Ehrenamtliches Engagement:Wenn der Piepser Alarm schlägt

Sven Langer und Maximilian Reimoser engagieren sich für das Technische Hilfswerk und die Feuerwehr. Das Schönste ist für sie die Gemeinschaft im Team und ein Dankeschön von den Bürgern.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Sven Langer, 35, und Maximilian Reimoser, 30, begrüßen sich mit einem kräftigen Händedruck. Die beiden Ehrenamtlichen, der eine Pressesprecher vom Technischen Hilfswerk, der andere Kreisbrandmeister bei der Feuerwehr, kommen zusammen auf mehr als 30 Jahre ehrenamtlicher Tätigkeit.

Neben ihrem Beruf investieren sie pro Woche 15 Stunden und mehr in ihren Dienst an der Gesellschaft. Im Gespräch mit der Dachauer SZ erklären Langer und Reimoser, welche Motivation dahintersteckt. Auch sinnieren sie über die Wertschätzung des Ehrenamts.

Herr Reimoser, wie sind Sie zu Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit gekommen? So mancher Feuerwehrler soll ja von Grisu, dem Drachen, inspiriert worden sein - jene Zeichentrickfigur, die von klein auf Feuerwehrmann werden wollte.

Maximilian Reimoser: Nein, Grisu war es nicht (lacht). Bei mir war es mein Vater. Er war schon immer bei der Feuerwehr im Landkreis aktiv und hat mich als Kind schon dorthin mitgenommen. Von dem her war ich von klein auf an immer mit der Feuerwehr unterwegs und bin mit dem Ehrenamt gewissermaßen aufgewachsen. Mit 14, sobald es erlaubt war, bin ich dann selbst zur Jugendfeuerwehr in Dachau gegangen.

Und bei Ihnen, Herr Langer?

Sven Langer: Ich bin sozusagen das Gegenmodell zum Maxi; ich bin erst mit 18 oder 19 Jahren auf das Ehrenamt gestoßen. Damals gab es den Wehrersatzdienst, den man leisten konnte, wenn man nicht zur Bundeswehr wollte. Nachdem ich meine berufliche Laufbahn weiter fortführen wollte, habe ich mich beim THW als aktiver Helfer für damals zehn Jahre verpflichtet anstatt Wehrdienst zu leisten. So ging das bei mir früher quasi als Zweckbeziehung los. Nach wenigen Wochen hatte sich dieser Grund aber bereits als zweitrangig herauskristallisiert - und ich bin dem Ehrenamt bis heute treu geblieben.

Sie investieren beide viel Freizeit in Ihr ehrenamtliches Engagement. Welche Motivation steckt dahinter?

Reimoser: Das Schönste ist eigentlich die Gemeinschaft, die man durch seine ehrenamtliche Tätigkeit erfährt. Ich habe mir in der Feuerwehr einen Großteil meines Freundeskreises aufgebaut. Man versteht sich blind, und das ist auch nötig, um bei den Einsätzen ein eingespieltes Team zu sein.

Langer: Dem kann ich nur zustimmen: Der gesellschaftliche Aspekt spielt eine große Rolle. Ich selbst habe auch viele meiner heutigen Freunde im oder durch das THW kennengelernt. Am Anfang, wenn man neu ist, spielt das vielleicht noch nicht die entscheidende Rolle. Man muss schon "positiv" verrückt sein, sich nachts um zwei vom Piepser für einen Einsatz aus dem Bett oder von einer Party reißen zu lassen. Das Helfersyndrom zeichnet uns, glaube ich, alle aus.

Schließlich ist es Ihre Hauptaufgabe, anderen zu helfen. . .

Langer: Richtig. Und wenn dir dann jemand, was leider Gottes nicht mehr so oft vorkommt, nach einem Einsatz "Danke" sagt, ist das die schönste Bestätigung, die man bekommen kann - selbst wenn es nur fünf Buchstaben sind. In diesen Momenten begreift man, dass man jemandem helfen konnte. Das Dankeschön ist der Lohn für unsere ehrenamtliche Arbeit und gibt jedem von uns das nötige Selbstbewusstsein und die Bestätigung. Ein tolles Gefühl.

Ehrenamt

Zwei Anpacker: Um Menschen zu retten, stehen sie täglich parat: Maximilian Reimoser (links) und Sven Langer.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

In dessen Genuss Sie allerdings viel zu selten kommen, wie Sie bereits durchklingen ließen.

