Erdweg:Großes Kino in Kleinberghofen

Lesezeit: 3 min

Regisseur Florian Gallenberger und Mikael Nyqvist, der den Sektenführer Paul Schäfer der Colonia Dignidad in Chile spielt. (Foto: Majestic/Ricardo Vaz Palma)

Emma Watson und Daniel Brühl drehen im Freudenhaus - eigentlich hätte es eine Geheimaktion sein sollen. Doch vor der Tür wartet eine Gruppe Fans auf die Schauspieler. Eine Nacht mit Zaungästen.

Von Anna-Sophia Lang, Erdweg

Es ist dunkel und kalt in Kleinberghofen. Nichts regt sich. In den Straßen sind keine Menschen zu sehen, der Ort liegt da wie an jedem anderen Winterabend im November. Nichts weist darauf hin, dass in diesem Moment Weltstars in dem kleinen Ort im Dachauer Hinterland zugange sind, die jedes Groupie-Herz höher schlagen lassen. Man ist schon fast wieder draußen aus dem Ort, als plötzlich links der Straße ein ungewohntes Szene auftaucht: Vor dem Gasthof Freudenhaus stehen mehrere große Lastwagen, die Fassade ist mit Scheinwerfern hell erleuchtet, eine mit schwarzem Stoff verkleidete Kabine fährt auf einem Kran auf und ab. Sicherheitsleute in orangenen Westen stehen auf beiden Seiten der Straße. Rechts auf der Wiese sind Wohnmobile, Bauwagen und andere Fahrzeuge geparkt, auch dort stehen Scheinwerfer. Da wird klar: Hier wird ein Film gedreht. Und nicht irgendeiner. Emma Watson, Daniel Brühl und Mikael Nyqvist filmen in Kleinberghofen einen Teil des Thrillers "Colonia Dignidad".

Eine kleine Gruppe junger Leute steht frierend auf dem Gehweg neben der Bushaltestelle und wartet. Luka und Lea Notte aus Markt Indersdorf sind schon da, seit sie wissen, dass im Freudenhaus definitiv gedreht wird. Bis elf Uhr nachts harrten sie am Mittwoch schon aus. Bekannte hatten Emma Watson und Daniel Brühl herumlaufen gesehen und sagten den beiden Bescheid. Da sind sie sofort losgefahren. "Gestern Abend sind die beiden hier dauernd rumgelaufen", erzählt Luka. "Aber wir haben uns nicht getraut, sie anzusprechen, sie sahen so beschäftigt aus." Schon seit den Harry-Potter-Filmen ist Luka großer Emma-Watson-Fan: "Sie hat so einen coolen Klamottenstil, und in Interviews kommt sie immer total nett rüber." Mit ihrem Pony sieht sie selbst ein wenig aus wie eine jüngere Emma Watson. Ihre ältere Schwester Lea ist vor allem wegen Daniel Brühl da. "Er ist ein unfassbar guter Schauspieler, und so sympathisch."

Es sind nur sehr wenige Schaulustige, die sich vor dem Freudenhaus versammelt haben. Mal kommen welche dazu, mal geben welche auf und machen sich auf den Heimweg. Das Interesse der Kleinberghofener und der anderen Landkreisbürger hält sich anscheinend in Grenzen. Emma Watson ist Donnerstagnacht gar nicht mehr am Drehort. Das sagt ein freundlicher Sicherheitsmann, der bei den jungen Leuten steht und sich mit ihnen unterhält. Mehrmals hat er schon bei den Verantwortlichen nachgefragt, ob sie nicht doch schnell ein Autogramm bekommen können. Aber keine Chance: "Der Zeitplan ist zu eng."

Das bestätigt auch ein Mann im schwarzen Mantel, der sich kurz zu der Gruppe ausharrender Fans gesellt. Er ist Stand-In Double für einen der Schauspieler. Das heißt: Er steht statt dem Schauspieler in der Szene, solange der Regisseur Licht und Kameraeinstellungen testet. Seit drei Tagen ist er beim Dreh dabei, aber erst jetzt, kurz vor dem Ende, hat er ein Foto mit Daniel Brühl bekommen. "Wir dürfen die Schauspieler gar nicht ansprechen", berichtet er. "Nicht dass sie nicht wollen, aber die sind total abgeschottet. Die sind hoch konzentriert und müssen ihre Texte lernen." "Emma Watson hat sich seit Harry Potter überhaupt nicht verändert. Sie sieht immer noch aus wie 16", sagt ein Komparse, der im Vorbeilaufen kurz bei der Gruppe anhält. "Sie wirkt zart, total bescheiden, fast schon schüchtern." Mehr sagt er nicht, denn er ist vertraglich zum Schweigen verpflichtet.

"Sehr klein", sagt Freudenhaus-Wirtin Elisabeth Baum, sei Emma Watson. Man habe gemerkt, wie sehr die Schauspieler unter Anspannung standen. Nach dem Ende der Dreharbeiten hat sie ganz kurz mit Daniel Brühl gesprochen. "Voll nett" sei der gewesen, genau wie Mikael Nyqvist. "Überhaupt war die ganze Mannschaft total sympathisch", erzählt sie. "Da gab es null Allüren." Gegen Ende des Sommers kam der erste 'Location Scout' ins Freudenhaus. Erst nachdem immer wieder andere Personen anreisten und den Raum ausmaßen, erfuhr die Wirtin, dass in ihrem Lokal ein Film gedreht werden soll. Am Ende hat es zwei Wochen gedauert, bis alles aufgebaut war.

Dass es solche Weltstars sind, die in dem Film mitspielen, habe sie erst gar nicht geglaubt, sagt Baum. Bei so einer Nachricht ist ihr das Geheimhalten schwergefallen. Am ersten Drehtag war sie dann auch "ganz geplättet" von den 100 Komparsen, dem nach Originalvorbild komplett neugestalteten Raum und dem Prozedere des Drehs. "Wenn es hieß 'Quiet please. And Action' war es mucksmäuschenstill, obwohl alles voll war mit Menschen. Da hättest du jeden Furz gehört." Deshalb musste sie aufpassen, dass das Telefon nicht klingelt.

Trotz aller Aufregung hat sie mit ihrem Team am Dienstagmorgen noch wie gewohnt das Essen für einen Kindergarten gekocht, den das Gasthaus bewirtet. Wenn das nicht gegangen wäre, hätte sie den Dreh nicht zugelassen, sagt Baum. "Da wär' mir die Emma wurscht gewesen!" Ob sie nun traurig ist, dass alles vorbei ist? "Ich freue mich, dass es gewesen ist", antwortet die Wirtin. Wer weiß, ob Kleinberghofen jemals wieder so im Rampenlicht stehen wird.

© SZ vom 15.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: