Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Pilgerweg zum Windrad

Zu viele Dachauer besuchen die Großbaustelle in Etzenhausen, jetzt wurde die Zufahrt für Autos gesperrt. Aber nicht alle sind fasziniert, manche erschrecken auch über die Dimension der ersten Windkraftanlage im Landkreis.

Von Petra Schafflik

"Windrad nur zu Fuß erreichbar" - in rasch hingeworfenen Druckbuchstaben steht dieser Hinweis auf einem Pappschild an der Straßensperre, die den Weg nach Steinkirchen für Fahrzeuge blockiert. Die schmale Zufahrt führt seit jeher vom Weblinger Weg hinauf zur kleinen Kirche und dem Weiler Steinkirchen. Seitdem dort, im Norden Dachaus, das erste Windrad im Landkreis entsteht, ist der Weg abgeriegelt. Das Interesse der Bürger ist so enorm, dass der Baustellenbetrieb wie auch die acht Anwohner des Weilers durch die vielen Privatfahrzeuge massiv gestört worden sind. Doch die neugierigen Besucher sind nicht nur fasziniert von der Großbaustelle. Zunehmend werden kritische Stimmen zum Projekt des Etzenhausener Landwirts Josef Gasteiger laut.

Windkraft-Investor Gasteiger ist aber mit dem Baufortschritt zufrieden. "Die meisten Teile sind angeliefert," sagt er. Der Betonturm wächst Tag für Tag in die Höhe, zwei dreißig Meter lange Metallstreben fehlen noch, nächste Woche soll die Nabenhöhe von 138 Metern erreicht sein. Danach, so erläutert Gasteiger den Bauablauf, werde der momentan eingesetzte Montage-Kran durch ein höher aufragendes Modell ausgetauscht, bevor die Rotorblätter installiert werden, die einen Durchmesser von 82 Metern haben. Der Anschluss der Windkraftanlage ans Leitungsnetz wird parallel installiert, bereits ab Juli soll sich das Windrad drehen und auch sofort Strom ins Netz einspeisen. Das Windgutachten, das Gasteiger erstellen ließ, kalkuliert einen jährlichen Stromertrag von fünf Millionen Kilowattstunden. Das entspricht dem durchschnittlichen Stromverbrauch von 1300 Drei-Personen-Haushalten. Auf der Baustelle erlebt Gasteiger nicht nur den Baufortschritt seines Windrads, sondern wird auch mit Reaktionen der Bürger konfrontiert. "Die meisten sind positiv eingestellt und an der Technik interessiert, einige sind anderer Meinung", so Gasteiger. Die Baugenehmigung für das Windrad, das im Stadtrat von Anfang an umstritten war, musste sich Gasteiger erst in mehreren Verfahren vor Gericht erstreiten. Denn die Stadt wollte das Vorhaben nicht zulassen, verwies auf das landkreisweite Windkraft-Konzept, das gerade in gemeindeübergreifender Zusammenarbeit erstellt wird. Das Verwaltungsgericht gab Gasteiger aber Recht.

Doch nach wie vor ist das Projekt umstritten. Wer die Energiewende ernst nehme, müsse die Kraft der Natur auch nutzen. Und zwar dort, wo der Strom benötigt werde, sagt Stadtrat Thomas Kreß, dessen Grünen-Fraktion mit dem Bündnis für Dachau das Windrad ausdrücklich befürwortet hat. Im übrigen sehe so ein Windrad immer noch besser aus als eine Hochspannungsleitung, findet Kreß. Ähnlich beurteilen die Windanlage auch Bürger wie Ulrich Hartberger, der in der Bürgerversammlung für Etzenhausen Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) massiv kritisierte, weil der gegen das Windkraftprojekt war. Gegen das Windrad gekämpft hatte bis zuletzt die CSU-Fraktion im Stadtrat. Die Anlage zerstöre den Erholungswert der stadtnahen Grünzone in Sichtweite der Altstadt, meint CSU-Stadtrat Erwin Zehrer. Allerdings hat Zehrer bislang kaum kritische Stimmen aus der Bevölkerung vernommen. Doch tatsächlich ist das Windrad auch unter den Bürgern nicht unumstritten. In der Bürgerversammlung für die Altstadt geißelte der Dachauer Richard Lindner das Projekt als "größte Naturzerstörung aus reiner Profitgier".

Auch Nachbarn äußern sich schon verärgert. Aber Grünen-Stadtrat Kreß ist optimistisch: Die Erfahrung zeige, dass die Akzeptanz für Windkraft in Regionen steige, in denen schon einige Anlagen stünden. Manche jetzt noch kritische Stimme drücke vielleicht auch "ein Unwohlsein vor dem Unbekannten" aus, meint Kreß. Genau den gegenteiligen Effekt erwartet Erwin Zehrer. Wenn die Windkraftanlage in ihrer gesamten Dimension erlebbar werde, wenn sich die Rotoren im Wind drehten - dann erst würden Bürger vermutlich bemerken, wie störend das Windrad wirke. "Das dauert seine Zeit", sagt Zehrer.

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Quelle:
SZ vom 02.05.2013
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