Rechtsstreit blockiert Anlage:Null Kilowatt

Das Windrad in Welshofen steht bereits seit März. Doch es bewegt sich nicht. Grund dafür ist ein juristischer Streit um einen Vogel. Die Bürger der Initiative für die Anlage sind enttäuscht und frustriert

Von Renate Zauscher, Erdweg

Im sogenannten Buchwald bei Welshofen, einem Ortsteil von Erdweg, steht seit diesem Frühjahr eine etwa 140 Meter hohe, betriebsbereite Windkraftanlage. Sie könnte pro Monat etwa 460 000 Kilowattstunden Strom produzieren und 1600 Haushalte versorgen. Doch das tut sie nicht: Die Rotorblätter haben sich seit der Fertigstellung im März noch kein einziges Mal gedreht. Bislang nämlich fehlt wegen einer anhängigen Klage die endgültige Betriebsgenehmigung für die Anlage.

"In Zeiten von Fridays for Future ein unmöglicher Zustand", sagt Stefan Paulus. Er ist Prokurist und Projektentwickler bei der Firma Wust - Wind& Sonne aus Markt Erlbach. Sie ist spezialisiert auf den Bau von Windkraftanlange, die im Bürgermodell errichtet werden. Wust hat auch die Anlage in Welshofen geplant und will sie im Auftrag der Investoren-Gruppe "Bürgerwindenergie Erdweg" als Bürgeranlage betreuen. Paulus ist ebenso verärgert über den Stand der Dinge wie Jürgen Böckler, Sprecher der Gesellschafter, die mit dem Bau der Windenergieanlage und ihrer Investition eigentlich etwas Sinnvolles für den Klimaschutz tun wollten. Hier wie dort wächst das Unverständnis über das Zögern der Behörden, Klarheit in der Sache zu schaffen.

Windrad

Das Windrad steht still. Vor Gericht wird aufgrund nistender Vögel um den Betrieb der Anlage gerungen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Grund für den Stillstand im Buchwald ist ein juristischer Streit, in dem es im Wesentlichen um einen Vogel, nämlich den im Buchwald nistenden Wespenbussard, geht. Mit dem Argument, der Betrieb der Anlage könnte das Tier gefährden, hat der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern gegen die 2016 erfolgte immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Anlage durch das Landratsamt Dachau geklagt und korrespondierend dazu auch ein Eilverfahren angestrengt. Beides hat zunächst das Verwaltungsgericht München und in zweiter Instanz dann den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof beschäftigt. Letzterer hat in einer Entscheidung vom März dieses Jahres Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung geäußert und deren Vollzug vorläufig ausgesetzt.

Die juristischen Zusammenhänge sind komplex. Zwar steht das Windrad außerhalb der engen 1000-Meter-Zone um den Horst, bis 2016 aber musste auch noch der weitere Umkreis in einer Entfernung von 1000 bis 6000 Metern ornithologisch untersucht werden. 2016 wurde diese Vorschrift im bayerischen Windkrafterlass gestrichen: Entsprechend neueren ornithologischen Erkenntnissen wird der Wespenbussard nicht mehr als besonders schlaggefährdete Art betrachtet und der äußere Bereich um den Horst muss nicht mehr untersucht werden. "Wir reden also eigentlich über eine Sache, die längst überholt ist", sagt deshalb auch Stefan Paulus.

Wespenbussard Wespen Bussard Pernis apivorus auf Totholz Seitenansicht Deutschland Bayern wes
(Foto: imago/blickwinkel)

