Ein Werk, das einem ganzen Kosmos gleicht:Lebenskünstler

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Hartmut Riederer aus München flaniert in seinem Atelier im Schloss Hof bei Erdweg durch seine künstlerischen Leidenschaften - von der Malerei über die Literatur bis zu Film und Theater. Das Museumsforum Altomünster widmet ihm eine Ausstellung

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Im 18. Jahrhundert war es keine Beleidigung, einen Menschen als Dilettanten zu bezeichnen. Eher galt er als eine Begabung mit vielen Talenten. Er wurde als Liebhaber der Künste gefeiert. Hartmut Riederer ist von Beruf Maler, Schriftsteller, Schauspieler, Gelehrter, Philosoph und eine Art Universaldilettant, man kann auch sagen: Lebenskünstler. Er wohnt in München, sein Atelier hat er im ehemaligen Hofmarkschloss im Erdweger Ortsteil Hof. Zu seinem 75. Geburtstag richtet das Museumsforum von Altomünster für ihn die erste Ausstellung aus; mit einer Auswahl seiner Werke aus Malerei und Literatur im Landkreis. Sie geht auf eine Initiative von Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter zurück.

Das Malen hat der Künsler erst spät für sich entdeckt. (Foto: Hartmut Riederer/oh)

Gemeinsam mit dem Museums- und Heimatverein Altomünster hat sie diese Werkschau unter dem Titel "Kosmos" ausgerichtet. In den Mittelpunkt rückt sie Riederers bildnerische Arbeiten. Der Katalog erlaubt zudem einen Einblick in dessen schriftstellerisches Schaffen. Dem Bild stehen so gewissermaßen Riederers Gedanken zur Seite - oder umgekehrt, je nach Sichtweise des Betrachters. Denn Riederer hat erst spät zur Malerei gefunden. Warum? Eine Mini-Autobiografie in einem Katalog zu einer Ausstellung in der Münchner Rathausgalerie gibt nicht wirklich Auskunft: "Ich wurde 1942 im bayerischen Wald geboren, wo ich die ersten sieben Jahre meines Lebens blieb. Was hernach kam, ist unerheblich."

Im ehemaligen Schloss Hof und der späteren Schule bei Erdweg hat Hartmut Riederer sein Atelier. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das ist stark untertrieben. Seit 1951, also seit 66 Jahren, lebt Riederer in München. Dort hat er Philosophie, Germanistik und Theologie studiert. Über Freunde lernte er das Figurentheater Puppet Players in Gauting (früher London) kennen. "Das dachte, weil ich Germanist war, könnte ich auch ein Stück für sie schreiben", erzählt Riederer bei einem Rundgang durch die Ausstellung. Die Puppet Players dachten richtig. 1980 entstand "Ober, Unter, König, Sau", eine Geschichte Bayerns der anderen Art mit sage und schreibe 116 Puppen.

Für Riederer war es seinerzeit nur logisch, sich irgendwann als Schauspieler auszuprobieren. Er lernte Akkordeon spielen und war bald als Solo-Darsteller ebenso gefragt wie als Mitwirkender in etlichen Filmen, beispielsweise in denen des Querdenkers Herbert Achternbusch. Filmdrehs und Theater wurden seine zweite Heimat - oder seine dritte? Zwischendurch schrieb Riederer weitere Theaterstücke, Romane und Essays, machte szenische Lesungen und entschloss sich 1993, mit der Malerei zu beginnen. Bald folgten Einzel- und Gruppenausstellungen.

Riederer interessiert sich für Literatur, Philosophie und Bildende Kunst. (Foto: Museumsforum Altomünster/oh)

Seit 2003 ist das Schloss Hof sein künstlerisches Refugium. Das Schloss, dessen markanter Turm die kleine Ortschaft prägt, wurde im 11. Jahrhundert erstmals erwähnt, gelangte nach etlichen Besitzerwechseln im 17. Jahrhundert in die Hände der Erzbischöfe von Freising. Es wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört und im 18. Jahrhundert wiederaufgebaut. Bis in die 1970er Jahre wurde der Anbau als Schule genutzt. In den 1980er Jahren ließen sich dort einige Künstler nieder, darunter Hermann Kleinknecht, Kurt Benning und der spätere Münchner Kulturreferent Peter Pinnau.

Mag sein, dass Riederer die wunderbare Aussicht und das Spiel von Licht und Farben, die zu Hochzeiten der Dachauer Freilichtmalerei im ausgehenden 19. Jahrhundert schon die Granden der Münchner Künstlerszene magisch angezogen hatten, zu einigen seiner bis ins Abstrakte gehenden Landschaften inspiriert haben, die in der Ausstellung zu sehen sind. Auffälliger ist aber eine Explosion in Rot auf tiefschwarzem Grund. Ist das Riederers Version des Urknalls - ausgeführt in Pastellkreide auf Papier? "Kann sein", sagt er, hat aber selbst das Bild mit "Piscis Austrinus" betitelt. Der "Südliche Fisch", so der deutsche Name, sei ein kleines Sternbild, das bei uns kaum sichtbar ist, erfährt man. Es schließt sich eine muntere Diskussion über die Entstehung der Welten, über Urknall-Theorien, antike Sternbilder und moderne Astronomie an. Denn Riederer ist auf vielen Gebieten bewandert, frisst sich förmlich durch die unendlichen Weiten der Bücherwelt und fügt seine Erkenntnisse in Wort und Bild zu seinem Kosmos zusammen.

Seine Materialien sind die reinen Farbpigmente und Erde, wie übrigens beim Achternbusch-Freund Heinz Braun auch. Braun lebte zuletzt in Dachau Das Gespräch mündet in Fragen der Vergänglichkeit und der Zerstörung von Ressourcen. Der (Ausstellungs-)Weg führt zu einer Koje, in der Riederer "Meine guten Geister" zeigt. Zu ihnen gehört die Göttin Astarte. Der mesopotamischen Himmelsherrscherin hat er ein bleibendes irdisches Denkmal gesetzt, das auf einnehmende Weise Distanz, Nähe und Faszination verbindet.

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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