monaten KZ-Haft von US-Soldaten in Tutzing befreit.

Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, ist über den Vorstoß Hartmanns erfreut. "Das ist prinzipiell wunderbar", sagt sie. Das sei aber auch die Gelegenheit für die Stadt, grundsätzlich darüber nachzudenken, ob etwa bei Straßenbenennungen nicht auch der anderen KZ-Häftlinge gedacht werden sollte, die nach der Befreiung in Dachau blieben und für Gedenkstätte und Stadt viel bewirkten. Hammermann denkt da unter anderem an Nikolaus Lehner und Georg Scherer. Aber auch Otto Kohlhofer (nach dem nur ein kleiner Weg benannt ist), Alois Hundhammer, Adi Maislinger und General Delpech sollten in Erinnerung behalten werden.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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