Zwei der ursprünglich drei geplanten Windkraftanlagen im Buchwald hätten innerhalb der 1000-Meter-Zone gelegen, weshalb der Antrag für sie zurückgezogen wurde. Bezüglich des dritten Rades sah das Landratsamt aber offenbar keine artenschutzrechtlichen Probleme: Zwar hatte die bei der Regierung von Oberbayern angesiedelte Höhere Naturschutzbehörde eine ornithologische Nachuntersuchung empfohlen, diese aber nicht angeordnet. Im März 2016 wurde deshalb die immissionsschutzrechtliche Genehmigung und später auch die Genehmigung des Sofortvollzugs durch das Landratsamt erteilt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Angelegenheit mittlerweile an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen und empfohlen, eine fachliche Stellungnahme der Höheren Naturschutzbehörde einzuholen. Wann über die anhängige Klage entschieden wird, sei derzeit offen, heißt es vonseiten des Verwaltungsgerichts. Noch keine Entscheidung gebe es auch bezüglich des Eilantrags der Betreibergesellschaft, die die Anlage zunächst wenigstens zwischen 22 Uhr abends und fünf Uhr morgens laufen lassen will. Auch hier lasse sich "nicht vorhersehen, wann über den Antrag entschieden wird", teilt Pressesprecher Martin Friedrich mit.

Windkraft

Das Windrad in Welshofen ist vermutlich das letzte, das noch im Landkreis aufgestellt wurde. Die Stadtwerke Dachau haben ihr Vorhaben für eine Anlage im Sigmertshauser Holz zu den Akten gelegt. Den Kommunen hatte die bayerische 10-H-Abstandsregelung das Schlupfloch gelassen, beim Aufstellen von Flächennutzungsplänen solche Anlagen mit einzuplanen. Davon wollte Dachau Gebrauch machen, doch auch im Stadtrat war das Projekt umstritten. Die wenigen Anwohner wehrten sich vehement.

Der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz (VLAB) hatte auch versucht, das Windrad an der Pellheimer Ziegelei Hörl & Hartmann zu verhindern. Unter strengen Auflagen durfte dieses jedoch 2016 in Betrieb gehen. Der VLAB versteht sich selbst als Verein, der sich "gegen die Auswüchse der Energiewende" engagieren möchte. Windräder beeinträchtigten die "Ästhetik und schädigen die biologische Vielfalt". vgr

Bei den Investoren wie bei der von ihnen mit der Betriebsführung beauftragten Wust - Wind & Sonne wachsen mittlerweile Frustration und Unverständnis. Jürgen Böckler sagt, dass er keinerlei Vertrauen mehr habe in behördliche Aussagen. "Es geht hier nur um juristische Feinheiten, mit Pragmatismus hat das einfach nichts mehr zu tun." Stefan Paulus spricht seinerseits von einem "hohen finanziellen Schaden": Auch wenn die Anlage noch nicht in Betrieb gegangen sei, so seien dennoch erhebliche Kosten etwa mit der Überwachung der Anlage, mit der Betriebsführung oder der fälligen Pacht an die bayerischen Staatsforsten verbunden.

Statt Strom zu erzeugen verbrauche die Anlage im Buchwald Strom, für die laufende Steuerung etwa. Noch könne man die laufenden Kosten "verkraften", der finanzielle Druck aber werde immer heftiger. Es sei "absolut nicht nachvollziehbar", warum in der Sache noch keine Entscheidung getroffen wurde.

Hinter dem Projekt steht die Bürgerwindenergie Erdweg GmbH&Co. KG, auch die Bürgerstrom Dachau eG ist beteiligt. Die Gesellschafter haben 900 000 Euro Eigenkapital eingebracht. Für den großen Rest haben sie einen Kredit bei der Umweltbank aufgenommen und somit etwa 4,6 Millionen Euro gemeinsam investiert. Zum Spatenstich im Dezember kamen sowohl Bürgermeister Christian Blatt als auch Landrat Stefan Löwl (beide CSU).

Umstritten war bislang noch jedes Windrad im Landkreis, auch die beiden im Dachauer Stadtgebiet in Etzenhausen und Pellheim. An der Ziegelei in Pellheim war es ein Rotmilan, der beinahe die Genehmigung für den Bau verhindert hätte. Das Projekt in Erdweg läuft seit 2012. Dagegen gekämpft hatte anfangs die Welshofener Bürgerinitiative "Unser Buchwald". Sie hatte erreicht, dass statt drei Windrädern nur eines gebaut werden konnte. Nun muss es sich nur noch drehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: