Süddeutsche Zeitung

Ein Platz für einen großen Zeitzeugen:Dachau dankt Max Mannheimer

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Der Platz am ehemaligen Moorbadgelände trägt von heute an den Namen des großen Zeitzeugen. Oberbürgermeister Hartmann kündigt zur Erinnerung an den Auschwitz-Überlebenden die Vergabe eines Stipendiums und einen Kunstwettbewerb an. Schüler zeigen eine Ausstellung

Von Helmut Zeller, Dachau

Alle vier kennen Max Mannheimer. Natürlich, was für eine Frage auch, scheint ihr verblüffter Blick zu sagen. Florian, Leo, Timo, Marina und Theresa, 16 oder 15 Jahre alt und Schüler der Klasse 10 b, tragen aus der Scheibner Schule drei große Schautafeln auf den Platz. Mit der Arbeit an ihrer Ausstellung, die Anregung kam vom Kulturamtsleiter Tobias Schneider, haben sie gleich zum Schuljahresbeginn begonnen, zusammen mit ihrem Lehrer Bruno Manger wählten sie Fotos des Zeitzeugen aus und schrieben Texte zu seinem Leben - freiwillig nach dem Unterrichtsende.

"Wir wollen damit unseren Respekt und unsere Anerkennung ausdrücken", sagen Leo und Florian. Timo meint, gerade in ihrem Alter würde man im Alltag häufig mit Rassismus konfrontiert. Auch deshalb wollten sie den Holocaust-Überlebenden würdigen, der jahrzehntelang gegen jede Form der Menschenverachtung gesprochen hat. Marina und Theresa haben ihn noch selbst gehört und erlebt - und diese Begegnung wie zigtausende andere Jugendliche nie vergessen. Am 23. September 2016 ist Max Mannheimer im Alter von 96 Jahren gestorben.

Der Dachauer Stadtrat beschloss, den Platz auf dem ehemaligen Moorbadgelände an der Münchner Straße nach dem Auschwitz-Überlebenden, Vorsitzenden der Lagergemeinschaft Dachau und Vizepräsidenten des Internationalen Dachau-Komitees zu benennen. Zur Einweihungsfeier am Donnerstag sind mehr als einhundert Gäste gekommen: seine Weggefährtinnen, Barbara Distel, die ehemalige Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, und Karmel-Schwester Elija Boßler, sowie der Künstler und ehemalige Kulturreferent Bruno Schachtner. Auch der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath (CSU) ist gekommen, Erika Tesar, Büroleiterin der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Zeitgeschichtsreferent Günter Heinritz (SPD) und viele weitere Stadträte aller Fraktionen mit Ausnahme der Freien Wähler Dachau.

In der Menge stehen der Stadtteilhistoriker Klaus Mai, Andrea Heller vom Förderverein für Internationale Jugendbegegnung, Björn Mensing und Klaus Schultz, Pfarrer und Diakon an der Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte, und Ludwig Schmidinger, Pastoralreferent der Katholischen Seelsorge an der Gedenkstätte - nur von der Gedenkstätte selbst ist kein Vertreter zu sehen, wie ein Stadtrat irritiert anmerkt.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagt in seiner Ansprache: "Der Tod von Max Mannheimer war und ist auch nach einem Jahr noch immer ein großer Verlust für uns alle, die wir hier versammelt sind. Max Mannheimer war als Überlebender des Holocaust einer der wichtigsten Mahner und Versöhner in einer Person. Unermüdlich ist er in den letzten Jahrzehnten unterwegs gewesen, um die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wach zu halten und gerade junge Menschen für diese Zeit zu sensibilisieren. Sein Motto muss unser aller Motto sein: Wir dürfen nicht vergessen." Max Mannheimer war auch ein wertvoller Berater der Gedenkpolitik der Stadt Dachau - und ist nicht zuletzt dafür im Mai 2011 mit der höchsten Auszeichnung geehrt worden: der Ehrenbürgerwürde.

Der neue Max-Mannheimer-Platz im Herzen der Stadt, umgeben von Wirtschaftsschule Scheibner, Studentenwohnheim, Stadtbücherei und Stadtarchiv, ist während der Feier in blendendes Sonnenlicht getaucht. Von Oktober an führen diese Einrichtungen den Max-Mannheimer-Platz als offizielle Adresse. Der Stadtrat habe ganz bewusst diesen Platz gewählt, sagt der Oberbürgermeister, "weil hier sehr viele junge Menschen lernen, lesen und wohnen - und es Max Mannheimer stets ein besonderes Anliegen war, mit jungen Menschen in Dialog zu treten".

Und dann kündigt Hartmann etwas an, was die Besuchern mit anerkennenden Blicken quittieren: "Es soll aber nicht bei Benennungen bleiben, sondern wir wollen auch mit konkreten Projekten die Erinnerung an Max Mannheimer und sein Vermächtnis wachhalten. Aktuell denken wir am Runden Tisch Zeitgeschichte und in weiteren Gremien beispielsweise darüber nach, Kunstprojekte am Max-Mannheimer-Haus und ein Max-Mannheimer-Stipendium für Jugendliche einzurichten, das diesen die Teilnahme an der Internationalen Jugendbegegnung ermöglichen soll."

Hartmann enthüllt das Namensschild am Platz, der Oberbürgermeister steht lange davor. Seine letzten Worte hallen in der Stille nach: "Danke Max, für dein unermüdliches Eintreten gegen Hass und gegen das Vergessen! Danke für dein Vermächtnis! Wir werden dich nie vergessen und deine Botschaft immer im Herzen behalten!"

Die Musiker Gudrun Huber und Florian Ewald spielen Miserlou, ein traditionelles Klezmer-Stück aus Osteuropa. In die melancholischen Klänge mischen sich laute Rufe von Krähenvögeln. Auch das weckt Erinnerungen an Max Mannheimer, der sich humorvoll, wie er war, als "Weißer Rabe" bezeichnete - nach dem Titel des Dokumentarfilms, den Carolin Otto über ihn gedreht hat. Viele Schüler sind gekommen - Max Mannheimer hätte das gefallen. Ein Foto der Ausstellung zeigt ihn auf einem Stuhl sitzend, die weiße Haarpracht zurückgekämmt, die Augen blitzen: und er lächelt sein unsterbliches Lächeln.

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Quelle:
SZ vom 22.09.2017
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