Dachauer Schlosskonzert:Hämmerklavier

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Andrei Korobeinikovs kraftvolles Spiel wirkt im Ausdruck bisweilen undifferenziert. (Foto: Toni Heigl)

Dem Pianisten Andrei Korobeinikov gelingen beim Dachauer Schlosskonzert nicht alle Darbietungen

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Die Reihenfolge mag ungewöhnlich sein, doch wird bald deutlich, dass der Pianist Andrei Korobeinikov die richtige Entscheidung getroffen hat, seinen Klavierabend bei den Dachauer Schlosskonzerten mit Prokofjews Klaviersonate Nr. 9 in C-Dur op. 103 zu beginnen - und nicht werkchronologisch mit Beethovens Waldsteinsonate. Korobeinikov betritt das Podium und beginnt ohne viel Federlesens: Prokofjews Musik ist oft sehr motorisch, doch diese Sonate hat auch wunderbare melodisch-lyrische Passagen - und Korobeinikov wiederum ein gutes Gespür, diese klar zu beleuchten.

Seine Basis dafür ist ein breiter Grundklang, den er auch durch kräftiges Pedal unterstützt. So entsteht eine gewisse Wärme, die die Oberstimme sehr schön trägt. Die Sonate nimmt Fahrt auf, wird bewegter. Auch diese Ausdrucksmomente integriert Korobeinikov überzeugend und lässt die Musik nie zu mechanisch trocken klingen. So entsteht eine sehr gelungene Ausgewogenheit, in der ruhiges Sinnieren und Virtuosität, Lichtes und Dunkles gleichermaßen zur Geltung kommen. Die Waldsteinsonate hingegen glückt weniger. Sicherlich, so mürbe, wie Korobeinikov dies tut, muss man die Repetitionen eingangs spielen. Schon die knappen Skaleneinwürfe des Beginns aber klingen zu gedeckt. Korobeinikov richtet sein Augenmerk auf die mittlere und tiefe Lage. Das ist nicht schlecht, denn dort gibt es für den Gesamtklang viel zu gewinnen, viele Zwischenereignisse zu erkunden. Fehlt im Ausspielen der geschwinden Figuration in der rechten Hand aber die letzte Präzision (zumal, wenn das Geschwinde so stark beschleunigt ist wie bei Korobeinikov), ist ein wichtiger Bestandteil der Komposition beeinträchtigt. Auch der Mittelsatz überzeugt nur teilweise. Das Frappierende ist ja, wie Beethoven hier zu Beginn aus spärlichstem Tonmaterial, das ohne weiteres das Zeug zur Belanglosigkeit haben könnte, tiefschürfende Musik macht. Diese Adagio-Introduktion in ihrer schlichten Stille ist bedeutend. Gelingt sie, gibt es kaum Schöneres. Doch Korobeinikov schafft es nicht, diese Takte mit der zwingenden Klarheit zu spielen, die es bräuchte. Besser hingegen das abschließende Rondo. Mitunter sind Korobeinikovs Akkorde in der enormen Lautstärke, die er wählt, sehr monumental. Der Charakter des Satzes gerät dadurch streng, fast barsch. Und doch ist der Vortrag nun, wie etwa die Triller und die klar disponierten Glissandi zeigen, beherrschter.

Die zweite Konzerthälfte hat der Pianist sehr üppig bestückt. Allein Liszts h-Moll-Sonate wäre mit all den Klangwelten, die sie eröffnet, ja schon ein umfassender Eindruck. Wie bewährt sich hier Korobeinikovs in den mimischen und gestischen Ausdrucksbewegungen fast regungslose Spielweise? Zunächst einmal klatscht er einem Liszts Große Konzertfantasie über spanische Weisen um die Ohren - und diese Weisen in ihrer Farbenpracht aus Melodik, Bewegung und tänzerischem Charme will man sich eigentlich nicht so wuchtig vorstellen, wie sie hier klingen. Doch Korobeinikov lässt Liszts kleinen Valse oubliée Nr. 1 folgen, und wenn es sein Plan war, sich von dieser eleganten, pastellenen Miniatur zur Räson bringen zu lassen, dann geht er voll auf. Denn die nachfolgende h-Moll-Sonate wird zu Korobeinikovs Meisterstück des Abends.

Was seiner Waldsteinsonate fehlte, nimmt Korobeinikov bei diesem ikonischen Werk ein: eine hervorragende Erzählhaltung. Es gibt wohl nichts, was schwerer zu spielen wäre, und doch ist seine Technik für Korobeinikov jetzt nicht mehr Mittel der pianistischen Bewältigung, sondern die sicher präparierte Basis einer ausdrucksstarken Darbietung, in der der hochvirtuose Rausch (in dem Liszt wahre Klangmassen bewegt) ebenso seinen Platz hat wie melodische Stille und die dunkle, nachdenkliche Tiefe der Grundtonart.

Die zweite Zugabe, die bezaubernde Barcarole aus Tschaikowskys "Jahreszeiten", ist in ihrer Anmut eine sehr schöne Bestätigung dieser großartigen interpretatorischen Leistung. Etliche Zuhörer aber knarzen währenddessen bereits laut störend dem Ausgang entgegen.

© SZ vom 26.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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