Jugendtreff:Erdweger Bauwagen soll weg

Jugendliche haben sich hier ihr eigenes kleines Reich geschaffen, doch nun soll der Treff verschwinden.

Von Benjamin Emonts, Erdweg

Marcel Baumgartner und seine Freunde haben sich einen Wunsch erfüllt, den fast jeder Jugendliche auf dem Land schon hatte: Sie haben sich ihr eigenes kleines Reich in einem Bauwagen geschaffen. Es liegt idyllisch zwischen Wiesen und Feldern 500 Meter abseits der kleinen Ortschaft Hof in der Gemeinde Erdweg. Hier sind die 16- bis 18-Jährigen ungestört, sie können Musik hören, Karten spielen und ab und zu eine Party feiern. Nachdem sich aber ein Anwohner über Lärm beschwert hatte, bekamen die Jugendlichen Probleme mit den Behörden. Der Erdweger Gemeinderat hat nun entschieden: Der Bauwagen muss weg.

Marcel Baumgartner und seine Freunde verließen wütend den Sitzungssaal, nachdem die Entscheidung mit elf zu zehn Stimmen denkbar knapp gegen ihren Bauwagen ausgefallen war. Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen, obwohl sie sich im Burschenverein und der Freiwilligen Feuerwehr für das Allgemeinwohl engagieren. Für die jungen Menschen ist es schwer begreiflich, weshalb man ihnen die Freude und das Recht auf ein Stück weit Selbstständigkeit nehmen will. Für die Renovierung des Bauwagens haben sie wochenlang gearbeitet. Sie haben ihn gestrichen, möbliert, im Innern eine zweite Wand eingezogen, Elektrokabel verlegt und sich eine kleine Musikanlage und ein Notstromaggregat beschafft. Die 1300 Euro, die dafür nötig waren, haben sich die jungen Männer, die größtenteils noch zur Schule gehen, mühsam zusammengespart.

Jugendtreff: Der Bauwagen liegt idyllisch zwischen Wiesen und Feldern abseits der kleinen Ortschaft Hof in der Gemeinde Erdweg.

Der Bauwagen liegt idyllisch zwischen Wiesen und Feldern abseits der kleinen Ortschaft Hof in der Gemeinde Erdweg.

(Foto: Toni Heigl)

Rechtliche Begschränkungen

Die Rechtslage nimmt darauf keine Rücksicht. Grundsätzlich bedarf es für Bauwagen oder Hütten im Außenbereich einer baurechtlichen Genehmigung, darauf verweist Alexander Krug vom Dachauer Landratsamt. Noch aus der Zeit von Alt-Landrat Hansjörg Christmann (CSU) besteht jedoch eine Weisung, wonach Bauwagen unter Auflagen als Jugendtreff geduldet werden können. Zu den zahlreichen Vorschriften gehört, dass die Gesamtzahl besagter Treffpunkte im Landkreis nicht steigen darf. Es muss ein Rettungsweg nachgewiesen und eine Ortsbesichtigung durch den Rettungsdienst und die Feuerwehr stattfinden. Zudem werden naturschutzrechtliche Bedenken und die Elektroinstallationen im Bauwagen geprüft. Das Amt für Landwirtschaft und Forsten muss einschätzen, ob eine sogenannte Baumschlaggefahr besteht. Doch damit es zu den umfangreichen Prüfungen überhaupt kommt, muss die jeweilige Gemeinde dem Bauwagen zustimmen.

Der Erdweger Bürgermeister Georg Osterauer (Freie Wähler) bezog eine klare Position. Bereits Anfang des Jahres wurde der Bau einer Jugendhütte im Ortsteil Welshofen untersagt. Osterauer spricht von einem "Präzedenzfall", den die Gemeinde geschaffen habe, um die Natur und die Landschaft zu schützen. Er berief sich auf einen Grundsatzbeschluss aus dem Jahr 2014, den die Bürgermeister des Landkreises gefasst haben. Die Zahl der Jugendtreffpunkte im Außenbereich darf sich demnach nicht erhöhen. Osterauer machte unmissverständlich klar, dass es in seiner Gemeinde keine neuen Bauwagen geben wird.

Bauwagen Hof

Bauwagen im Focus der Behörden: Marcel Baumgartner, Matthias Obermann und Florian Arzberger sind enttäuscht von der Politik.

(Foto: Marcel Baumgartner/oh)

"Solche Bauwagen gehören zum Erwachsenwerden"

Doch bei weitem nicht jeder ist seiner Meinung, wie die knappe Abstimmung im Erdweger Gemeinderat zeigt. Die Erdweger CSU-Gemeinderätin und Kreisrätin Eva Rehm sagte: "Ich finde es unmöglich, wie wir mit den Wünschen der Jugendlichen umgehen." Oder Gemeinderat Dominik Schöngruber befand: "Solche Bauwagen gehören zum Erwachsenwerden einfach dazu." Ähnlich äußert sich Peter Bernard vom Kreisjugendring: "Jugendtreffpunkte in selbst errichteten Bauwagen und Jugendhütten ermöglichen es Jugendlichen, Eigeninitiative zu entwickeln. Sie lernen Verantwortung zu übernehmen und sich mit gesellschaftlichen Normen auseinanderzusetzen." Es gebe jedoch eine Reihe von baurechtlichen und Haftungsproblemen, die im Einzelfall überprüft werden müssen.

Laut Alexander Krug vom Dachauer Landratsamt kommt es immer wieder zu schweren Unfällen in Bauwagen, in denen oft viel Alkohol konsumiert würde. Die strengen, aber "machbaren" Auflagen hätten ihre Berechtigung, damit den Jugendlichen nichts Schlimmes widerfährt. Die Lage für Jugendliche sei im Landkreis "komfortabel". "Wir bringen viel Zeit und Energie auf, um die Anträge zu prüfen." Der Grundstückseigentümer Gerhard Baumgartner war bereit, die Verantwortung für seinen Sohn und dessen Freunde zu übernehmen. Er legte eine Haftpflicht- und eine Unfallversicherung vor und stimmte einer Brandschutzprüfung sowie regelmäßigen Begehungen des Jugendpflegers der Gemeinde Erdweg zu, der das Vorhaben befürwortete. Bereits zum 30. November sollte der Bauwagen entfernt werden. Baumgartner bat beim Landratsamt um eine Fristverlängerung. Sein Sohn Marcel und die anderen Burschen haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Notfalls wollen sie einen neuen Platz für ihren Bauwagen suchen - innerorts.

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