Empfangskomitee von "Plane Stupid":Erwin Huber in Bedrängnis

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Auf dem Politischen Aschermittwoch der CSU in Vierkirchen setzen Startbahngegner dem Befürworter Erwin Huber zu. Der ehemalige Staatsminister muss sich deutliche Kritik gefallen lassen - und hört sich die Argumente zumindest an.

Von Benjamin Emonts, Vierkirchen

Die Diskussion ist bereits eine Stunde alt, als der Dachauer CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath seinem Parteifreund Erwin Huber zu Hilfe kommen will. Mit dem Finger zeigt Seidenath auf seine Uhr. "Ich habe Erwin versprochen, dass es nicht allzu spät wird", sagt Seidenath in die Runde. Huber, Bayerischer Staatsminister außer Dienst, schüttelt nur kurz den Kopf und verzieht ablehnend sein Gesicht. Er werde bleiben, sagt Huber. Und sich die Argumente der Startbahngegner noch eine Viertelstunde anhören.

Bei den zehn Startbahngegnern, denen sich Startbahnbefürworter Huber in privater Runde stellt, ruft seine Ausdauer durchaus Anerkennung aus. Abgesehen von seiner Bereitschaft, sitzen zu bleiben, hat der Staatsminister a. D. jedoch einen schweren Stand. Der Attachinger Ludwig Grüll, der gegen den Bau der dritten Startbahn klagte, schmeißt Huber sogleich ein Zitat an den Kopf, das der Politiker im November 2015 in der Sendung "quer" beim Bayerischen Rundfunk geäußert hat: "Wer kommt auf die Schnapsidee, dass unter der dritten Startbahn jemand leiden könnte?" Huber, nun deutlich in Bedrängnis, erwidert: "Dieser Satz stammt nicht von mir." In der Gesprächsrunde bricht daraufhin höhnisches Gelächter aus. Ein sichtbar erboster Mann aus Freising äußert den eindringlichen Satz: "Ihre Aussage hat uns ziemlich getroffen."

Huber seinerseits reagiert gereizt auf die emotionale Eröffnung der Diskussionsrunde. "Wollen Sie ein Tribunal mit mir machen?", fragt er, um etwas später anzufügen: "Ich bin nicht Euer Depp." Bereits vor der Diskussion im kleinen Kreis muss sich Huber vor dem Sportheim in Vierkirchen im Landkreis Dachau lautstarke Kritik gefallen lassen. Plane Stupid, ein Netzwerk, das laut seiner Homepage den "gewaltfreien zivilen Ungehorsam gegen das Wachstum der Luftfahrt ausübt", hat zu einer Demonstration gegen den Bau der dritten Startbahn aufgerufen. Auf dem Radweg gegenüber des Sportheims versammeln sich etwa 40 Aktivisten von Plane Stupid und dem Aktionsbündnis aufgeMUCt - aus Vierkirchen, Röhrmoos, Freising, Attaching, Fahrenzhausen.

Huber ist überzeugt, dass die dritte Startbahn kommen wird

Aus Respekt vor den Opfern des Zugunglücks von Bad Aibling verzichten sie auf Trillerpfeifen. Umso eindrücklicher sind ihre zahlreichen Transparente. "Anständige Bayern zerstören nicht Heimat und Umwelt", steht da etwa geschrieben. Oder auf einem anderen: "Klares Votum aller Umfragen: Bayern will keine 3. Startbahn." Der Röhrmooser Ulrich Rauhut, ehemals Lehrer am Dachauer Josef-Effner-Gymnasium, hält ein Ortsschild in die Höhe, darauf ein durchgestrichenes Flugzeug. Neben der Umwelt- und Lärmbelastung durch eine dritte Startbahn befürchtet Rauhut eine noch gravierendere Verkehrsbelastung des Dachauer Hinterlandes durch die zusätzlich entstehenden Arbeitsplätze. Für die erforderliche Infrastruktur entstünden zudem "Folgekosten für etwas, das man vielleicht gar nicht braucht".

Erwin Huber, der zum Politischen Aschermittwoch der CSU Vierkirchen gleich eine Rede halten wird, hält sich etwa fünf Minuten im eisigen Wind bei den Demonstranten auf. Er macht deutlich: "Ich bin überzeugt, dass die dritte Startbahn kommen wird - weil München eine große Entwicklung nimmt und der internationale Flugverkehr wachsen wird."

Flugbewegungen sind laut Startbahngegner zurückgegangen

Später, in der Gesprächsrunde, legen die Startbahngegner Erwin Huber Zahlen vor, wonach die Flugbewegungen zurückgegangen sind und die aktuelle Kapazitätsgrenze des Münchner Flughafens längst nicht erreicht ist. Huber jedoch lässt die ihm vorgelegten Statistiken meist unkommentiert und hält entgegen, dass der Flughafen bereits jetzt zu den Stoßzeiten an seine Grenzen gelange. Der ehemalige CSU-Parteivorsitzende und Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Landtag, ist überzeugt, dass der Flugverkehr auf lange Sicht zunehmen wird. "Das zeigen alle Prognosen." Oswald Rottmann von der Bürgerinitiative Freising hält Huber daraufhin ein Diagramm vor. Demnach war der Flughafen am verkehrsreichsten Tag im Jahr 2015 lediglich zu 90 Prozent ausgelastet. Die Prognosen für die Flugbewegungen, auf die sich Huber beruft, seien fehlerhaft errechnet. Im Jahr 2030, so rechnet Rottmann, bewege sich die Zahl der Flugbewegungen maximal auf dem Niveau des Jahres 2008. Der Bau der dritten Startbahn diene weder Bayern noch München, sondern einzig der Umsatzsteigerung der Flughafen München Gesellschaft, kurz FMG.

Gründlich vorbereitete Startbahngegner

Huber betont indes die Bedeutung der Umsteiger, welche eine dritte Startbahn generiere und mit Hilfe derer die Drehkreuz-Funktion des Münchner Flughafens erst gewährleistet werde. Ohne eine Vielzahl an Umsteigern könne die Zahl der Destinationen nicht wachsen. Auf einer Grafik demonstrieren die gründlich vorbereiteten Startbahngegner sodann, dass München mit 240 Destinationen bereits exzellent in der Welt vernetzt und die Zahl der Destinationen im Vergleich zum Jahr 2005 sogar rückläufig sei. "Ist Ihnen die Bequemlichkeit wichtiger als das Wohl der Menschen?", fragt eine aufgebrachte Freisingerin.

"Wir leben seit zehn Jahren in Ungewissheit, ob wir unser Haus vererben können oder nicht", fordert ein anderer schließlich Gewissheit. Huber erwidert: "Ich bin für eine schnelle Entscheidung." Von der Stadt München fordert er, dem Startbahnbau zuzustimmen. Schließlich nehme die Stadt für ihre zahlreichen Verkehrsprojekte Zuschüsse in Milliardenhöhe vom Freistaat an. Auf die Frage, ob ihm die Ablehnung der Bevölkerung nichts bedeute, antwortet Huber: "Wenn ich nach Umfragen gehe, muss ich jeden Tag was anderes entscheiden."

© SZ vom 12.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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