Das Lebenswerk eines Bildhauers:Die Weisen der Steine

Zu seinem 75. Geburtstag zeigt Klaus Herbrich in der KVD-Galerie einen Querschnitt aus 30 Jahren Bildhauerei. Die Farben- und Formenvielfalt des Naturmaterials schenkt ihm immer wieder neue Inspirationen für seine Arbeit

Von Gregor Schiegl, Dachau

Zu den schrecklichsten Dingen, die Menschen in Märchen widerfahren, gehört, dass sie in Stein verwandelt werden. Stein gilt als kalt und leblos, als unbarmherzig in seiner zeitlichen Beständigkeit. In der Welt von Klaus Herbrich ist es genau andersrum: Im Stein steckt Leben, steckt Schönheit und eine verblüffende Vielfalt an Formen und Farben, man sieht sie nur erst mal nicht. Bis sich der Bildhauer, der seine Werkstatt an der Würm in Karlsfeld hat, des Steins angenommen hat und seine Schönheit offenlegt, so wie man es jetzt in seiner Ausstellung in der KVD-Galerie zu Herbrichs 75. Geburtstag sehen kann.

Die mit dem Titel "Steinzeichen" überschriebene Schau zeigt einen Querschnitt durch 30 Jahre bildhauerisches Schaffen, insgesamt rund drei Tonnen gehaltvoller Kunst. Mit Steinschädeln, mal archaisch und kantig aus körnigem Granit, mal aus glatt geschliffenem hautfarbenem Marmor, mit streng geometrischen Steinobjekten und mit Skulpturen von organischer Eleganz, die bisweilen wirken wie Artefakte einer fremden Welt. Die "Welle" aus schwarzem Kalkstein legt sich wie ein weicher Faltenwurf um das Objekt.

Klaus Herbrich zuckelt mit seinem Kleinbus samt Anhänger schon mal in einen Steinbruch der Hohenthauern in 2000 Metern Höhe, um sich den richtigen Stein zu beschaffen. Stein ist für Herbrich viel mehr als bloßes Arbeitsmaterial. "Im Stein konzentriert sich die Zeit." Jahrmillionen, in denen unvorstellbare Kräfte wirkten. Was ist dagegen schon der Mensch? Ein Stäubchen nur. Herbrich begegnet dem Stein mit Respekt, ja mit Demut. Entsprechend behutsam geht er mit dem Stein um. Einem Rhombenporphyr gibt er eine rundliche Gestalt ähnlich einer im Wind wabernden Seifenblase, die noch ihre feste Form sucht. Das passt ästhetisch wie geologisch zum Material: Der Rhombenporphyr ist entstanden aus vulkanischer Lava; typisch für ihn sind die rhombenförmigen Einsprengsel. Die vergleichsweise schlichte, aber schöne organische Form lässt die fantastische Oberfläche um so eindrucksvoller wirken. "Ich will dem Stein seine Kraft lassen", sagt Herbrich. Natur und Mensch - hier agieren sie als kreatives, bisweilen auch als poetisches Duo.

"Man reagiert auf den Stein mit seinen Adern, Bruchkanten, Oberflächenstrukturen, die herausgearbeitet und betont werden", sagt der Klaus Herbrich. Verborgene Linien und Zeichen akzentuiert er durch verschiedene Bearbeitungsstufen, ohne dem Stein seine Massivität zu nehmen. "Es ist ein Dialog", sagt der Künstler. Wer denkt, ein Stein wäre stumm, sei also gar nicht dialogfähig, muss sich nur mal ansehen, wie eine geradlinig den Stein durchlaufende Ader an der Oberfläche zu mäandern beginnt, wenn man die Ränder wellenförmig bearbeitet. Der Stein spricht. Faszinierend an Herbrichs Werk ist nicht zuletzt seine Fähigkeit, dem also so statisch geltenden Stein etwas Leichtes, geradezu Fluides zu geben: Eine grüne, weißgeäderte Platte wird zur Oberfläche eines flott dahin strömenden Flusses, über Hindernissen wallt der glatte Stein auf, um dann zügig in ruhigerem Fahrwasser zusammenzufließen. Die auf Hochglanz polierte Oberfläche lässt das Material luzide schimmern.

Dieses Spiel mit dem Licht geschieht bewusst und ist ein wichtiger Aspekt der Arbeiten: durch Absorption und Reflexion der Oberflächenmodulation erfährt das Material Transparenz und Leichtigkeit. Das ist so kunstvoll und schön gemacht, dass man in die steinerne Flut fassen möchte - auch wenn man dann "nur" auf handschmeichelnde Undurchdringlichkeit stieße.

Herbrich stört es nicht, wenn man seine Steinskulpturen anfasst, im Gegenteil. Er ist überzeugt: "Fühlend mit der Hand über den Stein wandern, dabei die Sinne und das Unbewusste zu wecken, erschließt sich uns ein neues haptisches Wahrnehmungsfeld." Rauer Sandstein, grober Granit, oder glatt polierter Marmor mit manchmal fast erotischen Rundungen. Vielleicht wäre es eine gute Ausstellung für kunstinteressierte Blinde, das fände er eine tolle Idee.

Klaus Herbrich ist einer der ganz wenigen Steinbildhauer im Landkreis. Die Arbeit am Stein ist schwer und sie erfordert viel Geduld und Disziplin. Gleich am Eingang steht eine mannshohe Skulptur aus Granit, die aussieht wie eine aufrecht stehende Klinge. Etwa 70 000 Schläge habe er gebraucht, um diese Arbeit mit dem Titel "Messerscharf" fertigzustellen, schätzt Klaus Herbrich. "Nur ein falscher Schlag und es ist vorbei." Das hört sich beängstigend an und auch ein bisschen irre. "Manche Arbeiten sind nur meditativ zu bewältigen", sagt Klaus Herbrich und lächelt. Für ihn gibt es nichts Schöneres.

Klaus Herbrich: "Steinzeichen", KVD-Galerie, Vernissage am Donnerstag, 21. Juni, um 19.30 Uhr. Öffnungszeiten Donnerstag bis Samstag, jeweils 16 bis 19 Uhr, Sonntag 12 bis 18 Uhr. Zu sehen bis 17. Juli.

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