Süddeutsche Zeitung

Erfolgsgeschichte:Die Herren der Thermik

Lesezeit: 3 Min.

Der 13-jährige Cyrill Römer aus Vierkirchen steuert kleine Segelflugzeuge mit großer Präzision. Zusammen mit zwei Kollegen hat er jetzt in der Slowakei den Europameistertitel im Modellfliegen geholt

Von Christiane Bracht, Markt Indersdorf

Cyrill Römer ist stolz. Der 13-Jährige ist Europameister. Zusammen mit Jan Christoph Weihe und Michael Kress hat er jetzt den Pokal im Modellfliegen (Klasse F3J) geholt. Eine Woche hat der Vierkirchener dafür ausnahmsweise schulfrei bekommen, um im slowakischen Martin um den Titel kämpfen zu können. Leicht war es nicht, erzählt Vater Rainer Römer, der den Sohn begleitet hat. Eher ein Wechselbad der Gefühle. Aber die drei jungen Piloten vom Team "Die Unglaublichen" haben alle Erwartungen übertroffen.

Wer jetzt denkt, Modellfliegen ist doch kein Sport, der irrt. Denn es geht nicht darum, das Flugzeug irgendwie in die Luft zu bekommen und ein bisschen mit der Fernsteuerung herumzuspielen. In der Klasse F3J ist Präzision gefragt. Mit Hilfe eines Seils wird der Segler in die Luft gezogen. Maximal zehn Minuten darf er dort oben schweben, dann muss er landen und zwar auf einer Zielscheibe, die nicht immer leicht zu treffen ist. Wenn es absolut windstill ist, haben die Piloten oft große Schwierigkeiten, ihre Flieger oben zu halten, denn sie haben keinen Motor. Herrscht Sturm, geht es darum sie zu kontrollieren. Das Entscheidende bei diesem Sport ist es die Thermik zu erspüren und sie zu nutzen. Das hat Cyrill auf dem Flugplatz zwischen Markt Indersdorf und Weichs lange geübt. "Und er ist gut darin", sagt sein Vater. Bei der Europameisterschaft hat er nun auch erstaunliche Nervenstärke bewiesen. Nicht alles lief glatt. Es war eher wie in einem Krimi: In der Vorrunde, der entscheidenden für die Mannschaftswertung, war der Wind schwach. Ganz früh am Morgen und abends regte sich sogar kaum ein Lüftchen - eine echte Herausforderung für die jungen Piloten. Insgesamt zwölf Mal mussten sie ihr Können unter Beweis stellen. Und die drei Deutschen schlugen sich gut. Cyrill allerdings hatte auch Pech: Bei einem Start versteuerte er sich, alle Versuche, den Fehler zu korrigieren, scheiterten. Der Flieger trudelte unaufhaltsam nach unten, Flügel und Schnauze rammten zuerst in den Boden. Die Glasfasern splitterten. Technischer Totalschaden. Aber Cyrill ließ sich nicht entmutigen, er schüttelte den Kopf und griff zu einem anderen Modell, um weiterzumachen. Er schaffte es trotzdem auf den dritten Platz und das als einer der jüngsten des Turniers. Mannschaftskollege Jan Christoph Weihe (17) aus der Nähe von Ingolstadt glänzte als bester und Michael Kress (16) aus Aschaffenburg belegte den vierten Platz. Gemeinsam schlugen sie die Konkurrenz um Längen.

Im Flyoff, der Finalrunde der besten neun Piloten, wurde dem 13-jährigen Cyrill der kleine Unfall in der Vorrunde jedoch zum Verhängnis. Denn an dem Tag kam ein Sturm auf, der den Jugendlichen einiges abverlangte. Doch Cyrills geeignetster Flieger, der schwerste, war kaputt. Und ersetzt werden durfte er nicht. Beim vierten Start passierte das Unglaubliche: Eine Böe erfasste den Segler, er ließ sich nicht mehr zurücklenken zur Zielscheibe, blieb einfach in der Luft stehen und schwebte langsam nach unten - bis er in einem Maisfeld verschwand. Cyrill musste aufgeben. Mit dem leichten Flieger hatte er keine Chance. Und so belegte er am Ende in der Einzelwertung der Flyoffs den neunten und letzten Platz.

Cyrill war übrigens nicht der einzige, der seinen Flieger im Maisfeld landen musste, sechs andere teilten sein Schicksal. Allerdings suchten nicht alle so lange nach dem Modell. Den ganzen Nachmittag über lief Cyrills Mannschaft durch die Pflanzenreihen, ohne Erfolg. Erst am Abend fand ein Quadrokopter mit Kamera den vermissten Segler.

Vater Rainer Römer half seinem Sohn eine Woche lang als Läufer, die Segler in die Luft ziehen. Er fieberte mit ihm mit und ist jetzt um so stolzer auf den 13-Jährigen, der so viel "mentale Stärke" bewiesen hat. Einer der größten Momente für Vater und Sohn war natürlich die Ehrung: der strahlende Sieger auf dem Podest. "Am meisten hat mich aber gerührt, wie Cyrill mit der Goldmedaille um den Hals und dem Pokal in der Hand auf der Rückfahrt eingenickt ist", sagt Römer. Auch in der Schule wurde Cyrills Erfolg gefeiert. Als der 13-Jährige dem Direktor davon erzählte, gab dieser ihm noch einen Tag mehr frei und der Religionslehrer schenkte ihm ein Spaghettieis. So macht Schule Spaß. Und was sagt Cyrill zu seinem Erfolg? "Nächstes Jahr will ich Weltmeister werden."

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Quelle:
SZ vom 01.08.2017
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