Dachauer Techno-Kollektiv "Fuchsbau":Kulissenzauber mit Subwoofer

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Das Kollektiv Fuchsbau in Aktion auf dem FKK-Floor des Wannda-Zirkus-Festivals in München. (Foto: Sebastian Gabriel)

Das Dachauer Techno-Kollektiv "Fuchsbau" legt am Feldmochinger See auf. In ihrem Heimatort fehlt ihnen der passende Rahmen

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Es ist Samstagabend, Maxi und Tobi stehen hinter dem DJ-Pult in der alten U-Bahn, an deren Wänden noch Werbeplakate für Jobbörsen und Versicherungen hängen. Überall kleben bunte Sticker, die an Weltoffenheit und gegen Fremdenfeindlichkeit appellieren. Und zwischen zwei Sitzbänken klebt auch das Logo des DJ-Kollektivs aus Dachau: ein weißer Fuchs, in feine, geometrische Linien übersetzt, auf schwarzem Hintergrund. Die U-Bahn steht auf dem Gelände des "Bahnwärter Thiel". 2015 eröffnet, ist der junge Techno- und Kulturclub auf dem Gelände des ehemaligen Münchner Viehhofs einer der wenigen Orte der Region, in der sich das in Dachau gegründete Kollektiv Fuchsbau wirklich wohl fühlt. Es geht nicht allein um die Musik, sondern um das Erlebnis und die Kulisse. "Das Auge feiert mit", so das Motto.

Eigentlich hätte an diesem Tag im Mai - ein eigenes Festival der Gruppe am Feldmochinger See stattfinden sollen: "Barfuß am See", mittlerweile zum vierten Mal organisiert, im vergangenen Jahr mit etwa 2000 Besuchern. Das erste "Barfuß am See" im Jahr 2014 führte dazu, dass sich die zwölfköpfige Freundesgruppe zusammenschloss und das Kollektiv Fuchsbau gründete. Rafael von Stukar, sowohl auf als auch neben der Bühne bekannt als Rafner, hatte das Festival im Jahr zuvor gemeinsam mit einem Freund gestemmt; er lacht heute über den Pavillon und die einzelnen Tische, die sie damals aufgestellt hatten. "Magisch war das noch nicht."

Ein paar Wochen später, ein lauer Abend im Juni, das Tor zur Lagerhalle in Dachau steht weit offen. Hier bewahrt das Kollektiv all die Dinge auf, die später für die besagte Magie sorgen sollen. An der Rückseite stapeln sich Sofas auf einem Regal, daran angelehnt ein Stapel dünner Holzstämme, dazwischen Lampen- und Regenschirme. Auch ein selbstgebauter Leuchtturm aus Pappe ist darunter. Vorne Kleiderständer mit etlichen bunten Kleidern, Hosen, Blusen, Schals. Ein Hausbesitzer habe sie in einem Café angesprochen und gefragt, ob sie Interesse hätten, den Kleiderschrank einer verstorbenen Dame auszuräumen, in einer großen Villa in Bogenhausen. "Einzige Bedingung: Wir mussten alle Kleider mitnehmen", erzählt Vroni.

Aus dieser ungewöhnlichen Sammlung entstehen später die Kulissen für ihre Auftritte. So ist der Leuchtturm Teil eines großen Schiffs, das sie auch schon im Münchner Bahnwärter Thiel als Bühne aufgebaut hatten. Das Bühnenbild ist nie dasselbe, für jede Veranstaltung denkt sich die Gruppe wieder etwas Neues aus, bastelt, baut, probiert. Schaut, ob es passt.

Später kommen Tobi und Maxi hinzu. Die beiden sind noch kurz in den Baumarkt gefahren, haben Schrauben gekauft, heute Nachmittag wollen sie in ihrer Halle eine eigene Galerie aufbauen. Das allerdings nur für kleinere Feiern im privaten Rahmen. Die Gruppe hatte zwar schon darüber nachgedacht, in Dachau selbst eine Veranstaltung zu organisieren, die Idee dann aber wieder verworfen. Das Publikum sei zu klein, die Verkehrsanbindung nicht gut genug. Vor allem sehen sie aktuell aber keinen Ort in der Stadt, an dem sie sich künstlerisch und musikalisch so entfalten könnten, um einen Abend in ihrem Stil zu veranstalten. So überlegen sie, während sie auf den Sesseln und Holzstühlen sitzen, die in einer Ecke der Halle stehen.

Zwei Tage später war der Ersatztermin für das "Barfuß am See" angesetzt, das DJ-Kollektiv musste es erneut verschieben - weil man zwar barfuß am See tanzen will, aber nicht barfuß im See, hieß es auf der Facebookseite. "Regen hatten wir in einem Jahr - danach haben wir gesagt, das machen wir nie wieder", erinnert sich Maxi.

Nun haben sie es noch einmal verschoben, auf den 31. August. Einen Ausweichtermin zu finden, an dem alle zwölf Mitglieder Zeit haben, ist jedoch beinahe unmöglich. Vor allem, da die Freundesgruppe mittlerweile weit verstreut ist: Kennengelernt haben sich alle in Dachau, sind aber mittlerweile zum Studieren und Arbeiten nach München, Dresden, Berlin, Wien, Hamburg gezogen. Hinter dem DJ-Pult sind sie wieder vereint. Und stehen dort ziemlich gedrängt, legen fast immer im Doppel auf. "Wir bekommen auch Anfragen von Gast-DJs, die wir absagen müssen - weil wir selbst einfach schon zu viele Leute sind", erklärt Vroni.

Früher gab es mal einen Partyraum in Dachau, in dem sich die Gruppe getroffen hat. Mit einer Couch, Sesseln, Stühlen genauso eingerichtet wie die Halle - nur kleiner, auch ein wenig dunkler. Darin hatte die Freundesgruppe schon vor Jahren davon zu träumen begonnen, eigene Partys zu veranstalten. Abseits des Mainstreams, mit junger Musik - Techno, Deep House, Funky, Disco - und trotzdem fern der "Münchner Kommerzveranstaltungen", wie es Tobi nennt - abseits des "Business-Techno", fügt Maxi hinzu. Sie wollten keine überfüllten Großraumdiscos, keine lieblose Bassbeschallung - sondern ein Erlebnis für alle Sinne, Diversität, sehnten sich nach Subkultur in der Umgebung.

In den Jahren seit seiner Gründung hat das Kollektiv auf Festivals in München wie dem "Schall im Schilf" gespielt, genauso aber auch abseits der Stadt, auf diversen Art Festivals im europäischen Raum. "Man entwickelt im Laufe der Zeit auch ein Auge dafür, welche Veranstaltungen nur Kommerz und welche wirklich mit Liebe gemacht sind", sagt Tobi. Kürzlich spielten sie auf dem Wannda-Festival in München, davor in einem Club in Ingolstadt, im Juli sind sie auf einem Festival in Ungarn, im August belegen sie an einem Abend den gesamten "Bahnwärter Thiel".

"Jetzt sind wir erwachsen geworden", sagt Vroni - oder "Bonnies Kleid", wie sie sich auf der Bühne nennt. Aber gerade deswegen könne man doch all das machen, worauf man Lust hat. Vielleicht vergisst man das leicht, überlegt die 23-Jährige. Und vielleicht steckt genau hinter diesem Gedanken die Magie, auf deren Suche sich die Freundesgruppe vor fünf Jahren begeben hat.

Barfuß am See: Open Air am Feldmochinger See am Samstag, 31. August, 14 bis 1 Uhr. Zum Line-Up gehören unter anderem Minorcast, Rafner, Ben Falb, JOSN, Käpt'n 12 & Düsentrieb. Der Eintritt ist frei. Eigene Getränke sind nicht erwünscht.

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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