Energiewende im Landkreis:Der Sonnenanbeter

Willi Kirchensteiner aus Markt Indersdorf ist ein Pionier der Solarenergie - als Erfinder und als Pädagoge.

Robert Stocker

Nichts deutet auf den ersten Blick darauf hin, dass in seinem Garten ein kleines Kraftwerk schlummert. Unter drei kleinen Bäumen, die er auf einem Hang unterhalb der Terrasse gepflanzt hat, hat Willi Kirchensteiner in einigen Metern Tiefe drei Sonden verbuddelt, die als Wärmespeicher dienen. Sie sind mit einer Wärmepumpe verbunden, die seinem Haus - je nach Bedarf - Energie zuführt oder sie wieder an die Sonden abgibt, wo die Wärme gespeichert wird.

Energiewende im Landkreis: Schon Mitte der achtziger Jahre machte der Lehrer Willi Kirchensteiner Schüler der Hauptschule Markt Indersdorf im Werkunterricht mit dem Nutzen der Photovoltaik vertraut.

Schon Mitte der achtziger Jahre machte der Lehrer Willi Kirchensteiner Schüler der Hauptschule Markt Indersdorf im Werkunterricht mit dem Nutzen der Photovoltaik vertraut.

(Foto: www.joergensen.com)

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die Technik dieser Anlage genau zu erklären, doch sie ist ein Beleg dafür, dass Kirchensteiner in dieser Materie bestens bewandert ist. Das Hausdach ist mit Solarmodulen bestückt, die ersten, die vor mehr als 20 Jahren in Markt Indersdorf installiert wurden. Fast schon legendär ist sein spezielles Fahrrad, das er an einen elektrisch angetriebenen Hänger koppelte und jeden durchtrainierten Rennradfahrer mühelos überholte.

Schon Mitte der achtziger Jahre machte Kirchensteiner Schüler der Hauptschule Markt Indersdorf im Werkunterricht mit dem Nutzen der Photovoltaik vertraut. Er baute Akkuschrauber mit ihnen um, die dann mit Solarstrom betrieben wurden, auch ein Schaukasten im Schulflur wurde mit Energie von der Sonne versorgt. Für das Gemeindebiotop an der Glonn installierte er eine mit Solarstrom betriebene Pumpe, die das Biotop mit Wasser aus dem Fluss versorgte - Anfang der neunziger Jahre. Willi Kirchensteiner ist Experte für Solartechnik und im Landkreis Dachau ein Pionier auf diesem Gebiet.

"Die Technik dafür ist schon lange reif, nur die Köpfe waren es bisher nicht", sagt der gelernte Elektriker und Installateur, der auf dem zweiten Bildungsweg Elektrotechnik und Physik studierte und Berufsschullehrer wurde. Die Energiekrise von 1972 weckte Kirchensteiners Interesse für erneuerbare Energien. Auch der Club of Rome, der im selben Jahr die Studie "Grenzen des Wachstums" veröffentlichte, sensibilisierte ihn für das Thema. "Die Wissenschaftler dieser Institution machten schon damals auf das Klimaproblem aufmerksam, und die Reaktorkatastrophe von Fukushima ist die letzte Warnung, die Energieversorgung endlich anders zu regeln", sagt Kirchensteiner.

Doch der Bund und die Länder hätten jetzt die Botschaft verstanden und ein Handlungskonzept erstellt. Deutschland sei in der Energietechnik führend und profitiere auch wirtschaftlich von einem Umstieg auf erneuerbare Energien. Schon vor einigen Jahren habe der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow Deutschland als eine ökologische Supermacht bezeichnet. "Auch die Chinesen", sagt Kirchensteiner, "wollen von unserem Umstieg lernen, das ist ein gigantischer Markt für Deutschland." Wichtig sei es, den Umbau nicht nur bei der Stromproduktion, sondern auch bei der Wärmeversorgung zu schaffen. "Wir müssen weg von den fossilen Brennstoffen, nur das hilft dem Klimaschutz."

