Ritterhelm und Schild, Pferdefigur und Windmühlen. Anhand des Bühnenbildes und des Titels „Don Quichotte – ein Spiel“ hätte man am Freitagabend im Ludwig-Thoma-Haus meinen können, es gäbe die übliche Inszenierung eines Literatur-Klassikers. Doch was dann in den nächsten eineinhalb Stunden auf der Bühne zu sehen sein sollte, war alles andere als gewöhnlich.
Ausgangspunkt des Stückes ist der Tod des weltberühmten Ritters von der traurigen Gestalt, „Don Quichotte“, der von vielen verspottet und den wenigsten verstanden worden ist. Übrig bleiben nur die Erinnerungen seines Knappen „Sancho Panza“, der von Michael Staemmler verkörpert wird. In einer witzigen, modernen und teils skurrilen Interpretation erzählt der Künstler vom Figurentheater Gingganz an diesem Abend von längst vergessenen Abenteuern und äußerst ungewöhnlichen Begebenheiten.
Ein Klassiker als One-Man-Show mit modernem Touch
Im Laufe des 90-minütigen Stückes wird schnell klar: Wem der Name Don Quichotte ein Begriff ist, hat einen klaren Vorteil. Denn die Kenner und Fans im Publikum werden mit einem breiten Repertoire an bekannten Szenen versorgt. Es geht um Duelle, die Don Quichotte für das Herz seiner geliebten Prinzessin Dulcinea del Toboso ausficht. Dann wieder zieht der Ritter in den Kampf gegen Windmühlen, die er für Riesen hält, und reitet auf seinem Pferd Rosinante durch die Landschaft auf der Suche nach Abenteuern.
Michael Staemmler hält das Publikum mit einem erheiternden Mix aus Musik, Gesang und künstlerischer Untermalungen auf Trab. Er projiziert Bilder, Flachfiguren und Objekte per Beamer auf eine Leinwand und erweckt mit einer gewaltigen Auswahl an Requisiten seine Geschichten und Figuren zum Leben.
Alle möglichen Laute von Hufgeklapper über Gänsegeschnatter simuliert Staemmler dabei mit seiner Stimme. Dann wieder schaltet er sich selbst als Moderator per Kamera auf den Bildschirm, um Szenen zu kommentieren, oder er tanzt singend über die Bühne. Dabei hat der Künstler sowohl digitale Technik als auch analoge Performance scheinbar mühelos unter Kontrolle und schafft es, fließend von digitaler in analoge Form überzugehen. Dem Publikum beweist Michael Staemmler damit nicht nur seine Meisterschaft im Multitasking, sondern bietet auch eine One-Man-Show, wie sie im Buche steht.
Die Inszenierung: eine Achterbahn der Gefühle
Auch zeitliche und örtliche Dimensionen werden gänzlich der künstlerischen Freiheit überlassen. Im einen Moment sorgen Kommentare über die „von E-Bay ersteigerte Rüstung“ für Gelächter und holen das Publikum zurück in die Realität. Im nächsten Augenblick zettelt Sancho Panza eine Diskussion mit Autor Miguel de Cervantes über die wahren Begebenheiten der Geschichte an. Für Abwechslung ist auf jeden Fall gesorgt.
Auch die Reaktionen der Anwesenden zeugen von der Kuriosität des Stückes: Es wird mit den Köpfen geschüttelt und sich an dieselben gefasst, dann ertönt aus allen Reihen des gefüllten Saales lautes Lachen und man wischt sich Lachtränen aus den Augenwinkeln. „Ganz anders“, sagt eine Frau in der Pause zu ihrer Freundin. Eine Definition, die wohl viele im Publikum unterschreiben würden.
Dass dem Schauspieler jedenfalls eine wunderbare Vorführung gelungen ist, davon zeugt der begeisterte Applaus am Ende des Stückes. Viele treibt es hinterher auch aus Neugier und Begeisterung zur Bühne, um noch einen Blick auf Technik und Bühnenbild erhaschen zu können.
Komik, Absurdität, Ambivalenz: Das Figurentheater Gingganz hat die vielen Facetten des Don Quichotte mit dieser Inszenierung vollends ausgeschöpft. Wer sich auf einen Klassiker eingestellt hatte, mag von diesem Stück vielleicht überrascht gewesen sein – enttäuscht wurde er oder sie aber garantiert nicht.