Erinnerung an einen großen Maler :"Nur noch eine Reminiszenz"

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Peter Stadler erinnert zum 150. Geburtstag von Hermann Stockmann an den Gründungsvorsitzenden seines Museumsvereins und dessen umstrittene Rolle während der Nazizeit

Interview von Wolfgang Eitler

Der Museumsverein Dachau schreibt über seinen Gründer Hermann Stockmann in Erinnerung an dessen 150. Geburtstag am 28. April, dass er sich ihm in "großer Dankbarkeit" verbunden fühlt. Denn der Verein sei seit 1903 "nicht mehr aus dem kulturellen Leben unserer Heimatstadt wegzudenken". Tatsächlich gäbe es ohne diese kontinuierliche Tätigkeit keine Gemäldegalerie für die Zeit der Dachauer Künstlerkolonie, die ihren Höhepunkt zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte. Das Bezirksmuseum besteht nur, weil Bürger bäuerliche und bürgerliche Exponate der vergangenen Jahrhunderte erfolgreich sammelten und sammeln. Aber kann man sich heutzutage, bei allem, was man über Hermann Stockmann weiß, auf den Künstler noch berufen? Immerhin gestaltete er maßgeblich den NS-Propaganda-Umzug zur Stadterhebung Dachaus im 1933. Und seine Verwicklung in die Reichspogromnacht 1938 ist zumindest so anrüchig, dass sich die Frage stellt, ob Stockmann ein Nazi war. An der Vertreibung der jüdischen Familie Wallach aus Dachau beteiligte er sich durch die Inventur deren Vermögens und Kunstschätze als Sachverständiger im Auftrag der Nationalsozialisten. Der Vorsitzende des Museumsvereins, Peter Stadler, gibt sich zurückhaltend bei der Beurteilung Stockmanns und sagt: "Die Erinnerung an ihn ist nur noch eine Reminiszenz an unsere Gründerzeit."

SZ: Herr Stadler, war Herr Stockmann nicht ein Nazi?

Peter Stadler: Das weiß ich nicht. Es ist nur so, dass er mit dem Inventar der Wallachs offiziell befasst war. Ob er im Auftrag der Nationalsozialisten gehandelt hatte oder nur mitgegangen war, entzieht sich meiner Kenntnisse.

Aber die Organisation des Umzugs zur Stadterhebung ist doch ein weiteres Indiz für seine politische Gesinnung.

Na, ja, Dachau wurde ja in der Nazizeit zur Stadt erhoben. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eines. Es gibt einen Schriftwechsel zwischen Hermann Stockmann und dem bayerischen Ministerpräsidenten Gustav von Kahr. Beide waren befreundet ( von Kahr war an der Niederschlagung des Hitlerputsches 1932 beteiligt und wurde im KZ Dachau erschossen. In seine Amtszeit fallen mehrere antisemitische Dekrete).

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(Foto: Gemäldegalerie Dachau)

Das Gemälde "Kartoffelernte" ist eines der Hauptwerke von Hermann Stockmann.

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(Foto: Bezrirksmuseum Dachau)

Heute noch beliebt ist er auch für seine Illustrationen wie diese. Das als Postkarte erschienene Weihnachtsmotiv zeigt die Turmbläser.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Seine Villa, "Spatzn-schlößl" genannt, ist auch heute noch ein Künstlerhaus. Es beherbergt mehrere zeitgenössische Künstler.

Unabhängig davon gehörte Hermann Stockmann einer künstlerischen Richtung an, in denen Begriffe wie Heimat, Brauchtum oder auch Scholle eine zentrale Rolle spielten.

Er kam 1897 als Maler nach Dachau. Man könnte ihn schon als originäres Mitglied der damaligen Künstlerkolonie bezeichnen. Er ist heute noch einer der beliebtesten Vertreter der damaligen Szene.

Wie ist das möglich?

Er hat viele Bücher illustriert und nette Manderl in vielen Szenen gezeichnet.

Wie schätzen Sie seine Kunst ein?

Zuerst war er ein expressiver Künstler. Ich habe Bilder von ihm gesehen, bei denen man auf den ersten Blick nie gedacht hätte, dass sie von Stockmann stammen könnten. Daraus sind eher so Heimatidyllen geworden, wenn ich an die Kartoffelernte denke, die in der Gemäldegalerie zu sehen ist. Er ist in diese Heimatrichtung gegangen, das war damals der konservative Trend.

Der passte zur Hinwendung zur Natur als Gegenbewegung zur Industrialisierung?

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(Foto: oh)

Zwei Porträts aus dem Leben Hermann Stockmanns (1867 bis 1938): Das erste zeigt ihn als Dachauer Honoratior, von 1927 an Ehrenbürger der Stadt.