Reimoser: Ja. Es kommt leider nicht allzu oft vor, dass sich Leute bedanken. Vielleicht jedes zehnte Mal, wenn's hochkommt.

Woran könnte das liegen?

Reimoser: Zum einen ist es das Anspruchsdenken der Bevölkerung, heute wird alles für selbstverständlich erachtet. Unsere Arbeit wird als Service, als Dienstleistung betrachtet. Ich habe schon erlebt, dass wir einen Keller ausgepumpt haben und die Leute gefragt haben, ob wir ihnen auch noch die Möbel nach oben tragen können. Man macht in dieser Hinsicht unfassbare Erfahrungen. Und hinzu kommt, dass die Leute teilweise gar nicht wissen, dass wir unseren Job freiwillig machen.

Langer: Ja, das ist bei uns genauso. Jeder denkt, dass wir hauptamtlich im THW sitzen und den ganzen Tag Schere oder Pumpen putzen. Aber wir sind ganz normal - wie die Feuerwehrler auch - ehrenamtlich und freiwillig im Landkreis Dachau unterwegs. Wenn Leute dann denken, unser Job sei es, überspitzt gesagt, für sie den Keller zu putzen, dann sollten sie sich besser informieren.

Und dennoch gibt es die Menschen, die sich bei Ihnen bedanken. Welcher Moment ist Ihnen besonders positiv in Erinnerung geblieben?

Langer: Ich kann eins sagen: Die Erfahrungen, die ich beim Elbhochwasser 2002 in Dresden gemacht habe, waren das Positivste meiner gesamten Tätigkeit beim THW. Wir wurden damals zu Hilfe gerufen und ich war zwei Wochen lang in Dresden dabei, wo wir Wasser abgepumpt haben. Wir haben nahe dem Innenministerium auf der Straße geschlafen. Nachts kam dann die Bevölkerung mit Essen, Zigaretten und Energy-Drinks zu uns und hat sich bedankt, dass wir ihnen helfen. Die Leute hatten damals sowieso kaum etwas gehabt und haben uns trotzdem beschenkt. Das war die größte Wertschätzung, die ich je erfahren habe. Mir wird das nie aus dem Kopf gehen.

Reimoser: Ich war damals selber nicht dabei. Ich weiß aber, dass unsere Feuerwehr beim Jahrhunderthochwasser 2002 in einem kleinen Ort namens Retzau im Kreis Bitterfeld im Einsatz war. Die Dankbarkeit soll riesig gewesen sein. Später wurde die ganze Mannschaft noch mal in den Ort eingeladen. Es besteht heute noch reger Kontakt. Und was die wenigsten wissen: Ein Weg in Retzau, der am Gerätehaus der örtlichen Feuerwehr vorbeiführt, wurde später in "Dachauer Platz" umbenannt.

Einsatzkräfte haben auch ein Standing in ihrer Firma

Als Außenstehender fragt man sich, wie Leute wie Sie es schaffen, den Beruf und die ehrenamtliche Tätigkeit unter einen Hut zu bekommen. Wie kann das funktionieren?

Aktive Mithilfe

Der Kreisfeuerwehrverband des Landkreises Dachau besteht aus insgesamt 67 Freiwilligen Feuerwehren und ist mit seinen 2400 ehrenamtlichen Mitglieder eine der größten ehrenamtlichen Verbände des Landkreises. Hinzu kommen 373 sogenannte Feuerwehranwärter, die sich noch in der Ausbildung befinden. Wer der Feuerwehr beitreten möchte, der kann sich beim Kommandanten oder dem Jugendwart der örtlichen Feuerwehr melden. Das Technische Hilfswerk Dachau hat derzeit 60 aktive Mitglieder und zwei Jugendgruppen, in denen Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis 17 Jahren spielerisch an das THW herangeführt werden. Wer Interesse hat, kann sich unter www.thw-dachau.de informieren. EMO

Reimoser: Grundsätzlich geht ohne das Entgegenkommen und die Flexibilität des Arbeitgebers gar nichts. Mein Arbeitgeber, die Sparkasse, hat mich da aber immer unterstützt. Wenn ein Einsatz abends mal länger dauert und ich morgens zwei, drei Stunden später komme, dann wird daraus kein Problem gemacht. Was untertags dadurch auf dem Schreibtisch liegen bleibt, muss ich abends eben wieder reinarbeiten. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass Ihre Frage keine Berechtigung hätte: Generell ist es mit der Tagesalarmbereitschaft sicherlich schwieriger geworden.

