Diskussion um Windkraft:Keine Chance für Nein-Sager

Es ist ein Dilemma: Die Gemeinden im Landkreis Dachau wollen die Windkraft ausbauen, befürchten aber Bürgerproteste. Die aber könnten schnell nach hinten losgehen.

R. Stocker und W. Eitler

Derzeit gibt es wohl kein Thema im Landkreis, das die Gemüter so bewegt wie die geplanten Windkraftanlagen. Die öffentliche Präsentation des Standort-Gutachtens lockte rund 250 Zuhörer in den Indersdorfer Ortsteil Ried, die jüngste Sitzung des Gemeinderats von Altomünster besuchten viele Bürger offenbar nur deshalb, weil das Gutachten auch dort behandelt wurde.

Windradschatten auf Frühlingswiese

Im Schatten des Windrads: Viele Bürger befürchten negative Folgen durch Windkraftanlagen. Die Bürgermeister des Landkreises Dachau wollen die Standorte gezielt koordinieren.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Gemeinden befinden sich in einem Dilemma: Einerseits gibt die Energiewende ein grundsätzliches Bekenntnis zur Windkraft vor, andererseits sehen viele Bürger die Gefahr, dass die Anlagen ihre Lebensqualität beeinträchtigen. Dies wurde auch in der Sitzung des Gemeinderats Altomünster deutlich. "Sie haben jetzt viel über Tiere und Landschaft gesprochen, aber der Mensch ist in Ihrem Vortrag nicht vorgekommen", rügte CSU-Gemeinderat Gerd Walter Landschaftsarchitektin Irene Burkhardt, die das Windkraft-Gutachten ihres Planungsbüros soeben vorgestellt hatte.

In der Tat warnte die Landschaftsarchitektin nicht explizit vor möglichen negativen Folgen für den Menschen, doch sie erläuterte Ausschlusskriterien für Standorte von Windkraftanlagen, die sehr wohl die Interessen von Anwohnern berühren. Die Methodik des Gutachtens beruht auf solchen Kriterien, die gesetzlichen Bestimmungen unterliegen. Sind bestimmte Flächen für den Bau von Windkraftanlagen ausgeschlossen, bleiben Abwägungsgebiete übrig, in denen Windräder grundsätzlich denkbar sind. Erst dann werden die genauen Standorte im Einzelfall geprüft.

Zu Ausschlussgebieten gehören beispielsweise Siedlungsbereiche mit Pufferzonen, bestimmte Waldrandlagen oder Trinkwasserschutz- und Naturschutzgebiete. Bei den Abwägungsgebieten spielt auch die Landes- und Regionalplanung eine Rolle. Etwa die Frage, ob das Landschaftsbild nachhaltig beeinträchtigt wird. Laut Burkhardt gibt es in Altomünster mehr als 20 Flächen, die für Windkraftanlagen prinzipiell in Frage kommen. Viele liegen an den Grenzen zu Nachbargemeinden, "doch für keinen Standort gibt es einen Blankoscheck", sagte Burkhardt.

Das Gutachten sei keine Verhinderungsplanung, sondern gebe lediglich den Rahmen für Standorte vor. Auch deshalb plädierte Bürgermeister Konrad Wagner (Freie Wähler) dafür, die Flächennutzungspläne mit den Nachbargemeinden abzustimmen.

Tatsächlich ist der Bau von Windkraftanlagen auch ein brisantes juristisches Problem. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz in Rheinland-Pfalz hat die Pläne einer Kommune verworfen, weil diese nur 0,2 Prozent ihrer Fläche ausweisen wollte. Zu wenig, befanden die Richter. Juristisch ausgedrückt: Nicht substanziell genug.

Dieses Wort ist in den nun beginnenden Planungen über Windkraft im Landkreis Dachau äußerst wichtig. Der Verwaltungsgerichtshof Hessen hatte mit diesem Hinweis die Pläne einer ganzen Region verworfen, die statt der möglichen 29Standorte gerade mal einen ausweisen wollte. Auch das Verwaltungsgericht München hat diese Grundsätze in Einzelentscheidungen schon zitiert.