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(Foto: Toni Heigl)

Die zweite Fotografie, bereits um 1898 aufgenommen, zeigt Stockmann als Vertreter der Heimat- und Trachtenkultur.

Das ist richtig. Um den Gedanken weiter zuführen. Er hat in der gesamten Dachauer Zeit sehr viele Bücher illustriert, wie den "Lustivogelbach oder den "Kleinstadtzauber". Er war kein Grafiker, sondern ein Zeichner. Aber die Wirkung ist zwiespältig. Manche sind begeistert.

Sind Sie es?

Teils, teils. Ganz gut gefallen mir die expressiven frühen Werke und einige der Zeichnungen sind ganz nett. Dort wo er kritischere Geschichten zeichnete, beispielsweise über einen vermeintlichen undankbaren Bettler, finde ich ihn besser.

In der Gründung des Museumsvereins liegt seine entscheidende Bedeutung für Dachau? Man könnte ihn als ersten Kreisheimatpfleger bezeichnen?

Ja genau, das würde ich sagen. Der Museumsverein erlebte tatsächlich einen großen Aufschwung. Stockmann gelang es mit seinen Mitstreitern Hans von Hajek und August Pfaltz im Schloss ein Heimatmuseum einzurichten. Dort ist jetzt das Restaurant untergebracht. Bis ins Jahr 1954 befand es sich dort. Danach wurde das Schloss saniert. Erst 1985 wurde die Gemäldegalerie eröffnet und zwei Jahre später das Bezirksmuseum. Und seit 1989 bin ich in Nachfolge von Horst Heres der Vorsitzende.

Peter Stadler spricht über sein zwiespältiges Verhältnis zum Gründungsvorsitzenden des Museumsvereins, den Maler Hermann Stockmann. (Foto: Toni Heigl)

Welche Bedeutung hat Hermann Stockmann für den Museumsverein und für Sie persönlich?

Inhaltlich hat er keine Bedeutung mehr. Die Zeit hat sich verändert, der rückwärtsblickende Heimatbegriff auch. Aber es bleibt die Reminiszenz an den tatsächlichen Gründer meines Vereins.

Wie sieht die Zukunft des Museumsvereins aus? Fühlen Sie sich heimatlos, nachdem Stadt und Landkreis Gemäldegalerie und Bezirksmuseum übernommen und dafür einen Zweckverband gründeten?

Heimatlos sind wir nicht. Wir haben eine Geschäftsstelle, ein Archiv und eine Bibliothek in der Münchner Straße in Dachau. Aber es ist richtig, dass wir für unsere Projekte keinen ständigen Raum mehr zur Verfügung haben und schauen müssen, wo wir unterkommen. Deshalb freue ich mich, dass wir gemeinsam mit der Gemäldegalerie eine Ausstellung des Malers Philipp Röth für 2019 planen.

Wie kommen Sie auf Philipp Röth?

Wir arbeiten mit einer Kunsthistorikerin zusammen, die Röths Werk kennt. Er war ein Vertreter der Freilichtmalerei und der für sie typischen Paysage intime.

Was für eine Aufgabe hat der Museumsverein 114 Jahre nach seiner Gründung?

Es bleibt die Sammeltätigkeit von Exponaten zur Kunst- und Kulturgeschichte Dachaus. Wir wollen weitere Ausstellungen organisieren. Aber diese Aufgabe fällt uns wegen des Alters zusehends schwerer.

Sie haben Nachwuchsprobleme?

Wir haben Nachwuchsprobleme, im Gegensatz zu Hermann Stockmann. Damals meldeten sich sehr viele Dachauer Bürger bei dem Verein an und beteiligten sich intensiv. Insofern freue ich mich über die Kooperation mit dem Museumsvereins Altomünster. Unser Vorstandsmitglied Robert Gasteiger eröffnet dort an diesem Sonntag eine Ausstellung über Karikaturen bäuerlichen Lebens.

Alle reden von Heimat. Da müssten Sie doch Zulauf haben. Haben Sie eine Idee?

Nein, überhaupt nicht. Die jungen Leute haben mal für ein Projekt Zeit, aber nicht mehr langfristig für die kontinuierliche Vereinsarbeit.

Und eine historisch-kritische Stockmann-Ausstellung würde Sie nicht reizen?

Doch. Das Vorhaben scheitert an der Quellenlage für Stockmann und August Pfaltz. Sie ist im Gegensatz zu Hans von Hajek sehr dünn. Da müsste man richtig forschen. Wenn, dann müsste man eine Ausstellung aller drei Gründer machen.

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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