Süddeutsche Zeitung

Die Neue Rechte und die Christen:Fürchtet euch!

Die Autorin Liane Bednarz erklärt bei einem Vortrag im Thoma-Haus sachkundig, wie die Neue Rechte systematisch christliche Kreise unterwandert - und dafür gezielt gegen "Abtreibung, Genderwahn und Islamisierung" hetzt

Von Anna-Elisa Jakob

Liane Bednarz nennt sich selbst sehr konservativ, kirchlich, fromm, Abtreibung lehnt sie strikt ab. In ihrem Alltag spricht sie mit Menschen, die sich auf christliche Werte berufen, um gegen Migration, Homosexualität und Gender Mainstreaming kämpfen - Anhänger der Neuen Rechten. Unter ihnen Politiker, Journalisten und Kirchenvertreter. Auf Einladung des Kreisjugendrings und des Runden Tisch gegen Rassismus ist die 45-jährige Autorin von Hamburg nach Dachau gereist, um ihre Erfahrungen zu teilen, zu debattieren und auch zu warnen.

Der Vortrag, den Liane Bednarz am Mittwochabend im Ludwig-Thoma-Haus hält, ist wissenschaftlich unterfüttert, kein Punkt bleibt ohne Quellenangabe und genauer Erklärung. Das entspricht der Strategie, mit der Bednarz der Neuen Rechten entgegentritt: "Wenn man gut vorbereitet ist, kann man Widersprüche aufzeigen", so ihr Credo. Die Konfrontation lohnt sich, davon ist sie überzeugt, es ist ein Grundgedanke ihrer Arbeit. In ihrem eigenen Umfeld habe sie seit dem Jahr 2013 beobachtet, wie sich konservativ-christliche Menschen einer neuen Rhetorik bedienten, die sie aufmerksam werden ließ. Bednarz schrieb zunächst vor allem Kommentare auf Facebook, recherchierte und hielt aktiv dagegen. Später, von Medien und Verlegern angesprochen, veröffentlichte sie zuletzt das Buch "Die Angstprediger - Wie rechte Christen Kirchen und Gesellschaft unterwandern". Mittlerweile hat sie nicht nur miterlebt, wie sich ein ehemaliger Freund "turboradikalisierte", sondern diese Rhetorik genauer definiert: Die Rhetorik der Neuen Rechten baut darauf auf, politisch Andersdenkende zu diffamieren und abzuwerten. "Die liberale und repräsentative Demokratie, die wir hier in Deutschland eindeutig haben, wird als Quasi-Diktatur diffamiert", ergänzt Bednarz. Zum Beispiel mit Begriffen wie "Kanzlerdiktaktorin", der Bezeichnung der etablierten Parteien als "Blockparteien", der Medien als "Lügenpresse". Die Vertreter der Neuen Rechten seien an sich keine Rechtsextremisten, definiert Bednarz, bezeichneten sich als konservativ, bewegten sich in den Grenzen des Legalen. Und benutzten dafür christliche Symbolik: Bednarz zeigt Videos von Götz Kubitschek und seiner Frau Ellen Kositza, zwei einflussreichen Persönlichkeiten der Neuen Rechten und Mitgliedern der AfD. Im Hintergrund sind Ikonen zu sehen, ein Rosenkranz, Weihwasser. "Das Spiel mit christlicher Symbolik macht sie anschlussfähig", erklärt Bednarz. Völkische, rassistische, homophobe Thesen werden hier auf christliche Werte zurückgeführt, mit Bibelversen erklärt. Das Prinzip der christlichen Nächstenliebe wird örtlich definiert, betrifft dann einzig Menschen im eigenen Um- und Kulturkreis. Und, so Bednarz: "Die Leute neigen auch dazu, den Absolutheitsanspruch des Christentums auf die Politik anzuwenden."

Drei Themen werden zur Schnittstelle zwischen Christen und Vertretern der Rechten, stellt Bednarz fest: "Abtreibung, Genderwahn und Islamisierung". Hier setzt rechte Rhetorik an - Bednarz erklärt sich damit, warum ausgerechnet Christen so anfällig für die Neue Rechte sind: Einerseits biete die Politik heute weniger Platz für konservative Meinungen, findet die Autorin. Gleichzeitig bleibe Widerstand aus, wenn Bischöfe und Funktionäre innerhalb der Kirche mit rechten Formulierungen auffallen. "Auf Kirchenleitungsebene wird dieses Thema nicht wirklich gesehen", so Bednarz. Ein Mann im Publikum meldet sich zu Wort, genau das enttäusche ihn: "Ich bin ein regelmäßiger Kirchgänger, aber dieses Thema wird nie aufgegriffen." Auch die Zivilgesellschaft stemme sich nicht dagegen, man überlasse den Rechten das Reden - "in den Kirchen und auf den Marktplätzen gibt es keinen Widerstand". Mindestens so wichtig sei das Internet, fügt Bednarz an. Hier sind die Rechten aktiv, viel aktiver als der Rest der Bevölkerung. In den Diskussionsrunden nach ihren Vorträgen spiegelt sich das häufig wider - wenn es meist Rechte sind, die die Diskussion dominieren, wütend und auf der Suche nach Konfrontation.

Björn Mensing, Pfarrer der evangelischen Versöhnungskirche in Dachau und als Mitglied des Runden Tisch gegen Rassismus einer der Mitinitiatoren der Veranstaltung, erinnert an die Gegenveranstaltung zu dem Auftritt der AfD-Politikerin Beatrix von Storch, im Wahlkampf im vergangenen September. Hier hätten sich die Kirchengemeinden solidarisiert und deutlich gegen Rechts positioniert, die Demonstration mit einem ökumenischen Friedensgebet begleitet. Liane Bednarz stimmt zu: "Dachau ist hier wirklich vorbildlich."

Während ihres Vortrages lässt sie keinen Zweifel daran, dass konservative Christen besonders anfällig für die Ideologien der Neuen Rechten sind, auch weil sich diese der kirchlichen Rhetorik bedient. Sie zeigt, wie wichtig es ist, dass sich gerade Kirchen und christliche Vereine dem aktiv entgegenstellen, gut vorbereitet, im Dialog und im Widerspruch. Um klar abzutrennen, wo konservativ aufhört und rechts beginnt.

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SZ vom 14.05.2019
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