Dachaus Schulen:Schichtbetrieb im Klassenzimmer

Corona - Schulbetrieb

Markierungen in den Klassenzimmern der Greta-Fischer-Schule.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Der Unterricht an den Schulen ist wieder angelaufen. Allerdings haben manche Zweifel, ob das so bleibt, wenn immer mehr Kinder zurückkehren.

Von Julia Putzger, Dachau

Beate Rexhäuser ist keine Lehrerin, die sich schnell verunsichern lässt. Sie sagt Sätze wie "Meine Schüler lasse ich nicht im Stich", und meint damit, dass sie trotz ihres Alters - mit über 60 Jahren zählt sie in Corona-Zeiten zur Risikogruppe - keine Sekunde daran gedacht hätte, nach den Lockerungen der Kontaktbeschränkungen nicht zum Unterricht in die Grund- und Mittelschule Erdweg zu kommen. Beate Rexhäuser sagt dieser Tage aber auch Sätze wie: "Da wird einem himmelangst." Denn obwohl der neue Schulalltag - mit Maskenpflicht, Mindestabstand und Schichtbetrieb - gut angelaufen sei, fürchtet die Dachauer Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) die Entwicklung in den kommenden Wochen.

Seit Anfang Mai sind die Schüler schrittweise zurück in die Klassenzimmer gekommen. Allerdings nicht alle: Die zweiten und dritten Klassen lernen weiterhin zuhause, je nach Schultyp fehlen auch die Klassen sechs bis zehn. Sie alle sollen nach den Pfingstferien Mitte Juni ebenfalls wieder in die Schulhäuser dürfen. Um die nötigen Sicherheitsabstände wahren zu können, werden die Klassen jedoch bereits jetzt geteilt und in einem rollierenden System betreut. Das heißt, dass im wöchentlichen Wechsel die Hälfte der Klasse in der Schule unterrichtet wird und die andere Hälfte im sogenannten Homeschooling bleibt.

Für Lehrkräfte ist es eine Doppelbelastung

Dachaus Schulen: Die Lehrerin Beate Rexhäuser lässt ihre Schüler in der Krise nicht im Stich, obwohl sie zur Risikogruppe gehört.

Die Lehrerin Beate Rexhäuser lässt ihre Schüler in der Krise nicht im Stich, obwohl sie zur Risikogruppe gehört.

(Foto: Toni Heigl)

Für die Lehrkräfte ist das eine Doppelbelastung: Sie müssen sowohl den digitalen, als auch den Präsenzunterricht vorbereiten und abhalten. Hinzu kommen die Notbetreuung und die Abschlussprüfungen: Vor Christi Himmelfahrt ging mit Deutsch die erste schriftliche Abiturprüfung über die Bühne, in dieser Woche folgen zwei weitere. An den Mittelschulen starten die schriftlichen Abschlussprüfungen Mitte Juni - also dann, wenn es für alle Schüler wieder Präsenzunterricht geben soll. Um die Prüfungen korrekt abzuhalten, müssen allerdings zwei Lehrer Aufsicht halten - und können in dieser Zeit nicht unterrichten. Unterricht für andere Klassen entfallen zu lassen, wie es sonst zu Prüfungszeiten immer wieder der Fall war, käme heuer nicht in Frage, erklärt Rexhäuser. Zu viel sei nachzuholen. Also versucht man eben, sich bestmöglich darauf vorzubereiten.

Kreativität war in den vergangenen Wochen bereits gefragt: Vor allem für die jüngeren Schüler sei der Kontakt zur Lehrkraft extrem wichtig, weshalb man sich zum Beispiel an der Greta-Fischer-Schule in Dachau allerhand einfallen ließ, wie Schulleiterin Viktoria Spitzauer berichtet: Eine Lehrkraft fahre beispielsweise mit dem Balkontisch durch den Landkreis, um auf dem Grünstreifen vor den Mietshäusern mit den Schülern zu üben. Ebenso wurde das "Bankerllernen" eingeführt, eine Verabredung von Schüler und Lehrer zum gemeinsamen Lernen auf einer Parkbank. Und je nach Motivationslage der Schüler könne es auch sein, dass die Lehrerin dreimal täglich anrufe, um zum Erledigen der Aufgaben zu motivieren. "Keiner darf verloren gehen", beschreibt Spitzauer das Motto der Lehrkräfte, das durch zahlreiche weitere Beispiele untermalt werden könnte.

