Süddeutsche Zeitung

Damentreff der Pfarrei Heilig Kreuz:Parodien und Partituren

Lesezeit: 2 min

Rolf Basten über Humor in klassischer Musik

Von Dorothea Friedrich, Dachau

"Kreuz und quer" nennt sich der Damentreff der Pfarrei Heilig Kreuz in Dachau. Das ist kein Kaffeekränzchen, das ist auch kein Club arrivierter Ladys, die sich gepflegt über Golf und Charity bei einem Gläschen Prosecco austauschen. Die Organisatorinnen Barbara Asselborn und Gabriele Haszprunar sind vielmehr seit mehr als vier Jahren unermüdlich auf der Suche nach dem Besonderen. Am Mittwoch sind sie wieder einmal fündig geworden. "Das Komische in der Musik" stand auf dem Programm. Ein Thema, das man so staubtrocken wie eine Breze vom Vortag servieren kann - oder so fluffig-leicht wie Rolf Basten.

Basten, Jahrgang 1951, sagt, er sei "freischaffender Musikreferent und konzertierender Solist". Er ist ein renommierter Cembalist und damit schon mal qua Instrument ein Kenner der Alten Musik. Basten ist zugleich ein Grenzgänger. Mit spielerischer Eleganz verbindet er Philosophie und Ethik, Sozial- und Musikgeschichte, Wissenschaft und Kunst zu einem in sich stimmigen melodischen Gemälde. Zudem ist er ein echter Entertainer, der mit Sprachwitz und Schlagfertigkeit sein Thema an die Frau respektive den Mann bringt. Die letztgenannte Spezies erhält beim Damentreff gelegentlich Gastrecht, wie eben am vergangenen Mittwoch.

Was aber haben Frau und Mann in Sachen "Komik in der Musik" zu hören bekommen, da Basten wohlweislich auf ablenkende visuelle Spielereien verzichtete? Seine Antwort: eine sehr vergnügliche Zusammenschau von "Phänomenen der Musikgeschichte mit der Zeit- und Geistesgeschichte". Los geht es mit einem Paukenschlag, "einem probaten Mittel gegen den Pausenschlaf". Das ist das gewaltige Fortissimo im zweiten Satz von Josef Haydns Sinfonie Nr. 94 garantiert, wie Basten an Ort und Stelle hörbar beweist. Es folgt ein musikalischer Jux aus den 1950er Jahren, "eine Persiflage auf die Persiflage", also auf besagten Paukenschlag. Der tut seine Wirkung. Es gibt für Basten und seine etwa 100 Zuhörer kein Halten mehr. Heinrich Ignaz Franz Bibers lautmalerisches Schlachtengemälde, die Suite "Battalia" von 1673, könnte als Prototyp eines Schelmenstücks durchgehen - und klingt so modern, als sei sie erst gestern komponiert worden. Ebenso zeitnah ist ihr Inhalt: Kriegsgetöse und die Klagen der Opfer, daneben "das Zusammensein von allerlei liederlicher Gesellschaft im Wirtshaus".

Immer wieder spannt Basten gekonnt den Bogen von der Vergangenheit ins Hier und Jetzt. Von der kriminellen Energie, mit der sich die Hegemonialmächte im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) religiöse Dogmen als Deckmäntelchen für ihre Machtgier umhängten bis zu aktiven Terrorgruppen jeglicher Couleur ist der Weg bedenklich kurz. "Gegen die hilft nur eine Waffe: Humor", sagt Basten und schlägt geschickt den Bogen zur ganz großen Oper. Da darf Claudio Monteverdis "L'incoronazione di Poppea" aus dem Jahr 1642 nicht fehlen. Ist die Story um Kaiser Nero und seine infam-intrigante Geliebte doch in mehrfacher Hinsicht beispielgebend. Die römischen Senatoren wollen in diesem Meisterwerk Poppea nicht wirklich als Kaiserin sehen. Entsprechend verächtlich fällt ihre obligate Huldigungsszene aus. "Da wird Lachen zum destruktiven Element", sagt Basten. Und erzählt, wie die Musik immer mehr zum politischen Instrument wird.

Die Stereotypen höfischer Helden der Mythologie entwickeln sich zu aufrührerischen Individuen, wie etwa Figaro in Mozarts "Nozze di Figaro". Für Basten steht Figaro 1786 gewissermaßen in einer Reihe, die 1733 mit der selbstbewussten Serpina, der Hauptfigur in Giovanni Battista Pergolesis "La serva padrona" begonnen hat. "Pergolesi war der Geburtshelfer einer neuen Operngattung, der Opera buffa, der komischen Oper. Die Oper wird zum Spiegelbild der Gesellschaft", sagt Basten. Geradezu subversiv greifen Komponisten und Texter die allerorten entstehenden emanzipatorischen Bewegungen auf - sind gewissermaßen deren Sprachrohr und schaffen Identifikationsfiguren.

Diese musikphilosophischen Betrachtungen sind in Worten und Tönen gegossene Zeitreisen, bei denen viel gelacht werden darf. Basten ist ein hochkarätiger Erzähler, das Komische ist sein Leitfaden bei dieser erkenntnisreichen, kurzweiligen Führung kreuz und quer durch die Historie. "Wir hören Musik jetzt mit ganz anderen Augen",bringt es Barbara Asselborn auf den Punkt. Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Quelle:
SZ vom 21.04.2018
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