Trauerbewältigung:Im Himmel gibt es keine Autos: Wenn Kinder den Tod malen

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Viele der Kinderbilder sind farbenfroh. (Foto: Toni Heigl)

Für die Ausstellung "Tote essen auch Nutella" haben sich Kinder mit den Themen Tod und Trauer beschäftigt. Ihr Blickwinkel ist voller Leichtigkeit.

Von Lina Brückner, Erdweg

Kinder drücken das aus, was Erwachsene nicht verstehen können: "Die Toten ruhen sich nur aus. Sie sind erschöpft, weil sie schwer krank waren oder erschossen wurden. Wenn sie wieder neue Kraft haben,verlassen sie ihre Gräber und schweben in den Himmel". Wie sich das Sterben anfühlt, wie die Toten "weiterleben", wie man mit ihnen trotzdem noch in Verbindung stehen kann - all das zeigt die Ausstellung "Tote essen auch Nutella", die vergangenen Sonntag, 13. Oktober, um 15 Uhr eröffnet wurde. Bis zum 17. November sind die Zeichnungen von Kindern zum Thema Tod im Tagungshaus am Petersberg ausgestellt.

Mit einem Dank dafür, dass der Saal trotz des schönen Wetters voll gewesen ist, begrüßte Walter Hechenberger die Gäste. Den Trauerbegleiter freute besonders, dass auch viele junge Menschen gekommen waren. Er sprach von Bildungsarbeit, die hier geleistet würde: "Neubildung der Seele und des Menschen nach so einem Verlust". Laut Hechenberger gibt es "keinen besseren Ort für die Ausstellung", da hier seit Jahrzehnten intensive Trauerarbeit geleistet wird.

"Wann wird das wohl zu Ende sein?"

Die Ausstellung treffe den "Nerv der Gesellschaft" und bringe so die Trauerarbeit im Landkreis Dachau voran. Neben Hechenberger begrüßten Annerose Stanglmayr, die Geschäftsführerin des Dachauer Forums, und Pfarrer Josef Mayer die Zuhörer. Landrat Stefan Löwl, Schirmherr der Ausstellung, kam nicht nur "knapp", wie Hechenberger bemerkte, sondern sogar "zu knapp". Also gar nicht. Musikalisch begleitet hat den Nachmittag das Jazz-Salonorchester des Josef-Effner-Gymnasiums Dachau. Auch wenn es nach eigenen Angaben keine Trauermusik im Repertoire habe, passte genau dies sehr gut zum Thema. Denn auch die Kinderbilder überzeugen mit Leichtigkeit, Charme und dem kindlichen Blickwinkel. Dies "berührt, verblüfft und regt uns dazu an, unsere eigene Sichtweise zu überdenken", so Hechenberger. Laut Stanglmayr gebe es in der Gesellschaft zwei Vorurteile bezüglich des Todes. Zum einen "Fass keine toten Tiere an, die sind giftig" und zum anderen die Frage, ob Mütter ihre kleinen Kinder mit zu einer Beerdigung nehmen dürfen. Hechenberger betonte, Tod und Sterben sollten kein Tabuthema sein. "Trauer darf sein, sie hat eine ganz wichtige Funktion".

Das Sprechen über den Tod helfe den Kindern ihre Angst davor zu überwinden, so die Kuratorin Martina Plieth. (Foto: Toni Heigl)

"Wann wird das wohl zu Ende sein?" Fragen, was der Tod eigentlich ist und wie er sich anfühlt, kommen schon im Kindesalter. Der Unterschied zu Älteren: Kinder liefern auch Antworten und haben eine ganz genaue Vorstellung vom Tod. "Der Körper bleibt und dann schwebt nur ein Teil nach oben: Das Gesicht, die Seele, kann man so sagen, und die Gedanken an die Erdmenschen", illustriert ein Kind den Sterbeprozess.

Oftmals fürchten sich die Kinder vor dem Tod: "Da passierte es, da hat mich der Tod geholt", erzählt ein Kind von seinem Traum. Teilweise schildern sie ganz objektiv den Lauf der Dinge. Zum Beispiel, wenn das Leben mit einer Uhr verglichen wird, die sich von Stunde zu Stunde weiter verdunkelt und bei der sich der Tod genau zwischen 23.59 Uhr und Mitternacht abspielt. Letztendlich seien vor allem die kindlichen Hoffnungsbilder am stärksten, betont Kuratorin Professor Martina Plieth, welche die Zuhörer mit einigen Kinderzitaten zum Thema auf die Ausstellung einstimmt. So sagt ein Junge: "Vielleicht stehe ich, wenn ich ein Geist bin, an erster Stelle". Bei den Kinderbildern falle auf, dass keinerlei Schwarz und nur ganz wenig Grau verwendet wurde, so Plieth.

"Das ist fast wie auf der Erde. Aber es gibt keine Autos."

Mit vielen Farben verbinden die Kinder ihre Vorstellungen vom Tod oftmals mit der Natur. Ein Kind erzählt, der Tod pflanze jeden Toten als bunte Blume, die wieder anfange zu blühen. Ein anderes sieht die Sterbenden als einzelne Wolken, die sich zu einer großen Wolke vereinigen. Viele Kinder denken an eine Form der Wiedergeburt. Zum Beispiel zeigt ein Bild ein Haus am Ende des bunten Lebenswegs. "Wenn das Haus ganz voll ist, brechen die Geister ans Tageslicht und beginnen wieder von Anfang an", lautet die zugehörige Beschreibung. Und auch der Uhrzeiger drehe sich um und die "Uhr beginnt wieder von vorne", so ein Mädchen. Oder die Toten leben im Himmel weiter: "Das ist fast wie auf der Erde. Aber es gibt keine Autos". Die teilnehmenden Kinder erzählen, sich vor dem Projekt sehr vor dem Tod gefürchtet zu haben. Seitdem sie begleitet über den Tod sprechen, hätten sie keine Angst mehr. Sie könnten nun "Licht und Schatten sehen", erklärt Martina Plieth.

In diesem Bild weint der Himmel. (Foto: Toni Heigl)

Den Teilnehmern wurde bei der Konfrontation mit dem Tod bewusst: "Mama, du kannst auch sterben". Doch beim gemeinsamen Austausch hätten sie gelernt, mit ihren Unsicherheiten umzugehen. Zudem merkten die Kinder, dass sie mit ihren Ängsten nicht alleine sind. Erwachsene könnten anhand der Ausstellung lernen, was es zu pädagogischer Trauerarbeit braucht, meint Martina Plieth. Die Zuhörer sind sichtlich von den Kinderstimmen berührt. Die Bilder regen dazu an, das Thema Tod aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

© SZ vom 17.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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