Ehrensache:Bemalt, beschildert und bebandelt

Nach 13 Jahren soll Dachau in diesem Frühjahr wieder einen Maibaum bekommen. Die Freiwillige Feuerwehr nimmt sich der Aufgabe an. Künstler Christian Maria Huber restauriert die typischen Embleme

Von Viktoria Großmann, Dachau

Pellheim, Prittlbach, Petershausen - fast alle Orte im Landkreis hatten in den vergangenen Jahren einen Maibaum, nur die Große Kreisstadt nicht. Seit ein Sturm im Januar 2004 den Dachauer Maibaum am Unteren Markt in eine bedenkliche Schieflage gebracht hatte, wurde kein neuer mehr aufgestellt. Zu unsicher, zu aufwendig und zu teuer sei das - versicherungstechnisch sogar höchst heikel. Einige Stadträte aber störte die Lücke. "Es ist doch traurig, wenn die Stadt keinen eigenen Maibaum hat", sagt etwa Sportreferent Günter Dietz (CSU). Weil die Stadt für die Arbeit auf Ehrenamtliche angewiesen ist, suchte sie einen Verein, der sich dieser Aufgabe annimmt, und fand: die Freiwillige Feuerwehr. Für die ist es Ehrensache, den Dachauer Missstand zu beheben. Am 1. Mai wird er wieder aufgestellt, der Maibaum mit seinen außergewöhnlichen Schildern und Emblemen. Damit wird eine Tradition wiederbelebt, die sich bis ins Jahr 1686 zurück belegen lässt.

Maibaum Restaurator

Christian Maria Huber musste die Tafeln aufwendig restaurieren. Sie haben in den vergangenen 13 Jahren ziemlich gelitten.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Für Christian Maria Huber ist der Maibaum eine Familiensache. In seiner Werkstatt am Amperweg hat der Restaurator die Embleme ausgebreitet, die den Maibaum schmücken werden: Maurer, Friseur, Wagner, Schlosser, Zimmerer, Gärtner, Schmied, Metzger, Müller, Bäcker und Schneider sind darauf zu sehen. Auch ein Fuhrwerk der Schlossbergbrauerei und einen Lastwagen der MD-Papierfabrik hat der Großvater des Künstlers, Richard Huber, Ende der Fünfzigerjahre angefertigt. Als einzige Frau im Berufereigen ist eine Wirtshausbedienung zu sehen, die größte Tafel zeigt den Dachauer Altstadtberg und ein Paar in Dachauer Tracht.

Maibaum Restaurator

Richard Huber fertigte nach dem Krieg neue Tafeln an.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die lange Lagerung hat die historischen Schilder beschädigt

Der heute 58-jährige Enkel bearbeitet das Werk seines Großvaters. Die Tafeln sind in den vergangenen Jahren nicht pfleglich behandelt worden. "Sie sind bei Abbau, Transport und Lagerung beschädigt worden", sagt Christian Huber. Arg zerkratzt seien sie gewesen. Er musste die Tafeln mit einem Mittel gegen Schimmelpilz behandeln und die Halterungen neu verzinken. Etwa vier bis fünf Jahre können die Schilder am Maibaum aushalten, bis sie renoviert werden müssen, sagt Huber. Die meisten Maibäume werden alle zwei Jahre ausgetauscht. Bereits Großvater Huber hat die Tafeln haltbarer gemacht. Die Holztafeln sind mit einer Aluplatte überzogen. Ende der Neunzigerjahre hat Huber sie spiegelverkehrt auch von der anderen Seite bemalt. Damals, so erinnert er sich, sei der Maibaum vom Grünstreifen am Ludwig-Thoma-Denkmal auf den Unteren Markt gewandert.

Maibaum Restaurator

Die heutigen hat er Ende der Fünfziger hergestellt.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

So alt die Geschichte des Maibaums in Dachau ist, so lückenreich ist sie auch. Belegt zu sein scheint, dass am 1. Mai 1686 gleich zwei Maibäume vor dem Dachauer Rathaus dem "Burgermaister und Rat zu Ehren" von Soldaten aufgerichtet worden sind. So berichtet es Wilhelm Kaltenstadler 1987 in der Zeitschrift Amperland. In den Jahren 1689 bis 1691 haben demnach "Bürgersöhne" das Maibaumaufstellen übernommen, 1705 dann stellten kaiserliche Dragoner dem Bürgermeister der Marktgemeinde Dachau gar drei Maibäume vors Rathaus.

