Einzug zum Volksfest:Zwei Schläge und ein letzter Ritt

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Das Dachauer Volksfest ist mit dem traditionellen Umzug gestartet. Im Mittelpunkt standen dabei der Abschied von Vorreiterin Irmi Lachner und das Messerverbot

Von Julia Haas, Dachau

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) ist mittlerweile Profi: Beim Volksfesteinzug am Samstag wirft er routiniert kleine Sträußchen aus seiner Kutsche. Das erste Fass Volksfestbier zapft er später gekonnt mit zwei Schlägen an - ganz ohne Spritzen. Selbst bei der Wahl seines Trachtenoutfits brauchte er dieses Jahr keine Stilberatung mehr von seiner Lebensgefährtin Julia Märkl. "Ich bin nur noch die Jury", sagt sie und lacht. Und die zahlreichen Besucher sind begeistert, sie verfolgen den traditionellen Einzug zum Volksfest bei strahlendem Sonnenschein: Politkutschen ziehen vorüber, dann die Kapellen und Schützenvereine, sowie Trachtler und Malweiber, Wirte und Schausteller.

Bei Festwirt Ewald Zechner sitzt heuer zum ersten Mal neben den Kindern Freundin Daniela Hellmann mit in der Kutsche, die neue Wirtin. Irmi Lachner führt den Zug mit ihrem Pferd Festival heuer zum letzten Mal an. "Mein Pferd geht in Rente und ich geh mit", sagt sie, und es schwingt ein bisschen Wehmut mit, denn immerhin ist sie von Kindesbeinen an beim Festzug dabei. Ihr Vater war vor 50 Jahren Festwirt am Dachauer Volksfest. Die vergangenen 20 Jahre war Lachner Vorreiterin. "Am Anfang durfte niemand wissen, dass ich eine Frau bin", erzählt die 61-Jährige. Sie trug Männertracht, versteckte ihre Haare und durfte sich nicht schminken, denn alle Vorreiter vor ihr waren Männer. Auch am Samstag trägt sie Männertracht, dafür aber roten Lippenstift, und ihre blonden Haare sind auch gut zu sehen. "Ich hab's immer gern gemacht", sagt sie. Dass so viele Zuschauer gekommen sind, um bei ihrem letzten Ritt dabei zu sein, rührt sie.

Ein besonderer Blickfang sind die Malweiber mit ihren farbenfrohen Kostümen und Hüten auf. Als Dachau zwischen 1885 und 1914 noch eine Künstlerkolonie war, wurden Frauen, die sich der Kunst hingaben, abschätzig so genannt. Die Malweiber von heute würdigen die von damals. Gründerin Nina Schiffner führt ihre Gruppe im weißen Kleid mit bernsteinfarbenen Stickereien und einem kunstvoll drapierten Hut an.

Bernsteinfarben ist auch die Farbe des Dachauer Festbieres, von dem OB Florian Hartmann die erste Maß abfüllen darf. Mit ihm auf der Volksfestbühne stehen dicht gedrängt Ehrengäste, unter anderem die Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler (CSU), der Landtagsabgeordnete Martin Güll (SPD) und Landrat Stefan Löwl (CSU). "Ich hab mich wie jedes Jahr in Wachs aufwiegen lassen und eine Wetterkerze gestiftet", sagt Volksfestreferent Robert Gasteiger (FW) und freut sich über den gelungenen Auftakt. Auch Laurent Barban, der Bürgermeister aus Léognan, und Salvatore de Meo, der Bürgermeister von Fondi, sind da. Meo ist schon zum fünften Mal beim Volksfest, ihm gefällt die Tradition. Hauptgrund seines Besuchs ist aber das Partnerschaftsjubiläum.

Im Zelt und auch schon vor dem Umzug ist das Messerverbot auf dem Volksfest in aller Munde - besonders beim Trachtenverein D'Ampertaler. Beim Weißwurstessen kurz vor dem Einzug diskutieren sie aufgeregt. Die meisten wollen nicht akzeptieren, dass Trachtenmesser und -besteck aus Sicherheitsgründen nicht mit auf das Volksfest genommen werden dürfen. Ampertaler Edi Hörl zeigt sein altes Fuhrmannsbesteck, das er in der Lederhose stecken hat. "Das ist fest fixiert mit einer Schraube, das kann keiner einfach rausziehen", sagt Hörl. Die anderen Trachtler am Tisch bestätigen, dass die Bestecke auch viel zu wertvoll seien und jeder besonders darauf Acht gebe. Sie bilden die Widerstandsgruppe: "Wir wollen das Brauchtum bewahren." Hörl hat sogar einige Sprüche verfasst, die sie nachher skandieren wollen. Auf seinem Spickzettel steht: "Oans zwoa drei vier: Mia san laut, mia san hier! Fünf, sechs, sieben, acht: S'Bsteeg, des ghört zur Tracht!" Die kleine Gruppe um Hörl will den Einzug boykottieren und stattdessen einen eigenen Protestzug den Karlsberg hinunter bis zum Gasthof Drei Rosen veranstalten. Auch ein Plakat haben sie dabei, darauf steht: "Tradition + Tracht kaputt gemacht."

Doch der Boykott läuft später eher leise ab: Die meisten Ampertaler laufen normal beim Volksfesteinzug mit, stehen im großen Zelt Spalier und klopfen mit ihren Stöcken auf den Boden. Nur Hörl und ein paar Mitstreiter sind nicht ins Festzelt gegangen. Viele haben statt ihres Fuhrmannbestecks eine Plastikgabel und ein Plastikmesser in ihre Lederhose gesteckt. Einige sogar normales Essbesteck. Bei einigen steckt jedoch auch das verbotene Trachtenbesteck in der Hose - und das mitten im Festzelt trotz Verbots. "Das ist wie früher mit 15 beim Mofa-Frisieren", begeistert sich ein Ampertaler. "Du darfst dich nur nicht erwischen lassen."

Die Überparteiliche Bürgergemeinschaft Dachau und die Freien Wähler (FW) haben sich jetzt auf die Seite der Trachtler gestellt: Sie fordern per Antrag das Ende des städtischen Messerverbots - zumindest beim Volksfesteinzug. Volksfestreferent Gasteiger ist seit 30 Jahren Ampertaler, er sagt: "Ich traue es dem Sicherheitsdienst zu, dass er zwischen Gefährdern mit Springmessern und bayerischen Trachtlern unterscheiden kann."

© SZ vom 13.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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