"Das ist nicht Schule, wie wir sie vorher kannten", erklärt Schulleiterin Spitzauer

Nach dieser Phase verzweifelter Bemühungen, den Bedürfnissen der Schüler auch im Homeschooling gerecht zu werden, und der Vorfreude auf den Schulbesuch, hat sich nun Ernüchterung an der Greta-Fischer-Schule breit gemacht. "Wir haben uns alle wahnsinnig gefreut, aber dann schnell gemerkt: Das ist nicht Schule, wie wir sie vorher kannten", erklärt Spitzauer. Besonders im sonderpädagogischen Förderkonzept spielten Körperkontakt, Bewegung und soziales Miteinander eine zentrale Rolle - nun aber müssten die Schüler drei Stunden mehr oder weniger still am Platz sitzen, stürmten nicht mehr fröhlich plappernd ins Schulhaus, sondern "schleichen eher bedrückt durch die Gänge".

Thomas Höhenleitner, Schulleiter des Gymnasiums Markt Indersdorf (GMI), hat ebenfalls Veränderungen bemerkt, wenngleich seine Beobachtungen positiver ausfallen: "Wann freuen sich die Schüler sonst schon so sehr, endlich wieder in der Schule zu sein?" Sowohl Lehrer als auch Schüler seien sehr froh, dass es wieder Präsenzunterricht gebe. "Schule ist immer auch ein personales Unternehmen, bei dem es um persönlichen Kontakt geht. Homeschooling und Onlineunterricht können nicht alle Funktionen ersetzen", sagt Höhenleitner. Deshalb sei es vor allem jetzt in der Anfangszeit wichtig, genügend Raum für Gespräche zu geben, um die Schüler emotional zu begleiten. "Jede Stunde, die jetzt wieder in der Schule stattfindet, ist eine gute Stunde", ist sich der Schulleiter sicher. Und da heuer zwar bedauerlicherweise keine Projekte oder Fahrten am Ende des Schuljahrs stattfinden könnten, habe man immerhin genug Zeit, um Verpasstes der letzten Wochen gut aufzuholen. Elternvertreterin Silvia Cerruti vom GMI hofft dennoch, dass der Lehrplan im kommenden Schuljahr entsprechend angepasst wird.

Corona - Schulbetrieb

Der Unterricht an den Schulen findet unter strengen Sicherheitsmaßnahmen statt - auch Händewaschen ist wichtig.

(Foto: Toni Heigl)

Damit die Schule wieder stattfinden kann, müssen zahlreiche Hygienevorschriften eingehalten werden. Es gilt der Mindestabstand von eineinhalb Metern, außerhalb des Unterrichts müssen im gesamten Schulgebäude Schutzmasken getragen werden. Die Pausen finden größtenteils in den Klassenzimmern statt, auf dem Hof getobt wird derzeit nicht. Damit die Schüler möglichst wenig Kontakte haben, sind die Klassen strikt getrennt - im Gymnasium in Markt Indersdorf ist zum Beispiel für die Schüler jeder Klasse vorgeschrieben, welchen Weg sie zum Klassenraum nehmen sollen. In der Schule in Erdweg sind die Jahrgangsstufen jeweils nach Stockwerk getrennt. Und in der Klosterschule in Dachau wurde der Schulhof mit Punkten versehen, damit die Kinder die Abstände vor dem Eintreten in die Schule einhalten. Einig ist man sich aber an allen Schulen und auch im Dachauer Schulamt: Die Einhaltung der Vorschriften klappt bisher "außergewöhnlich gut", wie Schulamtsleiter Albert Sikora zusammenfasst. Auch die Ausstattung mit Masken und Desinfektionsmittel sei gewährleistet, dafür hapere es mancherorts noch am Schülertransport. Denn durch die veränderten Unterrichtszeiten und den Schichtbetrieb müsste der Busfahrplan eigentlich angepasst werden, das aber sei auf die Schnelle nicht möglich, wie Sikora erklärt.

Der Schulamtsleiter weiß auch, dass die kurze Unterrichtszeit von nur drei oder vier Stunden pro Tag für manche Eltern organisatorisch nun eine Mehrbelastung sein könnte, er sagt aber: "Man muss klar sehen, dass der Unterricht jetzt in erster Linie für die Schüler gedacht ist, damit sie wieder zurückfinden und damit man sie vorbereiten kann." Glaubt man Thomas Höhenleitner vom GMI, ist das in den vergangenen Wochen gut gelungen: Die Abiturienten hätten sich "so intensiv wie noch nie" auf die Prüfungen vorbereiten können.

Der Dank von allen Seiten gilt schließlich - egal wen man fragt - den engagierten Lehrerinnen und Lehrern. Egal ob beim allerersten Versuch, ein Erklärvideo aufzunehmen oder beim Durchtelefonieren der Schüler, beim zusätzlichen Unterrichtsangebot oder der Prüfungsvorbereitung, "die Kollegen werden unglaublich findig", sagt Beate Rexhäuser. Sie betont, dass derzeit weder Hysterie noch ein zu laxer Umgang mit der Situation angebracht sei. Trotz vieler Ungewissheiten ist Rexhäuser zuversichtlich, dass Schüler und Lehrer dieses Schuljahr meistern werden.

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