Maibaum Restaurator

Die Werkstatt von Christian Maria Huber.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Im 20. Jahrhundert ist der Brauch in Dachau erst wieder 1908 belegt. Der Ort feierte damals mit dreijähriger Verspätung seine 1100-Jahr-Feier. Ein weiterer Vorfahr von Christian Huber, Kunstmaler Albin Huber, stellte den Maibaum des damaligen Jahres auf einer Postkarte dar.

Ein Jahr nach Kriegsende stellten die Dachauer wieder einen Maibaum auf

Vielleicht hatte ja Richard Huber auch diese Postkarte im Atelier, als er nach dem Krieg neue Tafeln schuf. "Aus dem Gedächtnis", wie Enkel Christian sagt. Schon ein Jahr nach Kriegsende, 1946, stellen die Dachauer erneut einen Maibaum auf. Die Berufe, die dargestellt sind, mögen damals schon teils altertümlich gewesen sein. Doch an einen Korb- und Besenmacher, der bis Ende der Sechzigerjahre noch eine Werkstatt im ehemaligen Birgmannbräu, dem heutigen Kaufhaus Rübsamen, gehabt haben soll, kann sich Christian Huber noch erinnern.

Die Dachauer Feuerwehr will dem alten Brauch Respekt zollen, indem sie den Maibaum traditionell von Hand aufzieht. 40 bis 50 Leute werden dafür nötig sein, schätzt Sebastian Fritsch, der zweite Vorsitzende. "Wir brauchen einen, der dirigiert", sagt er. "Der Rest ist bloß Kraft." Wenn es mal so einfach wird: Zur Sicherheit wird noch ein Kran daneben gestellt. "Damit nichts passiert", sagt Fritsch.

Die Pellheimer dürfen den Dachauer Maibaum nicht stehlen - sie kommen aus demselben Stadtgebiet

Die größte Gefahr für den Maibaum geht natürlich von Dieben aus. Deswegen will sich die Feuerwehr noch ein sehr sicheres und super geheimes Versteck ausdenken. "Natürlich wird der Maibaum auch bewacht", sagt Fritsch und lacht. Das Maibaumstehlen gehört zur Tradition dazu. Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter hatte im vergangenen Frühjahr ihre liebe Not, zwischen Burschenvereinen zu vermitteln, die sich ihre Maibäume hin und her klauten. "Der Maibaum muss gegen eine Brotzeit und Bier für jeden ausgelöst werden", erklärt sie. Ein Burschenverein wollte aber keine Brotzeit spendieren, weil am Diebstahl auch fünf Bewohner einer zugehörigen Gemeinde beteiligt gewesen waren. Die Pellheimer sollten also nicht versuchen, den Dachauer Maibaum zu stehlen. Das gilt nicht, beide wohnen im selben Stadtgebiet. Allerdings könnten alle gemeinsam den Karlsfelder stehlen. Der ist, je nach Geschmack, eh nicht so hübsch, sein Stamm ist meist nackt.

Der Stamm des Dachauer Maibaums soll aber ganz traditionell nach dem Entasten und Schälen geweißelt und "gebandelt", also weiß-blau angemalt, werden. Die Feuerwehrler haben sich in den Stadtwäldern schon einen Baum ausgeschaut. "Mitte März wollen wir ihn rausschneiden", sagt Sebastian Fritsch. 23 Meter hoch soll er sein. Die Feuerwehrler müssen noch die "Schweiberln" (Schwalben) anfertigen, auf denen der Baum ruht und mit deren Hilfe er aufgestemmt wird. Einen festlichen Prozessionszug zum Unteren Markt soll es aber nicht geben. Dafür Bewirtung und Feier mit Musik von der Knabenkapelle nach getaner Arbeit. Auf dem Land, sagt Birgitta Unger-Richter, legen die Burschenvereine ihren Ehrgeiz darein, dass der Baum mit dem Zwölf-Uhr-Läuten steht. Das sehen die Dachauer Feuerwehrler nicht so verbissen, zumindest noch nicht. "Wenn wird morgens um acht Uhr anfangen, wird er mittags schon stehen", sagt Fritsch gelassen. Christian Huber ist sich schon jetzt sicher: "Der Dachauer ist ein ganz besonderer Maibaum."

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