Langer: Das stelle ich auch fest. Die Anforderungen für die Unternehmen sind deutlich größer geworden. Früher hattest du genug Leute, um einen Mann noch kompensieren zu können. Heute ist das oft nicht mehr so.

Reimoser: Und man darf auch nicht vergessen, dass die Leute früher entweder am Ort gearbeitet haben oder es Landwirte waren, die untertags fahren konnten. Auch das ist heute nicht mehr so. Deshalb sind wir mehr denn je auf Studenten und Schichtarbeiter angewiesen. Gerade die Feuerwehren an den Autobahnen können ja durchaus mehrmals am Tag alarmiert werden.

Winken die Arbeitgeber also gleich ab, wenn ein Feuerwehrler oder THWler bei ihnen vorstellig wird?

Langer: So etwas ist mir zum Glück nicht bekannt. Natürlich bekommen Einsatzkräfte der Feuerwehr oder des THW eine gewisse Anerkennung und haben auch ein Standing in ihrer Firma. Es sind Leute, die viel Verantwortung übernehmen können, auch in ihrem Betrieb. Wenn sich jemand ehrenamtlich engagiert, sollte das eigentlich ein Grund sein, ihn erst recht einzustellen. Weil sie gute Arbeitnehmer sind.

Sie haben auch noch zwei Kinder und sind verheiratet, Herr Langer. Gibt es keine Beschwerden, wenn der Papa so oft unterwegs ist?

Ich versuche meine zwei Töchter, die beide vier Jahre alt sind, so oft es geht und passend ist, ins THW mitzunehmen. Aber natürlich gibt es Diskussionen. Ich denke, man muss einen gewissen Ausgleich finden und das Ganze im Rahmen halten. Meine Familie weiß, dass meist der Mittwoch mein THW-Tag ist. Meine Frau - dafür bin ich sehr dankbar - hat Verständnis für mich, weil sie weiß, dass ich mit meiner ehrenamtlichen Arbeit anderen helfe, sie mir sehr viel Spaß macht und ein Ausgleich zum Beruf für mich ist.

A propos Kinder. Wie steht es eigentlich um den Nachwuchs im Ehrenamt?

Reimoser: Bei der Feuerwehr sind wir in der glücklichen Lage, über die vergangenen fünf Jahre relativ konstante Zahlen vorweisen zu können. Wir haben im Schnitt 350 bis 400 Jugendliche im Landkreis, die aktiv dabei sind. Sie fangen mit 14 in der Jugendfeuerwehr an und dürfen, sobald sie voll ausgebildet sind, mit 18 Jahren uneingeschränkt an Einsätzen teilnehmen. Allein im vergangenen Jahr ist dies bei 74 Jugendlichen auch geschehen. Insgesamt ist es nicht leichter geworden, viele schaffen es eben nicht, Beruf, Familie und Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen. Aber wir jammern auf hohem Niveau im Landkreis Dachau. Die Feuerwehr ist hier immer noch in den ländlichen Strukturen verankert. Das sichert uns einen steten Zulauf.

Langer: Zu uns kommen die Leute aus verschiedenen Gemeinden, selbst aus Adelzhausen. Wer zu uns kommt, der interessiert sich meist für große Gerätschaften und Spezialtechnik. Klar, zu viel Leute kann man nie haben. Dementsprechend freuen wir uns, wenn noch mehr kommen. In diesem Jahr haben wir einen Höhepunkt mit 15 Neuhelfern, das ist für uns enorm und ich hoffe, dass sie uns auch lange erhalten bleiben. Ich würde mich freuen, wenn ausländische Mitbürger sich im THW engagieren würden. Bisher haben wir keinen einzigen.

Vom Aussterben des Ehrenamts kann also keine Rede sein?

Reimoser: Naja, die Zahlen sind über die vergangenen Jahrzehnte relativ konstant. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass der Landkreis und auch die Zahl der Einsätze enorm gewachsen sind. Wenn man die Zahlen in diesem Verhältnis betrachtet, sind sie weniger rosig.

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