Das Problem mit dem freien Verkauf:Eine Frage des Vertrauens

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Immer mehr Menschen wollen regionale Produkte direkt beim Erzeuger kaufen. Viele Landwirte legen daher in Hofläden ihr Obst, Gemüse oder Fleisch aus. Doch sie müssen sich zunehmend gegen Diebe wehren

Von Clara Nack

Vor 25 Jahren gab es im Landkreis einen Hofladen, an dem man Spargel kaufen konnte. Ein anderer Bauer bot an seinem Hof Erdbeeren an, ein dritter Äpfel. Andere Landwirte im Landkreis legten in einer kleinen Gartenhütte vor dem Haus die Eier ihrer Hühner aus. Die Kunden nahmen sich die Waren und legten das Geld passend daneben - eigentlich ganz simpel. Das Prinzip damals: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.

Die ersten Hofladen-Betreiber waren Pioniere. Inzwischen gibt es Hofläden, in denen Landwirte ihre Produkte direkt vermarkten, wie Sand am Meer - und das in vielen Formen, Farben und mit ganz unterschiedlichen Ansätzen. Für manchen Landwirt ist die Selbstbedienungsbox oder das Feld zum Selbstpflücken eine reine Vermarktungsstrategie, um neben Nahversorgern und Restaurants zusätzliche Kunden zu gewinnen. Dabei verkaufen sie auch die Erzeugnisse befreundeter Landwirte. Ihren Läden besetzen sie dabei durchgängig mit Personal. Andere Bauern vertrauen auf die Ehrlichkeit der Käufer und stellen ausschließlich ihre Produkte und eine Wechselgeldkasse bereit. Doch manche Bauern müssen ihre Hofläden mit einer Kamera überwachen. Zu oft treiben Diebe ihr Unwesen und nutzen das Vertrauen der Landwirte aus.

Der Mühlenladen der Dachauer Würmmühle hat feste Öffnungszeiten wie ein Geschäft. Nicht nur Stammkunden, sondern auch Touristen kaufen Schrot, Korn sowie Mehl- und Müslisorten von Müller Ludwig Kraus. Direkt gegenüber auf dem Hof von Walter Kraus, ebenfalls ein Sohn des Mühlengründers, wird im Hofladen vieles angeboten, was man zum Kochen braucht. Neben Kartoffeln, Hähnchen, Nüssen und Äpfeln gibt es aber auch noch einen unbewachten Selbstbedienungsladen in Form eines kleinen Gartenhäuschens. Wenn der Hofladen geschlossen ist, gibt es hier Eier. Früher verkaufte Walter Kraus auch Honig. Doch nachdem immer häufiger Diebe den Honig klauten, war Familie Kraus das flüssige Gold zu schade. "Eier halten sich nicht ewig, Honig schon und das hat scheinbar jemand schamlos ausgenutzt. Ein Stammkunde war das jedenfalls nicht, die wissen, dass ich extra Zettel und Stift auslege, damit man eine Nachricht hinterlassen kann, falls man es mal nicht passend hat", berichtet Landwirtin Brigitte Kraus.

Auch andere Landwirte im Landkreis haben mit ihren Selbstbedienungsläden auf Vertrauensbasis schlechte Erfahrungen gemacht. Andrea Wolf vom Hof Spargel und Erdbeeren Wolf brachte sogar einen Diebstahl zur Anzeige. Während der Spargelzeit steht wegen hoher Nachfrage zwar jemand im Laden, sonst läuft das Geschäft mit Äpfeln und Erdbeeren jedoch auf Vertrauensbasis. Nachdem zwei Einzelpersonen jedoch jeweils Waren im Wert von mehr als 30 Euro klauten, installierten die Wolfs Kameras, welche die Diebe schnell enttarnten. Die Kameras sollen abschrecken, damit auch weiterhin das ganze Jahr über saisonales Gemüse angeboten werden kann. Das Selberpflücken von Blumen und Kürbissen, was auf den Feldern der Wolfs auch einmal möglich war, musste die Familie komplett einstellen. Die abgeschiedene Lage der Felder wurde ausgenutzt, statt wertgeschätzt. Die Balance zwischen Feldarbeit und Verlusten stimmte nicht mehr.

