Dachauer Nachwuchsfilmer:Auf Tarantinos Pfaden

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Für wackelfreie Aufnahmen arbeitet Finn Walter mit einem Schwebestativ. Gerade dreht er den Kurzfilm "Das Leben ist kein Wunschkonzert". (Foto: Niels P. Jørgensen)

Mit wenig Technik, aber viel Enthusiasmus und Knowhow aus dem Netz arbeitet der 16-jährige Finn Walter an seiner Filmkarriere

Von Franziska Stolz, Dachau

Rotgelbes Licht flackert durch den Rauch. Eine Person robbt über den kahlen und Boden versucht dem Inferno zu entkommen. Es sieht dramatisch aus. Dann der Ruf: "Schnitt!" Was sich hier in einem leer stehenden Haus abspielt, ist glücklicherweise kein echter Brand. Es laufen gerade Dreharbeiten zum Filmprojekt eines jungen Dachauers. Finn Walter ist 16 Jahre alt und hat im Filmemachen seine große Leidenschaft entdeckt. Als Drehbuchautor und Regisseur verwirklicht der Schüler, der das Josef-Effner-Gymnasium in Dachau besucht, gerade mehrere Projekte zusammen mit Freunden und anderen Filmbegeisterten, zu denen er Kontakt im Internet gefunden hat.

Finanzielle Unterstützung bekommen die jungen Filmemacher nicht, das Geld für die technische Ausrüstung haben sich Finn Walter und Kameramann Jannick Babernits, der 2019 am Ignaz-Tascher-Gymnasium Abitur gemacht hat, selbst erarbeitet und zusammengespart. "Das Leben ist kein Wunschkonzert" heißt der Streifen, an dem die beiden momentan arbeiten. Der 20-minütige Kurzfilm handelt von einem jungen Mann, der durch falsche Freunde ins kriminelle Milieu abrutscht und sich schließlich an einem Banküberfall beteiligt. Für die Szene des Überfalls bekommen Walter und sein Team die Erlaubnis in Volksbank Raiffeisenbank Dachau in der Münchner Straße zu drehen. Insgesamt wirken ungefähr 60 Personen als Schauspieler, Statisten, Tontechniker und Visagisten am Film mit. Einige sind Schulfreunde oder aus der Jugendtheatergruppe vom Dachauer Theater am Stadtwald, in der Walter ebenfalls aktiv ist. Andere sind über Online-Portale auf das Filmprojekt aufmerksam geworden. Einer der Hauptdarsteller sei sogar aus Hamburg angereist, erzählt Walter. Niemand bekommt eine Gage, die Beteiligten investieren ihre Freizeit, weil sie sich für Film und Schauspiel begeistern. "Das Projekt soll uns allen auch als Referenz nutzen. Wir sammeln gemeinsam erste Erfahrungen am Set," sagt Walter.

Das Leben ist kein Wunschkonzert. Der Titel des Kurzfilms trifft in gewisser Weise auch auf die Dreharbeiten zu: Die jungen Filmemacher haben nicht immer alle technischen Möglichkeiten zur Hand, die sie sich wünschen würden. Zwar wurden die Kostüme für den Dreh vom Münchner Jugend- und Kulturförderverein Echo e.V. zur Verfügung gestellt, was anderes Equipment betrifft, muss das Team aber oft erfinderisch werden. So verwendet der Tonmann mangels eines ausfahrbaren Mikrofonhalters einen Stock und für einen bestimmten Aufnahmeeffekt haben Finn Walter und Jannick kurzerhand eine eigene Kameraschiene aus PVC-Rohren und einem Brett mit angeschraubten Rollen gebaut.

"Quentin Tarantino hat einmal gesagt, alleine und ohne Geld einen Spielfilm zu drehen, das wäre die beste Filmschule, die man machen kann," sagt Walter, der später auf jeden Fall im Bereich Film arbeiten möchte. Nach dem Abitur will er weiter Erfahrungen sammeln und sich möglicherweise später bei einer Filmhochschule bewerben. Zunächst konzentriert er sich aber auf "Das Leben ist kein Wunschkonzert". Am ersten Tag nach den Schulferien sollen die Dreharbeiten wieder anlaufen, damit der Film voraussichtlich im Frühjahr 2020 uraufgeführt werden kann.

Walter führt Regie und hat das Drehbuch für "Das Leben ist kein Wunschkonzert" geschrieben. Parallelen zu seinem eigenen Leben gibt es allerdings nicht. "Mich hat das Thema einfach interessiert," erklärt Walter. "Also habe ich viel recherchiert zu der Frage warum junge Menschen auf Abwege geraten." Dafür hat der Schüler unter anderem mit einer Beraterin von der Brücke Dachau gesprochen, einer Organisation, die straffällige Jugendliche unterstützt. "Es gab Phasen in denen ich gut weitergekommen bin und andere, da ging gar nix," sagt Walter. "Die komischsten Ideen kommen zu den komischsten Zeiten, beim Zähneputzen zum Beispiel." Das Drehbuch war ein Lernprozess für den Schüler. Er will nicht sagen, dass man an den Charakteren oder der Handlung nicht noch feilen könnte, aber insgesamt findet er, wird der Film schon eine runde Sache. Im Schreibprozess sucht Walter online nach Tipps und orientiert sich an Drehbüchern von Filmen, die er gerne mag. "Wir leben in einem Zeitalter, in dem man fast alles online lernen kann," sagt er. Auch das Einmaleins des Filmemachens lässt sich im frei zugänglichen Informationsreichtum des Internets finden. "Aber es bringt nichts, wenn man sich den ganzen Tag nur Videos auf Youtube anschaut, man muss es dann umsetzen." Parallel arbeitete Walter an einem Stummfilm, der "The Beauty of Yellow" heißt. Die Brandszene in dem leer stehenden Haus entstand für dieses zweite Projekt, dem nur noch ein Drehtag zum Abschluss fehlt. Ursprünglich wollte er den Film bei einem Wettbewerb einreichen, für den die Abgabefrist vor vier Monaten endete. Finn Walter lässt sich aber lieber länger Zeit, wenn eine Geschichte noch nicht ganz ausgereift ist: "Ich bin eben sehr perfektionistisch."

© SZ vom 30.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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