Süddeutsche Zeitung

Dachauer Vereinsleben unter Corona-Bedingungen:Vorstände gehen in die Verlängerung

Viele Vereine und politische Gruppierungen sagen dieser Tage ihre Jahreshauptversammlungen ab. Das Risiko von Corona-Infektionen ist zu groß. Vorsitzende bleiben somit vorerst länger im Amt - ob sie wollen oder nicht

Von Benjamin Emonts, Dachau

Die Pandemie bringt nicht nur die Bundes-CDU in Bedrängnis, weil sie nun auf ungewisse Zeit keinen Vorsitzenden wählen kann. Auch im Landkreis Dachau haben inzwischen die ersten politischen Gruppierungen und Vereine ihre turnusmäßigen Jahreshauptversammlungen wegen des Ansteckungsrisikos abgesagt. Das Bündnis für Dachau beispielsweise wollte an diesem Freitag mit 40 bis 50 Personen seinen neuen Vorstand im Ludwig-Thoma-Haus wählen. "Es hätte Veränderungen gegeben", verrät Vorstandssprecher Mike Berwanger. Nun aber bleibe vorerst alles beim Alten. Wann die Wahlen nachgeholt werden können, bestimme einzig und allein der Verlauf der Pandemie.

Rein rechtlich aber sind Versammlungen, Stand Mittwoch, mit bis zu 100 Teilnehmern in geschlossenen Räumen noch erlaubt. Es gelten die gebotenen Abstands- und Hygieneregeln sowie die Maskenpflicht auch am Platz. Doch das Risiko, dass sich dabei jemand mit Covid-19 infiziert, möchte kaum ein Vorstand eingehen. Das Bündnis für Dachau entschied sich auf einer virtuellen Vorstandskonferenz in der vergangenen Woche, die Jahreshauptversammlung abzusagen. Besonders den älteren Mitgliedern könne man eine Versammlung in Zeiten wie diesen nicht zumuten, sagt Sprecher Berwanger und betont, dass man als politische Vereinigung mit gutem Beispiel vorangehen müsse. Auch der Dachauer Kreisverband der CSU hat seine Jahreshauptversammlung, die wegen des Lockdown bereits vom Frühjahr in den Herbst verlegt worden war, bis auf weiteres verschoben. Die Wahl der Kreisdelegierten muss somit warten.

Die Politik hat inzwischen nachjustiert: Wenn Wahlen nicht möglich sind, bleiben die Vorstände von Vereinen oder Parteien auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zu ihrer Abberufung oder bis zur Ernennung ihrer Nachfolger im Amt. So ist die neue Lex Corona. Für die Mitglieder- und Delegiertenversammlungen von politischen Parteien schreibt das Wahlgesetz weiterhin Präsenzveranstaltungen vor. Wer schon mit Kandidatenaufstellungen oder Wahlen per Internetveranstaltung geliebäugelt hatte, der muss sich also von seinen Vorstellungen verabschieden.

Anders verhält es sich bei den Vereinen. Bereits Ende März hat der Deutsche Bundestag mit Blick auf die erschwerten Versammlungsmöglichkeiten während der Corona-Krise Änderungen im Vereinsrecht beschlossen. Während Versammlungen früher zwingend an einem bestimmten Ort abgehalten werden mussten, so dürfen sie jetzt auch als "virtuelle" Zusammenkünfte oder als Mischform organisiert werden. Ihre Satzung müssen die Vereine dafür nicht ändern. Wahlstimmen können von den Mitgliedern vorab auch schriftlich abgegeben werden. Doch diese Möglichkeit nehmen die meisten Vereine nicht in Anspruch.

Dem TSV Eintracht Karlsfeld, dem größten Sportverein des Landkreises, sei der Aufwand dafür deutlich zu groß, sagt die Vizepräsidentin Birgit Piroué. Die für vergangenen Freitag geplante Jahreshauptversammlung hatte der TSV bereits vor Wochen abgesagt, weil es im Vereinsheim oder dem Bürgerhaus zu eng geworden wäre. Vermutlich hätte man auch die noch erlaubte Zahl von 100 Teilnehmern überschritten. Doch auch von einer Briefwahl oder einer Online-Konferenz hat der TSV abgesehen. Das wäre organisatorisch kaum möglich gewesen, sagt Piroué. Der Verein hat immerhin knapp 4000 Mitglieder. Die Vizepräsidentin trifft die Absage übrigens persönlich, denn sie will ihren Posten aufgeben. Sechs Jahre war sie im Amt. Während dieser Zeit hat sie gemerkt, dass ihre Vorstandstätigkeit mit ihrem Posten als Sportreferentin im Karlsfelder Gemeinderat immer wieder kollidiert. Das wollte sie auf Dauer nicht. Zwei Bewerberinnen haben sich bereits als Nachfolgerinnen gefunden. Doch nun wird Piroué bis auf weiteres Vizepräsidentin bleiben. Sie nimmt es gelassen: "Ich bin ja nicht auf der Flucht." Die Jahreshauptversammlung soll nun im Frühjahr stattfinden - "so Corona es will", sagt Piroué.

Auch die SpVgg Röhrmoos-Großinzemoos hat ihre Jahreshauptversammlung "auf unbekannte Zeit" verschoben. In den Räumen des Gasthofs Kiermeir, wo die Veranstaltung ursprünglich stattfinden sollte, hätte nur eine begrenzte Zahl an Sportlerinnen und Sportlern teilnehmen können. "Viele von ihnen sind über 60 Jahre alt und gehören somit zur Risikogruppe", erklärt Vorstand Jürgen Bakomenko. Die wolle man keinesfalls gefährden. Die obligatorische Entlastung des Vorstands könne also nicht über die Bühne gehen, obwohl die Kassenprüfer die Finanzen des Vereins für in Ordnung befunden hätten, so Bakomenko. Doch es gibt in diesen Tagen eben Wichtigeres. "Die Gesundheit unserer Mitglieder liegt uns sehr am Herzen", sagt der Vorstand.

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SZ vom 29.10.2020
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