Die Lösung für die Zukunft besteht in seinen Augen darin, Einzeltechniken wie die Photovoltaik, die Solarthermie und Wärmepumpen zu kombinieren. Eine Schlüsselrolle spiele die Speichertechnik, die es ermögliche, einen Energievorrat im Haus anzusammeln. Lange Transportstrecken über Hochspannungsleitungen würden dadurch überflüssig. "Doch dafür ist mehr Wissen nötig, das sich die Fachkräfte aneignen müssen."

"Für die Wende brauchen wir jeden Bürger"

Auch deshalb hält Kirchensteiner die bayerische Energieagentur, deren Gründung Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in der Regierungserklärung am vergangenen Dienstag ankündigte, für eine gute Idee. Die Agentur soll die Tätigkeiten im Bereich erneuerbare Energien koordinieren und einen Wildwuchs der Photovoltaik verhindern.

Außerdem soll sie wirtschaftlich arbeiten und für ihre Beratung Geld bekommen. Doch auch die Bildungspolitik, mahnt Kirchensteiner, dürfe in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Dafür brauche man qualifiziertes Personal, das nicht nur theoretische, sondern auch praktische Kenntnisse haben müsse.

Kirchensteiner plädiert deshalb für den Ausbau von Ganztagesangeboten an Hauptschulen mit praxisorientiertem Unterricht. "Nur wenn die Schüler wissen, wie sie ihre theoretischen Kenntnisse in der Praxis umsetzen können, erschließt sich ihnen der Sinn des Unterrichts", ist der Berufsschullehrer überzeugt. Dieses Konzept habe er 20 Jahre lang in der Berufsschule umgesetzt, weil es effizienter sei. Schließlich müsse man auch sehen, was die Wirtschaft brauche.

Mittlerweile arbeitet er nicht mehr als Berufsschullehrer, sondern leitet das Solarzentrum der Stadt München, das er 1995 gegründet hat. Außerdem ist er Solarbeauftragter der Münchner Schulen. Sinn des Solarzentrums ist es, ein Berufsbild für den Solarteur zu entwickeln, das in allen europäischen Ländern einheitlich ist. Das Projekt wird aus EU-Mitteln finanziert. "Es ist eine Art Musterschule, die wahrscheinlich europäischer Standard wird", sagt Kirchensteiner.

Dazu hat er Laboranlagen entwickelt, die als Modell für andere Länder dienen. Lehrer aus EU-Ländern kommen nach München, um sich eigens dort intensiv schulen zu lassen. Auch dort sollen dann solche Weiterbildungsschulen errichtet werden. Kirchensteiner: "Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft. 80 Prozent der Bevölkerung sind dafür. Doch für die Energiewende brauchen wir jeden Bürger."

Auf dem "SZ-Forum vor Ort: Böse Kernkraft, gute Windkraft - schaffen wir die Energiewende?" am Freitag, 22. Juli, diskutieren Experten über Wege in die klimafreundliche Zukunft. Was kann der einzelne Bürger tun? Welche Rolle spielen die Kommunen oder kommunale Unternehmen? Auf dem Podium sitzen sitzen Peter Felbermeier (Bürgermeister in Haimhausen), Gerald Nübel (technischer Leiter der Stadtwerke Dachau), Dr. Thomas König (Vorstand der GfA, Gemeinsames Unternehmen für Abfallwirtschaft der Landkreis Fürstenfeldbruck und Dachau), Dr. Herbert Barthel (Leiter des Energiereferats des Bundes Naturschutz in Bayern) und Dipl. Phys. Wolfgang Schölkopf (Leiter der Abteilung Technik für Energiesysteme und Erneuerbare Energien beim Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung). Beginn ist um 20 Uhr im Ludwig-Thoma-Haus Dachau, Augsburger Straße 23.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: