Dachauer Stadtkapelle:Hochgefühl

Die Stadtkapelle Dachau, das Jubiläumskonzert, heiter-melancholische Erinnerungen zum 20-jährigen Bestehen und eine exzellente Aufführung von Johan de Meijs "Casanova" mit dem Cellisten Johannes Kübel

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Die lebensfrohe Ouvertüre zu Leonard Bernsteins Musical "Candide" hatte die Stadtkapelle Dachau als Eröffnung für ihr Galakonzert zum zwanzigjährigen Bestehen ausgewählt. Ob sie dabei einen kleinen Hintergedanken hatte? Geht es doch Bernstein um die Suche nach der besten aller Welten und um inneres Glück. Für die rund 70 Musikerinnen und Musiker des Sinfonischen Blasorchesters der Stadtkapelle war das riesige Podium im Dachauer Schlosssaal mit zwei Aufführungen am Samstag und Sonntag jedenfalls die beste aller Welten.

Das Programm

Höhepunkt des ersten Teils und für etliche Zuhörer im gut besuchten Renaissance-Festsaal des gesamten Abends war das Konzert für Cello und Blasorchester mit dem vielversprechenden Titel "Casanova" des Niederländers Johan de Meij. Es ist ein musikalisches Porträt des Lebenskünstlers und Frauenhelden Giacomo Casanova (1725-1798) in acht Szenen. Schade nur, dass weder das Programmheft noch Moderator Dominik Härtl etwas mehr über dieses spannende Werk berichteten.

Dachauer Stadtkapelle: Die Stadtkapelle besteht aus dem Sinfonischen Blasorchester und dem Ensemble für den Nachwuchs.

Die Stadtkapelle besteht aus dem Sinfonischen Blasorchester und dem Ensemble für den Nachwuchs.

(Foto: Toni Heigl)

Doch auch so erschloss sich schnell, dass das Cello - wunderbar einfühlsam und sehr kraftvoll gespielt von Johannes Kübel - dem (Liebes-)Abenteurer Persönlichkeit und Stimme gab. Das Orchester unter der Leitung von Michael Meyer hatte ausreichend Gelegenheit, mit Pauken und Trompeten für das entsprechende Szenario zu sorgen. Besonders eindrucksvoll: das Kontrafagott mit seinem bedrohlichen Brummen. Davon war im zweiten Teil nichts mehr zu hören. Der war eine Art persönliche Hitliste des Orchesters mit Danzón Nr. 2 von Arturo Márquez.

Dachauer Stadtkapelle: Die Stadtkapelle Dachau zeigte eine exzellente Aufführung.

Die Stadtkapelle Dachau zeigte eine exzellente Aufführung.

(Foto: Toni Heigl)

Diese "zweite Nationalhymne Mexikos" wie Moderator Härtl sagte, verdankt ihren Weltruhm übrigens dem Dirigenten Gustavo Dudamel. Der wiederum wäre ohne "Il Sistema", das einzigartige Musikförderprogramm Venezuelas niemals zu einem der bekanntesten Dirigenten geworden. Eine gute Wahl also für die Stadtkapelle Dachau, die sich ja auch der musikalischen Frühförderung verschrieben hat. Dazu später mehr.

Quasi Fingerübungen waren "Around the world in 80 days" von Otto M. Schwarz und "The Lion King" von Jay Bocook für das Sinfonische Blasorchester. Sie scheinen mittlerweile ebenso unverzichtbare Programmpunkte zu sein wie der berührende Marsch "Dachau" des Japaners Akira Toda, den dieser 2010 für die Stadtkapelle geschrieben hat. Mit mitreißender Leichtigkeit überwand das Orchester schwierigste Passagen, steckte mit seiner Spielfreude auch das begeisterte Publikum an. Das war sowieso begeistert bis heftig gerührt, wie sich bei der Feier mehrmals zeigte.

Die Reden

Eine Begrüßung soll sein. Eine zumindest namentliche Ehrung von Gründungsdirigent Herbert Frey und der sechs noch aktiven Gründungsmitglieder ebenfalls. Aber muss ein in sich stimmiges Konzertprogramm durch eine Vereinsgeschichte nebst ausgiebiger Dia-Show unterbrochen werden? Die Meinungen dazu waren geteilt. Viele ehemals Aktive schwelgten in Erinnerungen, lachten laut bei den fotografischen Reminiszenzen an den Bau des Vereinsheims in der Burgfriedenstraße oder an lange Nächte bei Probenwochenenden. Wer nur um der Musik willen gekommen war, nahm die Historie bestenfalls interessiert zur Kenntnis. Fazit: Den Spagat zwischen Galakonzert und Festakt zu schaffen, ist mindestens so schwierig, wie ein neues Stück einzuüben.

Die Musiker

Warum spielen junge Menschen - und davon gibt es jede Menge im Sinfonischen Blasorchester der Stadtkapelle - heute noch Blasmusik? "Weil es Spaß macht", war die spontane Antwort von Trompeterin Alexandra (16). Sie musste nachrechnen, wie lange sie schon dabei ist: Sieben Jahre sind es inzwischen. Dabei habe sie eigentlich Saxofon lernen wollen, erzählt sie. Doch dann wurde die Trompete ihr Instrument. Was sie außerdem schätzt, ist die Verbundenheit der Musiker untereinander. Privat allerdings steht sie mehr "auf das, was gerade so modern ist". Die 18-jährige Veronika gehört zur großen Klarinettengruppe. Sie habe ihr Instrument in der Schule gelernt, erzählte sie und habe weiter spielen wollen. Und warum die Stadtkapelle? "Weil mein Bruder auch mitspielt. Weil es Spaß macht. Und weil sie ein total gutes Niveau hat", sagte Veronika. "Und außerdem ist die Stückeauswahl toll." Ähnliches sagte ihr Bruder Michael (16), der als Trompeter im Sinfonischen Blasorchester mitspielt: "Es ist anspruchsvoll. Man muss was dafür tun. Aber es macht total viel Spaß". Im Pausengespräch war auch zu erfahren, wie intensiv und zeitaufwendig die Probenarbeit vor dem Galakonzert war. "Der Casanova hat mich manchmal geschafft", sagte eine junge Musikerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollte. "Aber heute Abend mit dem Cello. Das war geil".

Die Stadtkapelle

Seit zwanzig Jahren gibt es die Stadtkapelle, seit mehr als zehn Jahren gibt es neben dem Sinfonischen Blasorchester die Stadtjugendkapelle. Sie wurde heuer mit dem Jugendpreis der Stadt Dachau ausgezeichnet. Auch die Stadtkapelle hat in den vergangenen Jahren etliche Preise gewonnen und zählt mittlerweile zu den besten und erfolgreichsten Blasorchestern im Raum Ober- und Niederbayern. Das hat seinen guten Grund: Fast von Anfang an haben sich die Verantwortlichen nicht nur der sinfonischen Blasmusik gewidmet, sondern sich die musikalische Früherziehung auf die Fahnen geschrieben.

Dachauer Stadtkapelle: Seinen künstlerischen Höhepunkt erlebt das Jubiläumskonzert mit dem Auftritt des Cellisten Johannes Kübel.

Seinen künstlerischen Höhepunkt erlebt das Jubiläumskonzert mit dem Auftritt des Cellisten Johannes Kübel.

(Foto: Toni Heigl)

So gibt es heute im vereinseigenen Musikheim in der Burgfriedenstraße in der Altstadt für Kinder von dreieinhalb bis sechs Jahren ein breites Angebot. Für die Älteren gibt es Blockflöten- sowie Individualunterricht und eine ziemlich einmalige Möglichkeit: eigene Bläserklassen für Kinder im zweiten bis vierten Schuljahr. Etliche spielen später in der Stadtjugendkapelle mit und wechseln anschließend in die Stadtkapelle.

Mehr als 130 Musiker haben so in den beiden Orchestern eine musikalische Heimat gefunden. In ihren Konzerten nimmt die sinfonische Blasmusik mit Originalkompositionen für sinfonisches Blasorchester einen breiten Raum ein, aber auch Bearbeitungen klassischer Werke, Filmmusik und moderne Adaptionen im Big-Band-Stil führen die beiden Orchester auf. Traditionelle Blasmusik mit entsprechender Besetzung haben die Musiker ebenfalls im Programm.

Wer also Lust an der Musik bekommt, kann sich bei der Stadtkapelle melden, die einige Bläserklassen an Schulen des Landkreis mitgestaltet. Informationen unter: www.stadtkapelle-dachau.de.

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