Energiewende im Landkreis:Die Angst vor dem Wildwuchs

Wer aus der Atomkraft aussteigen will, braucht Alternativen: Doch gerade Windkraft wird im Landkreis Dachau kontrovers diskutiert.

Melanie Staudinger

Dass es passieren würde, wusste jeder vorher. Dass es aber so schnell gehen würde, damit haben die wenigsten gerechnet: Nun hat das Landratsamt den ersten Antrag auf eine Windkraftanlage im Landkreis bekommen. 140 Meter hoch soll das Windrad sein und sich auf dem Gebiet der Stadt Dachau befinden. Mehr ist noch nicht bekannt. Windkraftanlagen sind ein sensibles Thema.

Energiewende im Landkreis: Geflügelzüchter Willi Müller hat in Lohfeld sein Windrad schon vor zehn Jahren aufgestellt und erwirtschaftet damit rund 1000 Kilowattstunden im Jahr.

Geflügelzüchter Willi Müller hat in Lohfeld sein Windrad schon vor zehn Jahren aufgestellt und erwirtschaftet damit rund 1000 Kilowattstunden im Jahr.

(Foto: joergensen)

Oft protestieren die Bürger, wenn ein solches Projekt vor ihrer Haustüre realisiert wird. Und über ungelegte Eier sprechen Kommunalpolitiker und Verwaltung ohnehin ungern. So einzigartig aber ist das Windrad gar nicht. Im Dachauer Ortsteil Lohfeld nämlich steht bereits seit 2002 ein Windrad. Daran stört sich aber niemand, ist es doch bloß 18 Meter hoch.

Es zeigt aber, wie sehr sich die Zeit gewandelt hat. Damals hieß es in einem Gutachten noch, dass Lohfeld der einzig mögliche Standort für Windkraft in der Stadt Dachau sei. Jetzt sind die Anlagen viel höher und effektiver. Das im April vorgestellte landkreisweite Windkraftgutachten weist für Dachau vier potentielle Flächen in Pellheim und Assenhausen aus. Die Areale umfassen 34,1 Hektar und damit ein Prozent des Stadtgebiets. Im Landkreis gibt es laut der Untersuchung des Pasinger Büros von Irene Burkhardt Standorte für 60 Windkraftanlagen, die alle Haushalte im Dachauer Land mit Strom versorgen könnten.

Dachau ist nicht die einzige Kommune, in der sich etwas tut. Die Bürgermeister in Vierkirchen und Bergkirchen sahen sich bereits mit unverbindlichen Anfragen konfrontiert. In Odelzhausen sind die Fronten indes verhärtet. Dort kämpft eine Bürgerinitiative, die sich "Unser Wald" nennt, gegen das Projekt der Firma Uhl Windkraft, die im Wald zwischen Odelzhausen und Adelzhausen sechs Windräder aufstellen will, unweit der Autobahn A 8 von München nach Augsburg, direkt auf der Anhöhe vor dem beschaulichen Ort Hohenzell.

Gegen Windkraft an sich, das betonen die Mitglieder der Bürgerinitiative, sei niemand. Nur der Standort in der Nähe ihrer Häuser sei ungeeignet. Es gebe zu wenig Wind, die Anlage sei deshalb unwirtschaftlich, sagt der Sprecher der Bürgerbewegung, Martin Heitmeir. Er und seine Mitstreiter fürchten den Lärm der Windräder ebenso wie deren Schattenwurf.

Auch in Haimhausen regt sich Widerstand, genauer gesagt in Amperpettenbach. Einige Bürger protestierten vor dem Rathaus, als dort die Standortuntersuchung vorgestellt wurde. Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU) veranstaltete eine Podiumsdiskussion. "Wir haben versucht, zu vermitteln, dass wir erstens selbst kein Windrad bauen wollen und dass wir zweitens die Flächen baurechtlich ordnen müssen, weil wir sonst keinerlei Eingriffsmöglichkeiten haben", sagt der Rathauschef. Wirklich funktioniert hat das aber nicht, der Protest bleibt.