Für die kleinen Läden, deren Dasein sich über Mundpropaganda verbreitet, und die Betreiber, die sich neben der täglichen Arbeit die Mühe machen ihre gerade geernteten Güter bereitzustellen, sind Kameras jedoch ein weiterer Zeit- und Geldaufwand. Nicht jeder Landwirt baut seinen Laden zum Automaten mit Geldeinwurf um, wenn das Konzept mit dem Vertrauen nicht aufgeht. Manche der kleinen Läden, die an die Moral appellieren, verschwinden dann einfach ganz oder reduzieren ihr Sortiment. Dann können die Hofläden nur noch zu vorgegebenen Öffnungszeiten besucht werden und wer die Milch vergessen hat, trinkt morgen früh einen schwarzen Kaffee.

Die Familie Groß hat ihren Hofladen in Priel voll automatisiert. Der "Regiomat" bietet Lebensmittel an, aus einer Tankstelle fließt die Milch. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Selbstbedienungsläden sind für viele nicht nur praktisch, wenn man mal etwas beim Einkaufen vergessen hat und sonntags alle Supermärkte geschlossen haben. Sie stellen vor allem das zur Verfügung, was wirklich vor Ort ist. Die Regionalität der Produkte mag auch bei manchen kleineren Nahversorgern gegeben sein, aber nicht das Wissen über die Herkunft oder der enge Kontakt zum Hersteller. Manuela Sandmair vom Sandmairhof in Langenpettenbach findet, dass es sowohl der hochwertige Geschmacksunterschied als auch die umweltfreundliche und unbehandelte Nähe der Produkte sind, die den Selbstbedienungsläden ihre Einzigartigkeit und auch ihre Existenzgrundlage verleihen. "Wir reden über Naturnähe und CO2-Ausstoß, karren aber Äpfel aus Neuseeland heran. Das passt nicht zusammen und schmeckt nicht einmal halb so gut", sagt Manuela Sandmair. Ihr Hofladen öffnet seit zwei Jahren nur saisonal. Wenn die Äpfel der letzten Ernte im Februar ausverkauft sind, dann hofft sie, dass ihre Kunden nicht in den Supermarkt rennen, sondern auf anderes saisonales Obst und Gemüse umsteigen. Eine "ganze Portion Idealismus" gehört dazu, da ist sie sich sicher. "Ich finde es gut, dass man sieht, dass nicht immer alles da ist. Zu uns kommen Kunden, die auf hochwertige Lebensmittel und den Geschmacksunterschied Wert legen, der für mich schon einmal Lichtjahre beträgt." Die Kasse habe bisher fast immer gestimmt, deshalb wird auch weitergemacht. Sollte regelmäßig geklaut werden, wären Kameras der erste Schritt, so Sandmair.

Auch bei Max Demmelmaier vom Ferlhof in Hilgertshausen funktioniert das Vertrauensprinzip. Wie andere hat auch er ein Interesse daran, seine Produkte nicht nur an Restaurants und kleinere Nahversorger zu verkaufen, sondern sie direkt zu vermarkten. In seinem Hofladen verkauft er Biorindfleisch, Schweine- und Putenfleisch. Müsste man Personal einstellen, ginge der Gewinn verloren, sagt er. "Wir wollen unsere Produkte auch veredelt an den Kunden bringen. Die Wertschätzung für das Produkt, das genau vom Ferlhof kommt, geht sonst verloren. Der Laden passt auch allgemein sehr gut zum Konzept des Biohofes." Demmelmeier freut sich, die Selbstbedienungsbox, die nur wegen eines Umbaus kurzzeitig geschlossen ist, wieder einzurichten - denn gut funktioniert hat sie. Allerdings, sagt er, komme auch nur der, der bereits davon wisse.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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