Erinnerungen: Monika Hohlmeier - ein Leben ohne Normalität

Erinnerungen: Ex-Stadtrat Dominik Härtl empfängt vor dem Zieglerbräu in der Dachauer Altstadt Ex-Kultusministerin Monika Hohlmeier. Im Gespräch gelingt es Härtl, Hohlmeier Privates zu entlocken - das bei ihr auch politisch ist.

Ex-Stadtrat Dominik Härtl empfängt vor dem Zieglerbräu in der Dachauer Altstadt Ex-Kultusministerin Monika Hohlmeier. Im Gespräch gelingt es Härtl, Hohlmeier Privates zu entlocken - das bei ihr auch politisch ist.

(Foto: Toni Heigl)

Die EU-Politikerin erzählt im CSU-Hinterzimmergespräch von ihrer Kindheit und ihrem Vater Franz Josef Strauß.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Dass sich Monika Hohlmeier auf dem Weg von Brüssel nach Dachau mitten in einem Stau am Münchner Flughafen wie auf einem "Highway of regret" gefühlt hat, darf mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Aber in gewisser Hinsicht passt der Bob-Dylan-Song in der Interpretation der Dachauer Bluessängerin Petra Leu samt Reibeisen-Timbre zu den Erwartungen des Abends in der Traditionsgaststätte Ziegler. Die ehemalige bayerische Kultusministerin und jetzige Europaabgeordnete der CSU schrieb gemeinsam mit einem Co-Autor 2008 ein Buch des Bedauerns. Darin schildert sie, wie sich von Ansprüchen leiten und überwältigen ließ, bis zu dem Punkt, an dem sie sogar die eigene ernsthafte Erkrankung ignorierte. Das rückblickende Buch trägt den Titel: "Die mageren Jahre sind vorbei."

Die Dachauer CSU hat zum "Hinterzimmergespräch" gebeten. Es handelt sich um eine kleine Reihe, in der Moderator und Ex-Stadtrat Dominik Härtl gemeinsam mit dem Ortsvorsitzenden Tobias Stephan prominente Politiker ihrer Partei von der privaten Seite kennen lernen wollen. Der ehemalige bayerische Innenminister Günther Beckstein war beispielsweise schon zu Gast. Härtl fragt nach Kindheit und Jugend, nach Vorlieben und Wünschen. Daraus entspinnt sich im besten Fall eine Unterhaltung, in der sich Politisches und Familiäres auf spannende Weise verflechten

Dafür ist Monika Hohlmeier eine ideale Gesprächspartnerin. Denn in ihrem Leben war das Familiäre immer auch politisch und umgekehrt. Wenn man im Alter von 16 Jahren zur ständigen Begleiterin des eigenen Vaters wird und für sein Wohlbefinden sorgen muss, wenn Minister, Präsidenten und Prominente wie selbstverständlich zu Besuch kommen, wenn man sich als Tochter von Franz Josef Strauß in einer Welt bewegt, in der eher nichts normal ist, dann verwischen die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit.

Sehnsüchte der Jugend

Die Hinterzimmergespräche wollen sich gezielt atmosphärisch von üblichen CSU-Veranstaltungen unterscheiden. Deswegen gliedern die musikalischen Beiträge von Petra Leu und ihrem Partner, dem Gitarristen Wolfgang Schur, den Donnerstagabend. Interessanterweise haben beide Lieder ausgewählt, die stilistisch dem Countryblues zuzurechnen sind. Es handelt sich um eine Richtung, in der auch die linken Protestsongs der sechziger und siebziger Jahre eingebunden sind. Allerdings wurzeln sie in der Musik des Mittleren Westens der USA und damit in einer grundkonservativen Stimmung, die wiederum zur CSU passt.

"Those were the days, my friends" erzählt von den Wünschen und Sehnsüchten der Jugend, von einem Leben im Konjunktiv der Möglichkeiten und von der Ernüchterung. Das Lied, das so lustig beschwingt daher kommt und zu dem die 62 Zuhörer rhythmisch klatschen, erzählt quasi Hohlmeiers Geschichte. Vom Aufstieg als neue Hoffnung des CSU nach dem Tod ihres Vaters und vom Absturz einschließlich "aller Fehleinschätzungen". Sie war von 1998 bis 2004 bayerische Kultusministerin und trat zurück, nachdem sie sich in eine parteiinterne CSU-Affäre in der Landeshauptstadt München heillos verstrickt hatte. Außerdem hatte sie der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber wegen der Einführung des achtjährigen Gymnasiums gegen ihre Überzeugung massiv unter Druck gesetzt.

Fremdbestimmtes Leben

Dominik Härtl fragt: "Haben Sie je Normalität in der Kindheit erlebt?" Monika Hohlmeier antwortet: "Wir haben nicht gewusst, was Normalität ist." - "Kinder können nichts dafür, dass sie Politikerkinder sind." Sie nimmt für sich in Anspruch, ihre Tochter und ihren Sohn zumindest teilweise von dieser Last befreit zu haben. Sie sagt sogar, dass die beiden es waren, die sie zum Rücktritt gedrängt haben. Sie erzählt von ihrem Leben als einem fremdbestimmten, in dem sie nach dem Tod des Vaters in die Politik gedrängt worden sei, was ihr damals durchaus schmeichelte. Aber das Erbe von Franz Josef Strauß stand nach dessen überraschendem Tod im Oktober 1988 über allem.

Sein Vermächtnis ist heute noch die zentrale Botschaft seines jüngsten Kindes. Jetzt ist es mit der Privatheit im Hinterzimmergespräch vorbei. Jetzt wird Hohlmeier zur Politikerin und zitiert ihren Vater: "Wir dürfen dieses Europa nie aufs Spiel setzen." Das Ziel sei - wie sollte es auch anders sein - nur mit der CSU zu garantieren. Der Ansicht ist auch Publikum, das die Strauß-Tochter bei solchen Sätzen in einer Diktion erlebt, die in Betonung und Nachdrücklichkeit an den großen Vorsitzenden erinnert. Petra Leu und Gitarrist Wolfgang Schur nahmen mit Leonard Cohens "Hallelujah" die Stimmung unter den meist älteren Zuhörern perfekt auf. Sie sangen die Hymne immerhin ohne Pathos, brüchig als melancholisch Ballade.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: