Dachau/München:München dankt Barbara Distel

Dachau/München: Barbara Distel, langjährige Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, wird 75. Sie prägte die Erinnerungskultur in Deutschland und hat die Gedenkstätte zu einem Ort der kognitiven Auseinandersetzung mit der Geschichte gemacht.

Barbara Distel, langjährige Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, wird 75. Sie prägte die Erinnerungskultur in Deutschland und hat die Gedenkstätte zu einem Ort der kognitiven Auseinandersetzung mit der Geschichte gemacht.

(Foto: Toni Heigl)

OB Reiter gratuliert der früheren Leiterin der KZ-Gedenkstätte

Barbara Distel, von 1975 bis 2008 Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, wird 75 Jahre alt. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) würdigte in einem Glückwunschschreiben vom 12. Juli zum bevorstehenden Geburtstag ihre "außerordentlichen Verdienste um die Gestaltung und Fortentwicklung unserer Erinnerungskultur". Bereits in den 1960er Jahren hat Barbara Distel als Mitarbeiterin der damaligen Leiterin Ruth Jakusch (1914-1991) und später dann als ihre Nachfolgerin die 1965 eröffnete Gedenkstätte überhaupt erst aufgebaut. "Sie hat vor den Toren der Stadt München einen der bedeutendsten Gedenk- und Erinnerungsorte weltweit geschaffen", erklärt Reiter.

Barbara Distel hat zu einer Zeit, als die Überlebenden des Naziterrors noch in einer an Erinnerungsabwehr krankenden Gesellschaft zur Seite geschoben wurden, die KZ-Gedenkstätte Dachau zu einem Ort der Opfer gemacht. Sie wurde gleichsam zu ihrer Anwältin, lange bevor die offizielle Politik den "Zeitzeugen" entdeckte. Dabei trat sie kompromisslos für die Interessen der Überlebenden und den Erinnerungsort ein. Zugleich hat die ausgebildete Bibliothekarin die wissenschaftliche Erforschung der Geschichte des KZ Dachau, aller Konzentrationslager der Nationalsozialisten in Europa vorangetrieben.

Barbara Distel ist Trägerin des Geschwister-Scholl-Preises, den sie mit dem Historiker Wolfgang Benz, dem früheren Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, erhielt. Geehrt wurde damit ihre gemeinsame Herausgeberschaft der "Dachauer Hefte", einer Publikation die wissenschaftlich Maßstäbe setzte, aber auch für Laien zur Erinnerung an die Opfer des Nazi-Terrors konzipiert war. Im Jahr 2000 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der TU Berlin verliehen. Sie ist auch Mitherausgeberin der Geschichte der NS-Konzentrationslager, die unter dem Titel "Der Ort des Terrors" in neun Bänden bei C. H. Beck erschienen ist.

Der Münchner Oberbürgermeister erklärt: "Ihrem großen persönlichen Einsatz ist es auch zu verdanken, dass es heute eine Selbstverständlichkeit ist, ein würdiges Gedenken gemeinsam mit den Überlebenden, deren Nachkommen und einer breiten Öffentlichkeit generationenübergreifend zu gestalten." Es waren lange Jahre eines zum Teil erbitterten Kampfes für Barbara Distel - für Erinnerung und Gedenken. Sie und die KZ-Gedenkstätte wurde in Dachau von der offiziellen Stadtpolitik ebenso wie aus der Bevölkerung heftig angegriffen. Ein Wandel trat erst in den späten 1990er Jahren ein, unter anderem durch den damaligen Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU). 2009 ehrte der Dachauer Stadtrat Barbara Distel mit der selten vergebenen Bürgermedaille in Gold.

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