Süddeutsche Zeitung

"Django 3000" auf Tour:Wuid und laut

Lesezeit: 2 min

Zwischen Wetterleuchten, Lightshow und Lichthupen-Orgie spielen die Mundart-Rocker von "Django 3000" ein mitreißendes Konzert auf der Ludwig-Thoma-Wiese. Es ist das vorletzte Autokonzert des Dachauer Musiksommers

Von Andreas Förster, Dachau

Für die Gypsy-Folkrock-Band Django 3000 aus dem Chiemgau ist es bereits das zweite Autokonzert. Ende Mai hatten Sänger Kamil Müller, Geiger Florian Starflinger, Schlagzeuger Jan-Philipp Wiesmann und Bassist Korbinian Kugler in Windischeschenbach den Auftakt ihrer verschobenen "Django 4000"-Tour gefeiert, benannt nach ihrem letzten Album. Aber auch in Dachau lässt Frontman Kamil Müller keinen Zweifel daran, wie ungewohnt und gleichzeitig "geil" so ein Auftritt vor einer Menge von blinkenden und lichthupenden Autos sei, wie gut es tue, wieder live zu spielen.

Schon beim ersten Song "Im Sturm" springt der Funke über. Fast schon prophetisch heißt es da: "Staub und Schatten, der Himmel zieht sich zu, ... tief atme ich ein und halte die Luft an. Krass, wie bunt die Wolken gerade sind..."

Tatsächlich zieht nach einem heißen Tag ein Sturm heran, schwarze Wolkentürme dräuen am Himmel, das anfängliche Wetterleuchten weicht Blitzen, gefolgt von Donner, währenddessen brennen Django 3000 unbeirrt ein musikalisches Feuerwerk ab, unterstützt von einer formidablen Lightshow, die das Naturschauspiel am Himmel vergessen lässt. Beleidigt zieht das Unwetter von dannen, belässt es bei ein paar heftigen Böen heißer Luft, die das Konzertvergnügen aber in keiner Weise trüben.

Wobei man ehrlicherweise sagen muss: Trotz Lichterorgie vor und auf der Bühne und einem relativ guten Sound über UKW ist ein Autokonzert ein nicht annähernd gleichwertiger Ersatz für ein normales Livekonzert. Sicher ist: Am Rathausplatz wäre bei dem Headliner des Dachauer Musiksommers, Django 3000, ohne Corona voll der Punk abgegangen - aber sowas von! Ihre unvergleichliche Mischung aus bayerischen Balkan-Beats und Gypsy-Disco, Folkrock und Flamenco, ist einfach toxisch - im positiven Sinn: Sie geht direkt ins Blut, lässt Arme und Beine zucken, lädt zum Pogo-Tanzen und Mitsingen ein. Sofern man die klugen, vom gebürtigen Slowaken Kamil Müller auf slowakisch-bairisch gesungen Texte versteht, die das Herz berühren. So heißt es in "Heimat", einem der melancholisch-nachdenklicheren Songs: "Wo die Berg san oder nur a ebens Feld, wo die Freind san, da is a dei Herz, du spürst as Lebn, spürst an Schmerz, des is dei Dahoam, das sich Heimat nennt..." Dann wird's aber auch gleich wieder "wuid und laut", die Gypsy-Disco setzt ein und Müller singt: "Heid samma wuid und laut, wia a Wedda, das si zamma braut, gspiats as auf da ganzen Haut, heid samma wuid und laut."

Scheinbar mühelos gelingt es Django 3000, die Energie 90 Minuten lang hochzuhalten, obwohl nur gedämpfter Jubel zur Bühne hoch dringt und sich auch nicht, wie früher, unzählige Arme im Lichtkegel vor der Bühne hochrecken. Doch die vier Musiker können ihre Leidenschaft auch so kompromisslos ausleben. Allen voran Kamil Müller mit seiner rauen zupackenden Trucker-Stimme, er hat ein echtes Gänsehaut-Organ und könnte in bester Bruce-Springsteen-Manier ein Stadion zum Abrocken oder Mitsingen bringen. Ihm zur Seite steht sein kongenialer Bühnenpartner, Derwisch-Geiger Florian Starflinger. Zusammen mit Bassist Korbinian Kugler ist er für das Gypsy-Feeling zuständig, Kugler und Drummer Jan-Philipp Wiesmann wiederum für den treibenden Beat und die tanzbaren Rhythmen.

In Corona-Zeiten gehen die selbst geschriebenen Songlyrics noch tiefer unter die Haut, zum Beispiel beim Gute-Laune-Kracher "Bonaparty": "I wanna party like a Bonaparty, jeder tanzt, a jeder spinnt, wurscht wenns Geld durch d'Finger rinnt, des ganze Volk draht am Radl..." Das Leben zu spüren und zu genießen und öfter mal aus dem täglichen Hamsterrad auszusteigen, das ist das Motto der Mundart-Band.

Mit ihren starken Dialekt-Songs stehen Django 3000 nahtlos in einer Reihe mit den anderen Bands, die seit Mai Woche für Woche die Thoma-Wiese bespielt haben: Sascha Seelemann und die Grizzlies, Jamaram, Bbou, DeSchoWieda und Roland Hefter & die Isarrider sowie Django 3000 machten den diesjährigen Dachauer Musiksommer zu einem veritablen Dialekt-Festival. Und als solches wird es auch enden, mit dem vorläufig letzten Autokonzert und der bayerischen Party-Band Ois Easy am 3. Juli, die etwas Volksfest-Feeling auf die Thoma-Wiese bringen wird.

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SZ vom 30.06.2020
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