Dritte Startbahn:Abgeschmettert

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Der Verwaltungsgerichtshof hat sämtliche 184 Beweisanträge der Kläger im Prozess um den Bau der dritten Startbahn zurückgewiesen. Die Gegner des Flughafenausbaus in Dachau sind verärgert.

Von Johann Kirchberger, Gregor Schiegl, Walter Gierlich und Robert Stocker

Ginge es nach der Mehrheit der Bürger in der Region, wäre der Bau der dritten Startbahn schon vom Tisch. (Foto: dpa)

Mit Unverständnis und Verärgerung haben die Gegner der dritten Startbahn im Landkreis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs reagiert, sämtliche Beweisanträge der Kläger abzulehnen. Damit habe er nicht gerechnet, sagte der Dachauer Sprecher des Bündnisses Aufgemuckt, Anton Speierl. Die Menschen seien dem Gericht anscheinend egal. Der Röhrmooser Bürgermeister Hans Lingl, ebenfalls ein erklärter Gegner des Flughafenausbaus, sieht die Entscheidung des Gerichts zwar als einen Rückschlag für die Startbahngegner. Er glaubt aber nicht, dass die Politik den Widerstand der Menschen in der gesamten Region ignoriert.

Der Vorsitzende des 8. Senats des Verwaltungsgerichtshofs, Erwin Allesch, lehnte am Mittwoch sämtliche 184 Beweisanträge der Kläger ab. Die Aussagen im Planfeststellungsbeschluss seien von den Klägern "nicht ernsthaft erschüttert" worden und es seien keine fachlichen Mängel zu entdecken gewesen. Die vorgebrachten Argumente seien nicht "entscheidungserheblich" und von weiteren Sachverständigen-Gutachten seien keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Zudem würden viele Analysen nur einer beschränkten richterlichen Beurteilung unterliegen. Der Prozess wurde anschließend auf Wunsch der Klägeranwälte vertagt und wird nun am 9. Januar mit den Schlussvorträgen fortgesetzt.

Schon als Erwin Allesch den Saal betrat, eilenden Schrittes zum Richtertisch ging und eine Erklärung ankündigte, war klar, was da kommen würde. Zeigte er sich während der vorherigen 38 Verhandlungstage meist verbindlich im Ton, trug er diesmal schnell und fast schon aufgeregt vor, was er von den Beweisanträgen der Kläger hält: nämlich nichts. Er lehnte sie ebenso strikt ab wie den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens, bis der Europäische Gerichtshof einige noch ausstehende Wasserrechtsfragen geklärt hat. Weder die Luftfahrtprognosen noch die Analysen zum Zweibahnsystem, weder die Untersuchungen zur Gesundheitsgefährdung der Menschen noch die naturschutzrechtlichen Fragen seien durch die Kläger "ernsthaft erschüttert" worden, ein Ausdruck, den er an diesem Vormittag etwa 50 Mal verwendete. Zwischendurch drohte er ohne erkennbaren Anlass sogar, den Saal räumen zu lassen, wenn jemand dazwischen rede.

Der Freisinger Grünen-Abgeordnete Christian Magerl sagte, er sei "ernsthaft erschüttert" angesichts dieser "absurden Begründungen" des Richters. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass er dem Bedarf einer dritten Startbahn keine Bedeutung beimesse. Jedenfalls sei jetzt die Phase der Kaffeesatzleserei vorbei, sagte er, was das Urteil angehe "müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen". Auch der Freisinger Kreisgeschäftsführer des Bundes Naturschutz, Manfred Drobny, sah in der Zurückweisung der Anträge ein vorgezogenes Urteil. Er habe bis zuletzt geglaubt, Allesch werde wenigstens die Prognosen zur Entwicklung des Luftverkehrs neu berechnen lassen.

"Wir sind alle schockiert", sagte Anton Speierl, Sprecher des Startbahngegner-Bündnisses Aufgemuckt im Landkreis Dachau. "Das klingt wirklich schon nach einer Vorentscheidung." Er habe nicht damit gerechnet, dass alle Beweisanträge "durch die Bank abgeschmettert" werden würden. Darüber sei er auch ziemlich sauer. "Die Menschen sind dem Gericht anscheinend egal. Allgemeininteressen werden nur als Wirtschaftsinteressen wahrgenommen." Besonders enttäuscht sei er, dass nicht einmal die Frage gewürdigt wurde, ob es tatsächlich noch einen Bedarf für den Bau einer dritten Startbahn gebe. Tatsächlich waren die zum Planungsbeginn erhobenen Prognosen gemessen an der tatsächlichen Entwicklung viel zu optimistisch. Die Fluggastzahlen haben sich, auch bedingt durch die Krise, in den vergangenen Jahren eher nach unten als nach oben bewegt, die Kaufkraft ist nicht so stark wie erwartet, die Energiekosten dafür höher.

Wie das sein kann, weiß der Röhrmooser Bürgermeister Hans Lingl (FW) von den Juristen der Schutzgemeinschaft: Das Gericht habe nur zu prüfen, ob die Antragsteller zu Beginn des Projekts die Prognosen nach bestem Wissen und Gewissen erstellt hätten. Das sei offenbar der Fall gewesen. "Formal juristisch ist die Entscheidung daher wohl korrekt." Die andere Frage sei aber, ob die verantwortlichen Politiker die dritte Startbahn noch bauen dürften, wenn die zugrunde liegenden Annahmen für das Projekt inzwischen von der Realität widerlegt worden seien. Lingl stellt das massiv in Frage. "Man kann so ein Projekt, das eindeutig zu Lasten der Natur und der Menschen geht, nicht einfach auf die juristische Ebene abschieben." Selbst wenn der Planfeststellungsbeschluss bei Gericht durchgehe sei er überzeugt, dass "der klare Willen einer ganzen Region" das Vorhaben verhindern werde. Die jüngste Entscheidung des Gerichts sei zwar "ein gewisser Rückschlag" für die Startbahngegner. Im Rückblick könne die Bewegung aber einen "Riesenerfolg" verbuchen. 2005, als sich im Landkreis der erste Widerstand formierte, sei von einer Eröffnung der dritten Startbahn im Jahr 2011 die Rede gewesen. Nun beginne das Jahr 2014 und mit dem Bau sei noch nicht einmal begonnen worden. Durch Klagen gegen die Flugrouten gebe es die Chance auf weitere Verzögerungen. Lingl rief die Startbahngegner auf, die Entscheidung des Gerichts als "zusätzliche Motivation" zu nehmen, um weiter zu kämpfen.

Für den CSU-Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath handelt es sich um "eine formelle Entscheidung, einen rein prozesstechnischen Akt", nicht aber um eine Vorentscheidung. Er sieht es sogar positiv, dass es keine weitere Verzögerungen gibt. "Es wäre gut, wenn endlich eine Entscheidung käme und wenn sie so ausfällt, wie sich die Anwohner hier wünschen." Ähnlich sieht das auch der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll. "Egal, zu welcher Entscheidung das Gericht jetzt kommt, letztlich ist die dritte Startbahn eine politische Entscheidung." Viele Politiker hätten schon erklärt, gegen den Bau der dritten Startbahn zu klagen. Außerdem gebe es ja noch den Münchner Bürgerentscheid, bei dem die Mehrheit gegen den Flughafenausbau votierte.

© SZ vom 19.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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