Süddeutsche Zeitung

Der Neuntöter in Dachau:Faszinierender Ureinwohner

Der Neuntöter ist der Ampertaler des Monats. Doch Naturzerstörung und Klimawandel machen der Vogelart zu schaffen

Die Gebietsbetreuung des Ampertals bei den Landschaftspflegeverbänden Dachau und Fürstenfeldbruck, gefördert vom Bayerischen Naturschutzfonds und dem Bezirk Oberbayern, stellt jeden Monat einen "echten Ureinwohner" vor. Für den Juni wurde der Neuntöter als Ampertaler des Monats ausgewählt.

Wenn man nicht wüsste was für eine hübsche Vogelgestalt sich hinter dem Namen verbirgt, würde man den Neuntöter vielleicht eher für eine Figur aus einem Horrorfilm halten. Dieser farbenfrohe Ampertaler ist zurzeit vereinzelt entlang des Flusses zu beobachten und fleißig mit der Aufzucht seines Nachwuchses beschäftigt. Dabei wählt er sein Zuhause in strukturreichen Landschaften mit einem Wechsel aus Büschen, Grünland, offenen Böden und einzelnen Bäumen. Aber auch strukturreiche Waldränder oder Lichtungen sagen ihm zu. Wichtig sind vor allem Dornsträucher wie Weißdorn, Rosen oder Schlehen, da er hier bevorzugt seine Nester anlegt.

Ein weiteres entscheidendes Lebensraumrequisit ist ausreichend Nahrung. Diese setzt sich vor allem aus Insekten, vorzugsweise größerer Dimension, sowie manchmal Kleinsäugern und Vögeln zusammen.

Wie viele Würger, zu denen der Neuntöter gehört, spießt auch er gerne Beutetiere auf Dornen auf. So lassen sie sich zum einen leichter zerkleinern, und andererseits schafft sich der Vogel so einen Vorrat für schlechte Zeiten. Dieser Eigenschaft verdankt er übrigens auch die Bezeichnung "Neuntöter", denn früher glaubte man, dass er nicht eher zu fressen beginnt bis er nicht neunmal Beute gemacht hat. Diese erspäht er übrigens meistens hoch aufgerichtet von der Spitze eines Busches, wobei die farbenprächtigen Männchen schon von Weitem ins Auge fallen. Die rötlichbraun gefärbten Weibchen sind da schon eher unauffällig und schwierig zu entdecken.

Leider hat sich der Bestand dieser faszinierenden Art in den vergangenen Jahrzehnten stark verringert. "Unsere einförmige, strukturarme Landschaft weist vergleichsweise selten passende Bruthabitate auf, und durch Pestizideinsatz und Überdüngung ist es auch um die Insekten schlecht bestellt", teilt der zuständige Gebietsbetreuer Sebastian Böhm mit. "Dazu kommt noch, dass dem Neuntöter ebenso in seinem Wintergebiet Veränderungen zu schaffen machen. Denn dieser nur etwas über spatzengroße Vogel zieht jedes Jahr die gewaltige Strecke bis ins südliche Afrika. Dortige Klimaveränderungen und der Wandel in der Landnutzung machen ihm aber zu schaffen."

In Deutschland hat sich der Bestand zwar momentan auf niedrigem Niveau stabilisiert, doch ist auf längere Sicht mit einem weiteren Rückgang der Art zu rechnen. "So zeigt uns auch dieser Bewohner des Ampertals, wie dringend es nötig ist, mehr zum Schutz unserer Artenvielfalt vor der Haustüre zu unternehmen", so Sebastian Böhm weiter. "Mehr Hecken, Feldraine, Brachen und extensive Wiesen wären ein großer Schritt, um ihm und unzähligen anderen Arten unserer Heimat ein Überleben zu ermöglichen."

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SZ vom 02.07.2020 / SZ
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