Erinnerungskultur:Neuere Forschungen zu Dachauer Prozessen

Erinnerungskultur: Die oft vergessenen Dachauer Prozesse.

Die oft vergessenen Dachauer Prozesse.

(Foto: United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of National Archives and Records Administration, College Park)

Historiker befassen bei Workshop im Max-Mannheimer-Haus mit den bedeutenden Militärgerichtsverfahren

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Acht Historiker haben bei einem Workshop im Max-Mannheimer-Haus Forschungsergebnisse zu den Dachauer Prozessen präsentiert und einen neuen Impuls in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex gesetzt. Anlass für die Tagung bildete die neue Sonderausstellung der KZ-Gedenkstätte zu den Dachauer Prozessen, die am 29. April 2022, dem 77. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau, eröffnen soll.

Die Dachauer Prozesse zählen zu den bedeutendsten Kriegsverbrecherprozessen der Alliierten. In ihnen kam vor allem das System der deutschen Konzentrationslager zur Anklage. Verwaltung, Organisation, Logistik - es wurde sichtbar, wie die Vernichtungsmaschinerien funktionierten und wer sie am Laufen hielt. Die Prozesse deckten zudem die Beteiligung ganz normaler Bürger an den NS-Verbrechen auf. 1912 Angeklagte mussten sich zwischen 1945 und 1948 in 461 Verfahren für ihre Taten während des Nationalsozialismus rechtfertigen. Das größte Aufsehen erregten dabei die Prozesse gegen SS-Angehörige und Funktionshäftlinge der KZ Dachau, Mauthausen, Flossenbürg, Buchenwald, Mittelbau-Dora und des Dachauer Außenlagerkomplexes Mühldorf.

Die Dachauer Prozesse stünden in der öffentlichen Wahrnehmung im Schatten der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, sagt Christoph Thonfeld, Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung der KZ-Gedenkstätte Dachau. "Doch die umfangreichen Dachauer Dokumente und Ermittlungsakten stellen ebenfalls sehr wertvolle Quellen zur Erforschung der Aufarbeitung der Verbrechen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern dar."

Der Historiker Robert Sigel, der Anfang der Neunziger eine wichtige Grundlagenforschung der Dachauer Prozesse leistete, regte beim Workshop an, pädagogische Angebote zu entwickeln, um die Dachauer Prozesse über eine aktive Bildungsarbeit auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Historiker Johannes Lehmann und Martin Gruner beschäftigten sich in ihren Beiträgen beim Workshop jeweils mit einem bestimmten Prozess. Lehmann fokussierte sich auf die Karriere des ehemaligen Kommandanten des KZ Dachau, Martin Gottfried Weiß. Gruner dagegen beleuchtete die rechtsgeschichtliche Einordnung des Prozesses gegen Weiß' Vorgänger, Alexander Piorkowski. Thonfeld ist zufrieden mit dem Workshop und zeigt sich erfreut über "neue Forschungsanstöße" und "wertvolle Erkenntnisse". Der Workshop erlaube einen "tieferen Einblick" in den aktuellen Forschungsstand und zeige auch die Potenziale auf, die die Quellen zu den Dachauer Prozessen künftigen Forschungen bieten könnten.

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