Substanzieller Raum bedeutet: Wenn eine Kommune planen will, muss sie positiv Flächen für Windkraftanlagen ausweisen. Und sie muss es in einem ausreichenden Maße vornehmen, damit sie den Ausschluss von Standorten rechtlich haltbar begründen kann. Eine sogenannte Negativplanung, also das direkte oder indirekte Ausschließen von Windkraftanlagen, ist nicht zulässig.

Der Ausbau kann nur gemeinsam gelingen

Dieses Problem lässt sich an Karlsfeld präzisieren. Das aktuelle Windkraftgutachten der Gemeinden des Landkreises sieht in Karlsfeld keinen geeigneten Standort für Windkraftanlagen nach den dort angelegten Kriterien. Allerdings könnte zum jetzigen Zeitpunkt ein Investor trotzdem einen Antrag stellen, welcher durch das Landratsamt als Genehmigungsbehörde zu prüfen wäre.

Sollten alle rechtlichen Vorgaben an diesem Standort eingehalten werden, müsste eine entsprechende Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erteilt werden. Die Gemeinde würde in diesem Verfahren zwar beteiligt werden, könnte jedoch bei Anwendung der im Gutachten geprüften Kriterien nicht steuernd eingreifen und die Anlage im Ergebnis dann wohl auch nicht verhindern.

Eine Gemeinde kann Windkraftanlagen nicht grundsätzlich ablehnen, denn bei Windkraftanlagen handelt es sich um "privilegierte Vorhaben" im Außenbereich. Mit anderen Worten: Es gibt nur wenige hinreichende Gründe für einen Ausschluss. Außer, jetzt kommen die anderen Dachauer Gemeinden ins Spiel, einige Gemeinden planen gemeinsam mit Karlsfeld, und zwar so, dass es aus juristischer Sicht trotzdem zu einer substanziellen Ausweisung in einem gemeinsamen Flächennutzungsplan kommt.

Genau diese Vorgehensweise streben die meisten Dachauer Kommunen an. Deswegen wollen sie zwei Verbünde schaffen, die den Landkreis in einen Ostbereich und einen Westbereich aufteilen. Auf diesen Flächen planen sie gemeinsam Windkraftstandorte, auch um Karlsfeld zu verschonen.

Nach den bisherigen juristischen Urteilen zum Bau von Windkraftanlagen in Deutschland dürfen sie damit rechnen, dass sie insgesamt mindestens rund ein Prozent der Landkreisfläche vorsehen sollten. Die Rechtsprechung begnügte sich in begründeten Einzelfällen mit 0,5 bis 0,8 Prozent. Die Dachauer Windkraftstudie benennt drei Prozent (1800 Hektar) des Landkreises als potentielle Fläche.

Um auf den Karlsfelder Fall zurückzukommen: Wenn also nach zügig erfolgten Aufstellungsbeschlüssen ein Windkraftbauer an die Gemeinde herantreten würde, könnte sie auf das laufende Verfahren verweisen, das in einem gemeinsamen Flächennutzungsplan münden muss. Dazu hätten die Gemeinden nach Ablauf einer ersten, maximal sechsmonatigen Antragsfrist für eine Rückstellung noch ein zusätzliches Jahr Zeit, um den Teilflächennutzungsplan zu erarbeiten und in Kraft zu setzen.

Dabei könnte es zu dem paradoxen Ergebnis kommen, dass ein Bürgerprotest genau das befördert, was er verhindern will. Angenommen, es gelänge einer Initiative, in diesen etwa 18 Monaten einen gemeinsamen Flächennutzungsplan zu blockieren, müsste ein Antrag wegen der zeitlich begrenzten Frist genehmigt werden. Deshalb ist das heutige demonstrierte Einvernehmen der Bürgermeister so wichtig.

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