Einsturz des Michlbauernhofs:"Supergau" im Denkmalschutz

Eines der wichtigsten historischen Bauernhäuser im Dachauer Barockstil stürzt ein, obwohl ein Gutachten davor warnte. Kreisheimatpflegerin, Landratsamt und Eigentümer streiten über die Verantwortung.

Wolfgang Eitler

Einsturz des Michlbauernhofs: Wird er abgerissen oder doch noch saniert? Das Landesamt für Denkmalpflege entscheidet über das Schicksal des Michlbauernhofs.

Wird er abgerissen oder doch noch saniert? Das Landesamt für Denkmalpflege entscheidet über das Schicksal des Michlbauernhofs.

(Foto: joergensen.com)

Die Schicksalsfrage für eines der ehemals schönsten Bauernhäuser im Dachauer Barockstil lautet nach dem Einsturz vom vergangenen Wochenende: Ist das Gebäude noch ein Denkmal? Der Anwalt des Eigentümers, Rechtsanwalt Patrick Bühring von der Kanzlei Labbé und Partner in München, geht in einem Schreiben an Alexander Krug, den Leiter der Abteilung Baurecht am Landratsamt, davon aus, "dass die Denkmaleigenschaft nun wegfällt". Sollte das Landesamt für Denkmalpflege dieser Ansicht zustimmen, dürfte der Besitzer die Ruine im Weiler Purtlhof wegräumen. Andernfalls müsste er das Bauernhaus soweit instand setzen, dass es wieder als Denkmal erkennbar wird. Das wird teuer.

Die Geschichte des Michlbauernhofs im Weiler Purtlhof zwischen Ampermoching und Unterweilbach im Gemeindegebiet von Röhrmoos ist die eines unbequemen Denkmals. So lautet auch das Motto am bayerischen Tag des Denkmals im Herbst dieses Jahres. Die Geschichte reicht in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter, der Leiter der Denkmalschutzbehörde Giovanni Mastroianni und Rechtsexperte Krug erzählen sie: Damals übergaben die kinderlosen Geschwister Groß den Bauernhof an den jetzigen Eigentümer und erhielten dafür ein Wohnrecht auf Lebenszeit sowie eine Leibrente. Zunächst war daran gedacht, den alten Bauernhof abzureißen und ein im Stil adäquates Haus zu errichten. Diese Haltung des Kreisbauamts entsprach dem Zeitgeist, Altes durch Neues im historischen Gewand zu ersetzen. Der Neubau ist zwar errichtet worden, aber die Geschwister Groß konnten sich von ihrem alten Haus bis zum Umzug ins Altenheim nicht trennen.

Ende der neunziger Jahre begann der allmähliche Verfall. Giovanni Mastroianni erreichten alarmierende Hinweise aus der Bevölkerung. Es folgten Aufforderungen des Landratsamtes, das Dach abzudichten, um das Gebäude zu erhalten. Im September 2009 stellte ein Statiker fest, "dass der Michlbauernhof mit durchschnittlichem Aufwand wiederherstellbar ist". Im Dezember 2009 beantragte der Eigentümer über seinen Anwalt den Abriss. Im August 2010 folgte der Paukenschlag: Denn das Gebäude stammt nicht aus dem 19. Jahrhundert, wie bis dahin angenommen. Tatsächlich ist es das zweitälteste Bauernhaus im Landkreis nach dem Winter-Anwesen in Unterweikertshofen und vermutlich eines der ältesten in der ganzen Region München. Es ist 1607 errichtet worden und im Wesentlichen in seiner Kubatur bis heute erhalten.

Diese Erkenntnisse verstärkten den Wunsch des damaligen Kreisheimatpflegers Norbert Göttler, der Unteren Denkmalschutzbehörde, des Bayerischen Bauernverbands, der sich über die Landesbäuerin einschaltete oder des CSU-Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath nach einer der historischen Bedeutung entsprechenden Nutzung. Archäologie und Dachauer Museumsverein brauchen sowieso dringend einen eigenen Standort; sie hätten dort eine Art historisches Depot einrichten können und wollen. Seit dem Einsturz des Dachs sind all diese Überlegungen Makulatur. "Das war der Supergau", sagt Kreisheimatpflegerin Unger-Richter. Mastroianni erzählt resigniert von den stetigen Briefwechseln und "zähen Verhandlungen", bei denen er den Eindruck gewonnen habe, dass die Eigentümerfamilie das Bauernhaus "als Klotz am Bein betrachtet".

Dieser Einschätzung widerspricht Rechtsanwalt Bühring. Er bezeichnet "den vom Landratsamt erweckten Eindruck, dass unserer Mandantschaft am Erhalt des Gebäudes nichts gelegen sei, als "daher falsch". Bühring verweist auf die Vorgeschichte und die Abrissgenehmigung aus den siebziger Jahren. Stellvertretend für seinen Mandanten betont er, dass dieser seinen Teil der damaligen Vereinbarung eingehalten habe und einen Neubau als Ersatz errichtet habe. "Diese Rechtsposition" sei bis heute gültig. Außerdem habe sich seine Mandantschaft bereit erklärt, auf den Abriss zu verzichten, "um in der Zwischenzeit diverse Untersuchungen anstellen zu können, um doch noch zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen". Auch habe der Eigentümer im Zeitraum von 2009 bis zuletzt unablässig und häufig die hin und wieder undichten Stellen im Dach instandgesetzt. "Bis heute ist unserer Mandantschaft daher auch kein einziger Verwaltungsakt des Landratsamts zugegangen, in dem unsere Mandantschaft wegen Vernachlässigen der Unterhaltspflichten zu einem Tun verpflichtet wurde."

Zu den Ideen des Landratsamts, eine Art historisches Depot für den Museumsverein Dachau und den Archäologieverein einzurichten, zitiert Bühring aus einem Gutachten eines Architekten, der im Auftrag von Landratsamt und Eigentümer die Baukosten darlegen sollte: "Das Gutachten gelangt zu dem Ergebnis, dass selbst für eine museale Nutzung als Depot wegen der schlechten Bausubstanz eine Investition von rund einer Million Euro notwendig wäre." Bührings Stellungnahme endet mit der Forderung nach einer schnellen Entscheidung durch die Denkmalpflege: Das Telefax vom Montag, 26. Februar, an Alexander Krug vom Landratsamt "enthielt im Übrigen den Hinweis von uns, dass von dem eingestürzten Gebäude möglicherweise Gefahren ausgehen, die es zu beseitigen gilt. Wir haben daher um schnelle Freigebe für den Abriss gebeten."

Die Verhandlungen um den Michlbauernhof sind so ziemlich das Härteste, was Denkmalschützer Giovanni Mastroianni in seiner langen Tätigkeit in Dachau erlebt hat. Aber er sagt auch, dass "die positiven Erfahrungen überwiegen". Und er ist zuversichtlich, dass sich die Rettung des ältesten Dachauer Bauernhofs, des Winter-Anwesens in Weikertshofen, erfolgreich gestaltet: "Ich habe schon das Vertrauen, dass wir es hier mit einem Bürger zu tun haben, dem der Denkmalschutz am Herzen liegt."

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