Energiewende im Landkreis:"Mit etwas Geholper bekommen wir das hin"

Der Grünen-Kreisrat Zauscher sieht echte Chancen für die Energiewende: Die Politik könne jetzt keine Rolle rückwärts mehr machen - und wenn doch, würde sie sich selbst schaden.

Helmut Zeller

Lässt sich die Energiewende überhaupt schaffen? Ja, sagt Roderich Zauscher. Nach dem Beschluss zum Atomausstieg sieht der Kreisrat (Grüne) und Vorsitzende des Bundes Naturschutz echte Chancen: Die Politik könne sich eine Rolle rückwärts nicht mehr leisten. Das würde sich schmerzhaft in Wahlergebnissen niederschlagen. Strom werde kurzfristig etwas teurer, aber Zauscher glaubt, dass "wir das mit etwas Geholper hinbekommen". Über Möglichkeiten und Voraussetzungen des Ausbaus regenerativer Energiequellen sprach er mit der SZ.

Energiewende im Landkreis: Der Grünen-Kreisrat Roderich Zauscher ist auch Vorsitzender des Bundes Naturschutz.

Der Grünen-Kreisrat Roderich Zauscher ist auch Vorsitzender des Bundes Naturschutz.

(Foto: www.joergensen.com)

SZ: Thomas König, Vorstand des Gemeinsamen Unternehmens für Abfallbeseitigung (GfA), will das kommunale Unternehmen zu einem regionalen Energieversorger für die Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck machen?

Zauscher: Das ist im Prinzip der richtige Weg. Ich hoffe, dass das auch umgesetzt und ergänzt wird. Regenerative Energiegewinnung ist ein Gebot der Stunde. Besser kann man es nicht planen, als das Herr König getan hat.

SZ: Wie wichtig sind denn die Pläne der GfA für den Umbau auf erneuerbare Energien?

Zauscher: Das ist schwer einzuschätzen. Aber ich hoffe, dass Abwärme einen hohen Stellenwert hat. Klar ist jedoch, dass auch viele Wind- und Solaranlagen dazukommen müssen.

SZ: Die GfA braucht Kooperationspartner. Die Stadtwerke Dachau waren im Gespräch, wollen aber nicht mitziehen?

Zauscher: Das ist unverständlich und ökologisch nicht verantwortbar. Aus der GfA kommt Wärme aus Abfall. Die Stadtwerke blockieren, weil sie ein Gasnetz aufgebaut haben. Da fehlt es mir an ökologischer Verantwortung und Realitätssinn.

SZ: War denn die Ausrichtung der Stadtwerke auf Gas eine Fehlentscheidung?

Zauscher: Ich glaube, ja. Aber man konnte natürlich nicht voraussehen, wie das GfA sich entwickeln würde. Doch die überschüssige Wärme war schon immer vorhanden.

SZ: Was nun? Sollen die Stadtwerke etwa ihr Versorgungsnetz umbauen?

Zauscher: Ja.

SZ: Welche Rolle haben denn Stadtwerke und GfA grundsätzlich?

Zauscher: Sie sind, wenn man die Stadtwerke Fürstenfeldbruck dazu nimmt, eine tragende Säule. Durch sie wäre die Struktur einer zukünftigen Stromversorgung und auch Versorgung mit Wärme schon gegeben. In beiden Landkreisen. Man würde dann Eon nicht mehr brauchen.

SZ: Die Stadtwerke Dachau investieren aber schon auch in erneuerbare Energiequellen?

Zauscher: Wenn wirklich investiert wird, dann handelt es sich um echten Ökostrom.

SZ: Aber liefert nicht auch Eon Strom aus regenerativen Quellen?

Zauscher: Nein, auch wenn das immer schön gerechnet wird, weil alte Wasserkraftwerke mit geringster Leistung dazugenommen werden. Der Ökostrom von Eon ist ein Etikettenschwindel. Eon-Energie kommt in der Hauptsache aus Atom- und Kohlekraftwerken.

SZ: Welche Rolle spielen die Kommunen für die Energiewende?

Zauscher: Eine sehr unterschiedliche. Manche sind sehr aufgeschlossen und wollen neue Wege gehen. Manche schlafen und blockieren.

SZ: Warum?

Zauscher: Einige hängen noch an der Kernkraft und wollen keine Veränderung. Aber man muss auch sehen, dass Eon eine sehr gute Lobbyarbeit macht. Manche haben auch noch nicht begriffen, wie fundamental die Änderung sein muss.

SZ: Welche regenerativen Energiequellen kommen denn für den Landkreis überhaupt in Frage?

Zauscher: Als allererstes ist da die Windkraft zu nennen, als zweites Biogas aus Abfällen. Dick rot unterstrichen, nicht Anbau für Biogasanlagen, sondern Abfälle, wie das die GfA plant. Also Kompost und landwirtschaftliche Abfälle wie Gülle.

