Ehrenamtliches Engagement in Dachau:Dachaus stille Helden

Oberbürgermeister Florian Hartmann zeichnet fünf ehrenamtlich Aktive mit der silbernen Bürgermedaille aus. Im rauer gewordenen gesellschaftlichen Klima verdient ihr selbstloser Einsatz für andere besondere Anerkennung.

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Ein ehrwürdiges Ambiente bietet der Alte Sitzungshalle im Dachauer Rathaus, mit seiner holzvertäfelten Decke, der schweren Flügeltür und den mächtigen Ölgemälden an der Wand. Ausgefüllt von der langen Sitzungstafel, an deren Kopf Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sitzt, und an deren Ende einige der Dachauer Stadträte Platz genommen haben. Dazwischen sitzen die Ehrengäste dieses Abends - Bürger und Bürgerinnen der Stadt Dachau, die für ihr freiwilliges Engagement mit der silbernen Bürgermedaille ausgezeichnet werden sollen. Fünfmal wird der Oberbürgermeister an diesem Abend eine Laudatio halten, fünfmal wird der jeweilige Ehrengast seinen Stuhl zurück schieben, nach vorne gehen, die kleine Box mit der silbernen Medaille und die Urkundenmappe entgegennehmen. Fünfmal gibt es ein Blitzlichtgewitter.

So homogen das Prozedere an diesem Abend ist, so unterschiedlich sind doch die einzelnen Geehrten: Da gibt es die engagierte Sprachlehrerin für Geflüchtete, den mutigen Feuerwehrmann, das langjährige Fahrradclubmitglied, die Tanzlehrerin und die "gute Fee" des Theatervereins. Die Auszeichnung macht sich nicht fest an der Tätigkeit der Geehrten, sondern daran, dass sie mit ihren Leistungen die Allgemeinheit bereichern und das freiwillig, meist mit hohem Zeitaufwand. Sie ginge an Menschen, die ihre persönlichen Belange hintanstellten; die sich engagierten, wenn andere sagten, sie hätten keine Zeit. Die Bürgermedaille sei ein Symbol der Stadt, um "herzlich Danke zu sagen für diesen Einsatz", verkündet Hartmann.

Dass diese Auszeichnung mehr ist als Mappe und Medaille, erkennt man an den Reaktionen der Geehrten. Die Tanzlehrerin Angelika Jurik-Zeiller ist so gerührt, dass Hartmann seine Lobrede kurz unterbrechen muss, damit sie ein Taschentuch für die Freudentränen aus ihrer Handtasche holen kann. Vor acht Jahren hatte Jurik-Zeiller zwei Tanzgruppen beim ASV Dachau gegründet, innerhalb weniger Jahre war der Ansturm so groß, dass sie eine eigene Abteilung aufbaute und selbst zur Abteilungsleiterin von heute mehr als 100 jungen Tänzerinnen und Tänzern wurde. All das, so betont es Hartmann in seiner Rede, obwohl sie nebenbei "ein Biologiestudium abgeschlossen, einen Doktortitel erworben, eine Familie gegründet und Kind bekommen hat". Ihre Abteilung hatte sie für die Ehrung vorgeschlagen und Jurik-Zeiller an diesem Abend unter einem Vorwand ins Dachauer Rathaus gelockt, so kam zur Freude auch die Überraschung hinzu.

Bürgerehrung

Der mit der Amtskette des Oberbürgermeisters geschmückte Florian Hartmann (links) überreicht die Silberne Bürgermedaille an Konrad Tonhauser, Dagmar Stephan, Christa Horbelt, Angelika Jurik-Zeiller und Gerd Schott (von links).

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Konrad Tonhauser hat viele Auszeichnungen - nur nicht von der Stadt

Doch die Rührung ist auch jemandem wie Konrad Tonhauser anzusehen, der für seine Dienste bei der Freiwilligen Feuerwehr Dachau bereits mehrfach ausgezeichnet wurde, mit dem silbernen und goldenen Bayerischen Ehrenkreuz des Landesfeuerwehrverbandes und als Ehrenmitglied des Kreisfeuerwehrbandes. Jemand, der im Einsatz war, als 2004 während der Volksfestzeit ein Orkan über Dachau hinwegfegte, der den Einsatz im Gewerbegebiet leitete, als 2012 die Squash-Insel und die Bowlingbahn brannten. "Es ist höchste Zeit, dass Sie nun auch die Stadt Dachau ehrt", sagt Hartmann und da lacht Tonhauser, lässt sich von seinen Kameraden auf die Schultern klopfen und umarmen.

