Süddeutsche Zeitung

Erasmus-Stiftung:Ein wichtiges Signal aus Dachau

Lesezeit: 1 min

Es braucht eine gesetzliche Regelung, damit künftig demokratiefeindliche Bestrebungen nicht auch noch aus dem Staatshaushalt finanziert werden.

Kommentar von Helmut Zeller

Im Streit um eine Förderung der Erasmus-Stiftung aus Bundesmitteln hat die Lagergemeinschaft Dachau ein wichtiges Signal gesetzt. Das Vermächtnis der ehemaligen KZ-Häftlinge und Holocaust-Überlebenden gebietet geradezu, wenn man es denn ernst nimmt, dass die demokratischen Parteien mit Steuergeld keine geschichtsrevisionistischen Tendenzen fördern. Angriffe auf die Erinnerungskultur, Schlussstrichmentalität, antisemitische Hetze - sie kommen gerade auch aus den Reihen der AfD, der die Erasmus-Stiftung nahesteht.

Nun liegt der Ball bei den Parteispitzen der kommenden Ampelkoalition. Aber nicht nur. Auch Politik und Zivilgesellschaft in Dachau sind aufgerufen, die Forderung der Lagergemeinschaft zu unterstützen, allen voran die Bundestagsabgeordneten im Wahlkreis, die in ihren Parteien in Berlin die Forderung der Lagergemeinschaft verbreiten und unterstützen müssen. Es braucht, wie Präsident Ernst Grube es sagt, eine gesetzliche Regelung, damit künftig demokratiefeindliche Bestrebungen nicht auch noch aus dem Staatshaushalt finanziert werden. Genau darauf übrigens setzen Neonazis und Neue Rechte ihre größte Hoffnung, dass die Demokratie nicht wehrhaft genug und deshalb irgendwann der politische Umsturz möglich ist. Medienberichten zufolge reagieren SPD und FDP indessen eher zögerlich, der drohenden Millionen-Euro-Spende für Steinbachs Denkfabrik den Hahn zuzudrehen. Jene wollen den Koalitionsverhandlungen nicht vorgreifen, diese geben sich noch zurückhaltender. Anders dagegen die Grünen, die sich für eine gesetzliche Regelung der Förderung parteinaher Stiftungen klar ausgesprochen haben.

Aber alle Parteien und ihre Vertreter im Landkreis werden daran gemessen, wie sie sich in dieser Frage verhalten werden. Besuche der KZ-Gedenkstätte Dachau, die Teilnahme an den jährlichen Gedenkfeiern, Kranzniederlegungen oder das Polieren von Stolpersteinen - das ist wichtig, gerade heute, da die Erinnerungskultur von vielen Seiten angegriffen wird. In der postkolonialen Debatte mehren sich Versuche, die - notwendige - Aufarbeitung der Kolonialverbrechen Deutschlands gegen die Erinnerung an den Holocaust als singuläres Menschheitsverbrechen auszuspielen - und Israel als Kolonialmacht anzuklagen.

In ihren Parteiprogrammen sprechen sich die demokratischen Parteien zwar gegen Antisemitismus und Rassismus aus. Nur, wer liest die? Im Bundestagswahlkampf war bei öffentlichen Kandidatenauftritten indes kaum darüber etwas zu hören.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5463897
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.11.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.