SZ: Wir haben im Landkreis seit 2005 nur eine einzige Windkraftanlage?

Zauscher: ..und die ist klein. Das ist eine Schande, und dafür ist die Blockadepolitik der bayerischen Staatsregierung verantwortlich. Auch der Landkreis hat blockiert.

Mais ist der falsche Weg

SZ: Gibt es denn schon Biogasanlagen, die mit Abfällen gespeist werden?

Zauscher: Nein, da wird viel Maisanbau betrieben. Aber Mais ist aus verschiedenen Gründen der falsche Weg. Energiepolitisch kommt dabei nicht viel heraus. Schließlich muss ja für Anbau oder Transport wieder viel Energie verbraucht werden. Auch wird das landwirtschaftliche Pachtsystem durcheinander gebracht. Die Bauern ziehen den Kürzeren. Das ist wiederum agrarpolitisch sehr bedenklich.

SZ: Also dann Windkraft, aber schon hagelt es wie im Fall der Pläne für eine Anlage bei Odelzhausen Bürgerproteste?

Zauscher: Wir verstehen es nicht. Regionale Energieversorgung aus regenerativen Quellen ist wichtig und vernünftig. Niemand will Schlagschatten in Haus und Garten oder Lärmbelästigung. Das wäre nachvollziehbar, aber alle anderen Argumente, die hier vorgebracht werden, sind nicht stichhaltig.

SZ: Aber ohne die Bürger wird die Energiewende nicht gelingen?

Zauscher: Ein Teil zieht sicherlich mit. Sehr wichtig ist, dass Bürger sich an den Anlagen beteiligen können, auch Gemeinden daraus einen Gewinn haben. Die Wertschöpfung muss im Landkreis und bei den Bürgern bleiben.

SZ: Welche Chancen bietet der Flächennutzungsplan der Kommunen für Windkraftstandorte?

Zauscher: Das weiß ich nicht. Wenn sich jede Gemeinde verpflichtet, eine Anlage aufzunehmen, muss gewährleistet sein, dass das nur der Anfang ist und die Gemeinden Handlungsfreiheit haben. Das darf sich nicht in wenigen Anlagen erschöpfen, so dass man eher von einer Verhinderungsplanung sprechen muss als von einer echten substanziellen Planung. Das werden wir auch sehr kritisch verfolgen.

SZ: Könnte denn der Landkreis, wie Bruck das plant, in der Energieversorgung überhaupt autark werden?

Zauscher: Das ist realistisch. Es kommt darauf an, ob sie die 1500 bis 2500 Kilowattstunden meinen, die der Mensch im Haushalt durchschnittlich verbraucht oder vom Gesamtstromverbrauch ausgehen. Aber eine möglichst hohe Eigenversorgung ist sinnvoll. Sicherlich wird es noch eine längere Zeit Überlandnetze geben müssen, und größere Kraftwerke. Das aber müssen Gaskraftwerke sein, die variabel arbeiten und dann kurzfristig einspeisen, wenn regenerative Quellen mangels Sonne oder Wind reduziert sind.

SZ: Die Pläne für einen Klimaatlas sind an Dachau und Karlsfeld gescheitert. Aber ist er nicht notwendig?

Zauscher: Ja sicher. Es gibt Einsparziele, die gut und realistisch sind, aber es kann kein Mensch sagen, wie viel er einspart, wenn er nicht weiß, wie viel er verbraucht. Die Kommunalpolitik muss endlich tätig werden und ihre Blockade aufgeben.

Ökostrom finden alle gut. Die Energiewende kommt, aber ihre Umsetzung im Landkreis Dachau wirft viele Fragen auf. Deshalb veranstaltet die SZ Dachau ein Forum vor Ort: "Böse Kernkraft, gute Windkraft - schaffen wir die Energiewende?". Experten und Publikum diskutieren am Freitag, 22.Juli, von 20 Uhr an im Ludwig-Thoma-Haus, Augsburgerstraße 23, in der Dachauer Altstadt über den Weg in eine umweltfreundliche Zukunft. Auf dem Podium sitzen: der Haimhausener Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU), Gerald Nübel, technischer Leiter der Stadtwerke Dachau, und Thomas König, Vorstand der GfA, Gemeinsames Unternehmen für Abfallwirtschaft der Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau. Zusammen mit Herbert Barthel, Leiter des Energiereferats des Bundes Naturschutz in Bayern, und Wolfgang Schölkopf, Leiter der Abteilung Technik für Energiesysteme und Erneuerbare Energien beim Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung, gehen sie der Frage nach, welche Rolle Dachauer Kommunen, Energieversorgungsunternehmen, Bürger und Verbraucher für eine gelungene Energiewende spielen. Klar ist: Nur ein gemeinsames Handeln für den Klimaschutz wird den Landkreis und seine Menschen in dieser Schicksalsfrage nach vorne bringen.

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