Süddeutsche Zeitung

Dopingfall vor Gericht:Aufgeputscht

Immer mehr Amateursportler steigern ihre Leistung mit Präparaten. Das Amtsgericht hat jetzt einen 39-jährigen Bodybuilder wegen Gebrauchs und Handeltreibens mit verbotenen Substanzen verurteilt

Von Benjamin Emonts, Dachau

Hobbysportler bekommen für Bestleistungen weder Medaillen noch Siegprämien, wie sie bei Profi-Wettkämpfen vor einem Millionenpublikum vergeben werden. Im Gegenteil: Ihre sportlichen Leistungen werden von der Öffentlichkeit kaum wahr genommen, ihre Erfolge nicht honoriert. Nichtsdestotrotz greifen auch Amateursportler häufig zu illegalen, leistungssteigernden Präparaten, um höher hinauszukommen. Die Staatsanwaltschaft München I behandelte im Jahr 2014 insgesamt 1175 Dopingfälle, im Jahr darauf fast 700. Die entsprechenden Prozesse finden auch immer wieder am Amtsgericht Dachau statt. Jetzt wurde ein Vater von drei Kindern zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, weil er gewerbsmäßig mit Dopingmitteln gehandelt hatte.

Wie oft üblich für Dopingsünder, bezeichnete sich der 39-Jährige vor Gericht als Bodybuilder. "Naturgemäß sind im Bereich des Amateursports vor allem die Sportarten betroffen, die in Zusammenhang mit einem Muskelaufbau stehen", bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, die ein Spezialreferat für Dopingfälle eingeführt hat. Wer anfängt, Sport zu treiben, erlebt meist schnelle Erfolge. So war es auch bei dem 39-Jährigen, der bis vor Kurzem im Landkreis Dachau lebte. Die Kondition steigert sich innerhalb weniger Wochen beträchtlich, der Muskelaufbau verläuft rasant. Schließlich wird ein Punkt erreicht, an dem man noch härter und zeitintensiver trainieren müsste, um sich weiter zu verbessern. Der 39-Jährige griff zunächst auf Nahrungsergänzungsmittel zurück, um die gewünschten Erfolge zu erzielen. Als auch diese ihre Wirkung nicht mehr entfalteten, konsumierte er illegale Dopingpräparate. Er beschaffte sich die Mittel und gab sie auch an Freunde weiter. Der sportliche Ehrgeiz führte ihn in die Kriminalität.

Auf Doping stehen bis zu drei Jahren Gefängnis

Denn der Besitz von Dopingmitteln und erst recht der Handel ist bei Weitem kein Kavaliersdelikt. Bis ins vergangene Jahr galten sie noch als Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Die steigenden Zahlen der Dopingsünder im Amateur- und Profisport veranlassten den Gesetzgeber jedoch, nun härter durchzugreifen. So hat die Deutsche Bundesregierung Mitte Dezember 2015 ein neues Anti-Doping-Gesetz in Kraft gesetzt. Dessen erklärtes Ziel ist es, die Gesundheit der Sportler zu schützen und faire Wettkämpfe zu garantieren. Sportler, die zu Doping-Mitteln greifen, müssen seither nicht nur Wettkampfsperren, sondern auch Gefängnisstrafen fürchten. Das Gesetz beinhaltet außerdem ein Verbot des Selbstdopings und des Besitzes entsprechender Substanzen. Die Sanktionen schließen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren ein. Hintermänner, die mit Dopingpräparaten gewerbsmäßig handeln, müssen in besonders schweren Fällen sogar mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen. Es handelt sich dann um einen Verbrechenstatbestand.

Die entsprechenden Substanzen werden oftmals über das Internet bestellt, teilt die Staatsanwaltschaft München I mit. So auch im Fall eines 24-jährigen Dachauers, der sich im vergangenen Mai vor dem Amtsgericht verantworten musste. Der Zoll hatte am Flughafen Frankfurt am Main ein Paket aus China abgefangen, das an den jungen Mann adressiert war und zehn Gramm des Steroids Oxandrolon beinhaltete. Fahnder der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck fanden in der Wohnung des Mannes schließlich erhebliche Mengen leistungssteigernder Substanzen wie Testosteron. Die Menge der Mittel überschritt laut dem Staatsanwalt das 223-fache einer nicht geringen Menge. Der Dachauer hatte sich eine regelrechte Hausapotheke zusammengestellt, in der er sich laienhaft seine Dopingsubstanzen zusammenbraute und oral oder intravenös verabreichte.

Die Liste der gesundheitsgefährdenen Nebenwirkungen ist lang

Die Präparate bestellte er überwiegend über das Dark Net, einen verschlüsselten Teil des Internets, wo anonym mit Drogen, Waffen und anderen illegalen Waren gehandelt wird. Nach nur zwei Jahren im Leistungssport war der junge Mann bereits oberbayerischer und bayerischer Meister in verschiedenen Kraftsportdisziplinen. Seine Karriere endete mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 2500 Euro.

Glaubt man Ärzten und Sportwissenschaftlern, ist Doping nicht nur illegal, sondern auch extrem gesundheitsgefährdend. Persönlichkeitsveränderungen, Vermännlichung von Frauen, Hodenatrophie, Brustdrüsenvergrößerung bei Männern, Erektionsstörungen, Herzvergrößerungen, Leberblutungen, Depressionen, Zeugungsunfähigkeit: Die Liste der möglichen Nebenwirkungen ist lang. Und "oft entstehen irreversible Schäden", mahnte der Staatsanwalt. Und doch gehört es offensichtlich zum Alltag. Das Dopen wurde in seinem Umfeld "bagatellisiert", so sagte der 24-Jährige. In seinem Fitness-Studio sei es ganz normal gewesen.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2016
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