Bei Christa Horbelt, einer zarten Frau mit aufrechtem Gang, ist es nicht schwer, sich vorzustellen, dass sie in der Ludwig-Thoma-Gemeinde diejenige ist, die hinter den Kulissen des Theaters dafür sorgt, dass alles reibungslos funktioniert. Die Hände im Schoß, der Blick gesenkt, hört sie sich die lobenden Worte des Oberbürgermeisters an und lächelt, als dieser sagt: "Heute stehen Sie im Rampenlicht. Und das völlig zu Recht."

Dagmar Stephan hätte ihre Medaille am liebsten in elf Teile getrennt, für all diejenigen, die ihr im Mehrgenerationenhaus der AWO Dachau an der Seite stehen. Seit 2016 organisiert die Medienpädagogin Sprach- und weitere Lernkurse für Geflüchtete, lehrt und motiviert Teilnehmer aus Pakistan, Mali, Afghanistan, Iran oder Eritrea - und versucht, ihnen mit dem Erlernen der deutschen Sprache den Einstieg in ein selbständiges Leben zu erleichtern.

Bürgerehrung

Einen festlichen Rahmen bietet der alte Sitzungssaal im Dachauer Rathaus mit seiner alten Holzkassettendecke.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Gerd Schrott engagiert sich gleich in mehreren Verbänden

Jeder der Geehrten schafft es auf seine Weise, Menschen zusammenzubringen. Gerd Schrott, rund achtzig Jahre alt und fahrradbegeistert, gelingt das mit Radtouren, die er seit der Gründung des Ablegers des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs im Landkreis organisierte. Als würde das nicht bereits genug Zeit in Anspruch nehmen, engagiert er sich bei der Kulturloge Dachau, bei dem Verein für Behinderte und Freunde in Stadt und Landkreis, beim Ampertauschring und beim Krieger- und Soldatenverein Odelzhausen.

Bevor Hartmann die Geehrten im Einzelnen würdigt, preist er zunächst das Ehrenamt an sich, das in Dachau seit rund 50 Jahren vonseiten der Stadt und des Stadtrates ausgezeichnet wird. In der Überzahl sind jedoch die "Ehrenamtskonsumenten", wie Hartmann sie nennt - diejenigen, die das Ehrenamt zwar als gute Sache ansehen, doch "vor allem dann, wenn es von anderen geleistet wird." Das Ehrenamt werde zu wenig gewürdigt, diagnostiziert Hartmann, mehr noch: "Es wird mittlerweile von Teilen unserer Gesellschaft mit Füßen getreten." Er erinnert an einen freiwilligen Feuerwehrmann in Oberroth, der im vergangenen Juni von einem Autofahrer absichtlich angefahren wurde - nur weil der sich über die Straßensperre ärgerte. Er erinnert an Schiedsrichter im Amateurfußball, die laufenden Anfeindungen ausgesetzt sind; vor zwei Jahren wurde einer im Landkreis von sogar einem Zuschauer gebissen. Viele Feste könnten zudem ohne Ehrenamtliche nicht stattfinden; der jährliche Kinderfestzug in Dachau stehe jedes Jahr wieder auf der Kippe stehe, weil es zu wenige Helfer gebe.

Seitenhieb auf die AfD

Auch einen Seitenhieb auf die AfD verkneift sich Hartmann nicht. In Anspielung auf deren Vertreter Björn Höcke sagt er: "Es stellt sich ein Spitzenpolitiker einer Partei, die sich für die angeblich wahre Vertreterin des Volkes hält, hinter ein Mikrofon und schwadroniert von Wahlmanipulationen und davon, dass das gute Wahlergebnis seiner Partei nur dank der eigenen Aktivisten bei der Wahlbeobachtung zustande gekommen sei." Damit stelle er eine halbe Million ehrenamtlicher Wahlhelferinnen und Wahlhelfer unter Generalverdacht. "Politische Brandstiftung", nennt es Hartmann und zählt auch diese zu den Widrigkeiten, denen das Ehrenamt in der heutigen Gesellschaft ausgesetzt sei.

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