Prozess:Die Dachau-Connection: Kleinkonsument führt zu Dealerring

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"Der Tscheche" soll in Holland in einen Drogenhandel mit 20 Kilogramm Marihuana in einem Wert von 100 000 Euro verwickelt gewesen sein. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Über einen Kleinkonsumenten ist die Dachauer Polizei auf die Spur mehrerer Dealer gekommen.
  • Durch den Hinweis eines 30-jährigen Dachauers gelangten die Fahnder schließlich an einen Großdealer aus dem Dachauer Drogenmilieu.
  • Der "Tscheche" soll in ein großes Geschäft in Holland verwickelt gewesen sein - jetzt befindet er sich in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess, der ihm wohl eine langjährige Gefängnisstrafe einbringen wird.

Von Benjamin Emonts, München/Dachau

Es war wie so häufig ein Kleinkonsument, der das ganz große Rad ins Rollen brachte. Der 20-jährige Dachauer war Anfang 2016 mit zwei Pillen Ecstasy und einer geringen Menge Marihuana erwischt worden. Er führte die Polizeibeamten in eine Wohngemeinschaft in Dachau, in der er die Substanzen erworben hatte. Im dortigen Keller stellten die Fahnder der Kriminalpolizei mehr als 2,2 Kilo Haschisch und Marihuana sicher.

Durch den Hinweis eines 30-jährigen Dachauers, der infolge des Fundes inhaftiert wurde, gelangten die Fahnder schließlich an einen richtig großen Fisch aus dem Dachauer Drogenmilieu. Aus den Akten der Staatsanwaltschaft München II geht hervor, dass der Mann mit dem Spitznamen "Der Tscheche" in Holland in einen Drogenhandel mit 20 Kilogramm Marihuana in einem Wert von 100 000 Euro verwickelt war.

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Der "Tscheche" befindet sich in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess, der ihm wohl eine langjährige Gefängnisstrafe einbringen wird. Der 30-jährige Dachauer, der die Polizei auf seine Spur gebracht hat, kennt seine Strafe hingegen schon. Er wurde am Dienstag vor dem Landgericht München II unter anderem wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Als strafmildernd wirkte sich bei seinem Urteil der Paragraf 31 des Betäubungsmittelgesetzes aus. Sinngemäß heißt es darin, dass das Gericht von einer Strafe absehen oder sie mildern kann, wenn ein Angeklagter durch sein Wissen dabei hilft, eine Straftat zu verhindern oder nachträglich aufzuklären. Der Paragraf spielt bei Verhandlungen zu Betäubungsmittelverstößen eine zentrale Rolle. Insbesondere Straftätern, deren Prozesse noch ausstehen, soll dadurch ein Anreiz geschaffen werden, auszupacken.

Die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Oliver Ottmann hörte sich am Landgericht München II insgesamt sieben Tatbeteiligte an, die mit den Geschäften des 30-jährigen Dachauers zu tun hatten. Fünf davon machten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, obwohl der Richter sie eindringlich darauf hinwies, im Falle einer Verurteilung die Chance auf ein milderes Urteil zu verwirken. Außerdem wurden drei Beamte der Kripo Fürstenfeldbruck und vier Angehörige des Dachauers vernommen, darunter seine Mutter und zwei Ex-Partnerinnen, mit denen er jeweils ein Kind hat.

Ware lagerte im Keller einer WG

Am Ende der Beweisaufnahme war die Strafkammer überzeugt, dass der Dachauer mit einem Freund insgesamt zwei Kilo Marihuana und ein Kilo Haschisch für 21 000 Euro vom "Tschechen" auf Kommission erworben hatte, um damit ein florierendes Geschäft zu betreiben. Die Ware bunkerten sie im Keller einer Wohngemeinschaft in der Dachauer Ostenstraße, in der sie regelmäßig abhingen und konsumierten. Innerhalb von drei Wochen sollten sie den Stoff verkauft und 21 000 Euro an den Großdealer übergeben haben. Diesen Deal verhinderte die Polizei.

Die Aussage des Kleinkonsumenten und die anschließende Hausdurchsuchung in der Wohngemeinschaft kamen ihnen in die Quere. Von den drei Kilogramm fand die Polizei immer noch 2,2 im Keller vor. Den 30-jährigen Dachauer, der bereits zwölf teils einschlägige Vorstrafen gesammelt und unter offener Bewährung gehandelt hat, nahmen die Beamten kurze Zeit später fest. Er nannte den Namen seines Freundes, mit dem er das Marihuana verkaufen wollte und den eines Dealers, von dem er 30 Gramm Amphetamin gekauft hatte. Letztlich führte er sie damit zur Wohnung des "Tschechen", der in Wirklichkeit einen deutsch klingenden Namen trägt.

Erfolgreicher Entzug in der Haft?

Während der Freund des Angeklagten bis heute auf freiem Fuß ist und auf seinen Prozess wartet, sitzt der 30-Jährige seit mehr als 14 Monaten in U-Haft. Die Ermittler hatten zu seinen Ungunsten zudem festgestellt, dass der 30-Jährige mehrfach erhebliche Mengen Amphetamin, Ecstasy, MDMA und Kokain über die inzwischen geschlossene Internetseite Shiny Flakes bestellt und damit gehandelt hatte. Shiny Flakes hat in den vergangenen Jahren Berühmtheit erlangt. Sie wurde von einem erst 20-jährigen Mann aus Leipzig betrieben, der aus seinem Kinderzimmer fast eine Tonne Drogen verkauft und damit vier Millionen Euro Umsatz gemacht hatte. Er wurde im November 2015 zu sieben Jahren Jugendstrafe verurteilt.

Für den 30-Jährigen könnte die Geschichte besser ausgehen. Er wurde zwar zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, doch wies Richter Oliver Ottmann die sofortige Verlegung in eine Entzugsanstalt an, damit der Dachauer endgültig seine Sucht nach Amphetamin und Cannabis besiegen kann. Eine solche Therapie dauert zwischen 18 und 24 Monaten. Wenn sie erfolgreich verläuft, könnte der 30-Jährige danach frei kommen. Die Reststrafe würde zur Bewährung ausgesetzt.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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