Süddeutsche Zeitung

Django 3000 in Dachau:Gebremste Konzerteuphorie

Lesezeit: 1 min

Von Gregor Schiegl, Dachau

Der Trainbeat nimmt Fahrt auf, die Sticks prasseln auf die Drums, die Base stampft, Korbinian Kugler lässt am Kontrabass die Saiten wummern, dazu jauchzt die Geige. "Hopaaa!", ruft Sänger und Gitarrist Kamil Müller. Eigentlich müsste man jetzt aufspringen, hüpfen, tanzen, kreischen, die geballte Partypolka-Energie der Gypsy-Folk-Band Django 3000 muss sich ja irgendwie entladen. Aber im Thoma-Haus bleiben am Montagabend alle auf ihren Stühlen sitzen. Sie klatschen rhythmisch wie beim "Musikantenstadl", auf das sich die Band jüngst einmal "aus Versehen" hat buchen lassen. Solche launigen Geschichten aus der Bandhistorie streut Kamil Müller zwischen den Nummern dieses Unplugged-Konzerts immer wieder ein, das mindestens genauso feurig ist wie die spicy Mischung "Tanz ums Lagerfeuer", die die Band in ihrem Merchandising-Gewürzkoffer für küchenaffine Fans feilbietet.

Im August 2020 sind die Musiker aus dem Chiemgau schon mal in Dachau aufgetreten, das Publikum saß damals - der Corona-Pestilenz geschuldet - separiert in Autos und lauschte dem Konzert per Autoradio; es wurde begeistert geblinkt und gehupt. "Somma is wenn'd Heidi kimmt / Und de Leit zum Tanzn bringt." Seitdem denkt man, dieser Sommer müsste jetzt doch wirklich endlich mal kommen, und die Hoffnungen waren groß, dass es jetzt vielleicht so weit sein könnte.

Angekündigt hatte das Kulturamt das Konzert als das erste im Thoma-Haus, bei dem es wieder volle Zuschauerzahl geben würde: 400 Besucher passen in den Stockmann-Saal. Gekommen sind nicht mal 70. So verteilt sich das Publikum auf entlegene Stuhlpaar-Inseln. Für die Einhaltung der Hygieneregeln ist das ideal, für brodelnde Konzerteuphorie eher suboptimal. "Wir sind ursprünglich von anderen Rahmenbedingungen ausgegangen", erklärt Kulturamtsleiter Tobias Schneider. Aber so ist das ja schon die ganze Zeit: Die Politik denkt sich immer wieder was Neues aus, viele Veranstalter planen schon gar nicht mehr. Florian R. Starflinger, der bei diesem Konzert eindrucksvoll beweist, dass man auch mit der Statur eines Holzfällers die Fidel mit feinen Fingern führen kann, lobt Schneider, dass er "die Eier hat", so ein Konzert durchzuziehen. Dafür spielen Django 3000 statt 90 dann fast 110 Minuten. Und am Ende zappelt doch ein Handvoll Besucher polka-selig auf den Fluchtwegen ab.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2021
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