Süddeutsche Zeitung

Dachauer Demenzcafé:"Jeder darf sein, wie er ist"

Lesezeit: 2 min

Das Demenzcafé "Vergissmeinnicht" in Dachau bietet eine Entlastung für pflegende Angehörige - und Spaß und Abwechslung für die Gäste.

Von Carolin Gruber, Dachau

Ein Donnerstagnachmittag im September, die Sonne scheint vom blauen Himmel und ein wenig lässt sich der Spätsommer erahnen. Die Gruppenräume des Bürgertreffs-Ost am Ernst-Reuter-Platz in Dachau sind groß und luftig, hohe Fenster lassen Licht herein und die Wände sind geschmückt mit bunten Bildern.

Nicole Heinzmann ist schon ein halbe Stunde vor Beginn der Gruppenstunde fertig mit den Vorbereitungen. Der Kuchen wartet auf der Anrichte, und auch die Kisten mit Filz und Holzperlen, Schnüren und Scheren sind schon hergerichtet. Nicht zu früh, denn schon kommen die ersten Gäste an. Schließlich sind es knapp ein Dutzend ältere Herrschaften, die sich an die u-förmig aufgestellten Tische setzen. Die meisten dieser Menschen sind dement, und genau deshalb sind sie heute in den Bürgertreff gekommen: Um gemeinsam mit Nicole Heinzmann und anderen Betreuern ein wenig Abwechslung im Alltag zu erleben im "Café Vergissmeinnicht", einem Demenzcafé der mobilen Pflege im Landkreis Dachau.

Auch Menschen mit anderen Einschränkungen sind willkommen

Seit 2019 bietet die mobile Pflege wöchentliche Gruppenstunden an, hauptsächlich für Demenzkranke, aber auch Bürger mit anderweitigen Einschränkungen sind willkommen. Zuerst gab es nur ein einziges "Café Vergissmeinnicht", inzwischen gibt es sieben verschiedene Gruppen mit insgesamt circa 50 Teilnehmern im ganzen Landkreis.

Vier von diesen Gruppen werden jede Woche von Nicole Heinzmann geleitet. Die 59-Jährige ist festangestellt bei der mobilen Pflege und arbeitet als Betreuungskraft in Vollzeit, vormittags kümmert sie sich um einzelne Patienten, nachmittags betreut sie ihre "Gäste", wie sie die Demenzpatienten nennt. Bei den Gruppenstunden gehe es darum, Kontakte zu pflegen, man sei fast "eine kleine Familie", wie Heinzmann erzählt. In der Gruppe "darf jeder sein, wie er ist", die Gäste verstehen sich "auf ihre Art" und seien auch hilfsbereit untereinander. "Sie freuen sich von Woche zu Woche auf diesen bestimmten Nachmittag", so Heinzmann, und man nähme in der Gruppe vieles mit Humor.

Als alle Teilnehmer eingetroffen sind, beginnt das Programm wie immer mit kreativem Gestalten - "wir sagen nicht Basteln", wie Nicole Heinzmann betont, denn sie seien "kein Kindergarten". Als die Gäste anfangen, am heutigen Projekt zu arbeiten, einem kleinen Schutzengel aus Filz und Holzperlen, wird ersichtlich, was Heinzmann mit Humor meint: Es wird viel gelacht, die Teilnehmer scherzen miteinander, sie haben sichtlich Spaß an der Aufgabe.

Zum dreistündigen Programm gehören auch Bewegung und kognitives Training

Nach dem kreativen Gestalten gibt es in den Gruppenstunden Kaffee und Kuchen, darauf folgt kognitives Training für die Gäste, beispielsweise ein Wörterrätsel. Zum Schluss des dreistündigen Programms sollen sich die Teilnehmer noch etwas bewegen, oft macht man Übungen im Sitzen. Das Alter der Teilnehmer liegt zwischen 64 und 98 Jahren, sie haben einen Pflegegrad von 1 bis 3. Anspruch bei der Pflegekasse auf Kostenübernahme für die Gruppenstunde haben sie ab Pflegegrad 1. Generell sei "jede Gesellschaftsschicht und jedes Klientel" willkommen, wie Heinzmann betont.

Das Café Vergissmeinnicht hilft allerdings nicht nur den Teilnehmern selbst, auch die Angehörigen sollen "ein Stück weit entlastet sein", so Heinzmann, denn es sei natürlich nicht einfach, jemanden zuhause zu pflegen. Neben den Gruppenstunden werden auch Angehörigengespräche und ein Fahrdienst für die Patienten angeboten - so kann das Café allen helfen, die direkt oder indirekt von Demenz betroffen sind.

Weitere Informationen über das Café Vergissmeinnicht erhalten Sie bei der mobilen Pflege Dachau oder unter https://cafe-vergissmeinnicht-dachau.de/

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