"Es gibt keine Alternative"

Felbermeier spricht ein Problem an, dass alle Gemeinden in Deutschland teilen. Windkraftanlagen sind laut Baugesetzbuch im Außenbereich privilegiert. Wenn alle rechtlichen Vorgaben - etwa der Abstand zu Straßen, Siedlungsgebieten oder Hochspannungsleitungen - an einem Standort erfüllt sind, muss das Landratsamt - die Abteilung Umweltschutz ist für alle Windräder ab 50 Metern Höhe zuständig - einen Antrag grundsätzlich genehmigen. Außer die Kommunen stellen sogenannte Teilflächennutzungspläne auf und weisen in diesen Konzentrationsareale für Windanlagen aus.

Mit diesem Projekt sind alle Gemeinden im Landkreis mit Ausnahme von Pfaffenhofen an der Glonn gerade beschäftigt. Sie wollen zusammenarbeiten und einen gemeinsamen Flächennutzungsplan für Windkraftanlagen machen. Ziel sei es, die Räder auf wenige Standorte zu konzentrieren und nicht zu streuen, erklärt Johann Liebl, Wirtschaftsförderer im Landratsamt. So solle zum einen das Landschaftsbild bewahrt, zum anderen aber auch der Bürger möglichst wenig belastet werden. Die Flächennutzungspläne bieten Liebl zufolge noch einen Vorteil: "Wir können die Bürger von Anfang an einbinden." Sie sollen nicht nur Betroffene, sondern auch Nutznießer sein, als Teilhaber in einer Bürgergesellschaft, die Windkraftanlagen betreibt.

Bis jedoch alle Gemeinden die Teilflächennutzungspläne verabschiedet haben, wird es noch dauern. Dennoch haben sie auch die Möglichkeit, Windkraftanlagen an unerwünschten Standorten zumindest zu verzögern. Geht ein Antrag ein, könne die Kommune eine Rückstellung fordern, sagt Stefan Löwl, Leiter der Abteilung Umweltschutz im Landratsamt.

Dann bleibe ihr ein Jahr Zeit, um ihren Flächennutzungsplan zu ändern und Flächen für Windräder auszuweisen. Tut sie das, sind andere Standorte ausgeschlossen. Ganz aber werden sich Windräder im Landkreis nicht verhindern lassen. "Es gibt ohnehin keine Alternative", sagt Bürgermeister Felbermeier. "Wenn wir weg wollen von den fossilen Energieträgern, müssen wir alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen."

SZ-Forum zur Energiewende:

Ökostrom finden alle gut. Die Energiewende kommt, aber ihre Umsetzung im Landkreis Dachau wirft viele Fragen auf. Deshalb veranstaltet die SZ Dachau ein Forum vor Ort: "Böse Kernkraft, gute Windkraft - schaffen wir die Energiewende?". Experten und Publikum diskutieren an diesem Freitag, 22. Juli, im Ludwig-Thoma-Haus, Augsburger Straße 23, in der Dachauer Altstadt über den Weg in eine umweltfreundliche Zukunft. Auf dem Podium sitzen: der Haimhausener Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU), Gerald Nübel, technischer Leiter der Stadtwerke Dachau, und Thomas König, Vorstand der GfA, Gemeinsames Unternehmen für Abfallwirtschaft der Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau. Zusammen mit Herbert Barthel, Leiter des Energiereferats des Bundes Naturschutz in Bayern, und Wolfgang Schölkopf, Leiter der Abteilung Technik für Energiesysteme und Erneuerbare Energien beim Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung. Gemeinsam gehen sie der Frage nach, welche Rolle Dachauer Kommunen, Energieversorgungsunternehmen sowie Bürger und Verbraucher für eine gelungene Energiewende spielen. Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr.

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