Dachauer Literaturfestival:Am Anfang einer Kontinuität

Kulturamt und Stadtbücherei hoffen auf großen Zuspruch, um die Lesereihe mit ausgewählten Autoren langfristig fortsetzen zu können.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Die Literatur hat es in der Konkurrenz mit Musik und Bildender Kunst schwer. Sie braucht schon den Event-Charakter, wie jedes Jahr in Dachau, wenn ein Shuttle-Bus zu besonderen Orten der Stadt führt. Dort warten Schauspieler und lesen aus Romanen, die zum Ambiente der Umgebung passen. Insofern ist die Idee des städtischen Kulturamts zu bewundern, eine literarische Reihe ganz ohne Effekte und mit Mut zu einem langen Atem aufzubauen.

Vergangenes Jahr begannen Kulturamtsleiter Tobias Schneider und Steffen Mollnow mit dem Experiment, in der Region ein Publikum für renommierte Autoren "abseits der Bestsellerlisten" zu erreichen. Für Erzähler, die nicht immer bequem sind und auf die man sich einlassen muss. Damals kamen zu Lesungen von Barbara Honigmann oder Terézia Mora ungefähr je 20 Besucher. Damals sagte Mollnow: "Wir haben mit Anfangsschwierigkeiten gerechnet." Trotzdem wollen sie gerade als öffentliche Kulturanbieter ein Angebot machen, das sich auf dem freien Markt kaum finanzieren lässt. Von Mittwoch, 7. Oktober an, wird sich zeigen, ob sich langfristig ein Stammpublikum finden lässt. Vielleicht gelingt das Unternehmen mit einem Schriftsteller zum Auftakt, dessen Bücher als herausragend gefeiert werden, und der doch kein typischer Bestseller-Autor ist.

Daniel Kehlmann: Gerade wird die Verfilmung seines Romans "Ich und Kaminski" als überragend gelobt. Und sein Buch "F" galt im Erscheinungsjahr 2013 als einer der besten Romane überhaupt. Die Welt schrieb beispielsweise: "Die tragikomische Geschichte dreier vermeintlich ungleicher Brüder und eines vermeintlich genialen Schriftsteller-Vaters, virtuos und witzig, klug und selbstironisch. F wie Fatum. F wie Familie. F wie Friedland. F wie Fälschung. F wie fucking great." Der Focus sprach von einem brillanten Roman: "Kann man leben ohne (Selbst)Betrug? Daniel Kehlmanns Roman beginnt mit einem Varieté-Besuch: Ein Vater und seine drei Söhne werden auf offener Bühne hypnotisiert und haben, als sie aus der Trance wieder erwachen, jede Fähigkeit zur gnädigen Selbsttäuschung für immer verloren." Daniel Kehlmann eröffnet das Festival "Dachau liest" am Mittwoch, 7. Oktober, 20 Uhr im Ludwig-Thoma-Haus.

Amelie Fried dürfte zumindest in der Münchner Region auch wegen ihrer Zeit als Fernsehmoderatorin (Alabama-Halle) nicht weniger bekannt sein als Kehlmann. Das Buch erzählt die Geschichte einer "Traumfrau" namens Cora Schiller. Sie wird fünfzig - und gerät in die Krise. Ihr Sohn ist weg, ihr Mann ist weg, dafür taucht ein ehemaliger Liebhaber auf, und bei ihr zu Hause drängeln sich ihre Freundinnen, die es noch mal wissen wollen. Sie wünschen sich neue Männer, neue Jobs, neue Abenteuer - nur Cora wäre es am liebsten, wenn alles so bliebe, wie es ist. Im Gespräch mit der SZ auch über ihren Roman sagte sie: "Manches ist schon überspitzt dargestellt, aber ich kenne diese Frauentypen, die da vorkommen. Die Frau, die nach 20 Jahren Ehe ausbricht, weil sie Angst hat zu ersticken. Die verlassene Ehefrau, die kaum noch ein Bein auf den Boden kriegt. Ich habe das alles irgendwie erlebt, beobachtet oder erzählt bekommen." Amelie Fried liest am Freitag, 9. Oktober, 20 Uhr, in der Hauptstelle der Dachauer Stadtbibliothek.

Elisabeth Herrmann gilt als "Berlins Krimikönigin" und als prominente Vertreterin des regional gefärbten Kriminalromans. Die TAZ ist begeistert: "Ein komplexes moralisch-gesellschaftliches Desaster grundiert diesen Krimi, der an der Handlungsoberfläche zudem auch noch sehr spannend ist. Das ist vor allem Herrmanns Hauptfigur zu danken, der so impulsiven wie intelligenten Sanela Beara, die sich mit einzigartiger Begabung in unerwartete Situationen zu bringen pflegt und damit nicht nur den Kommissar regelmäßig zur Weißglut bringt, sondern auch die Handlung ordentlich vorantreibt." Es geht um einen Buben, dessen Tod nicht aufgeklärt werden konnte und mit dem sich die Kriminalpolizei nochmals befasst. Elisabeth Hermann liest am Samstag, 10. Oktober, 20 Uhr, in der Stadtbücherei.

Ilija Trojanow erzählt in "Macht und Widerstand" vom Zusammenbruch der kommunistischen Systeme und den Folgen. Trojanow ist der bulgarischen Geschichte eng verbunden, die er über ein halbes Jahrhundert hinweg aus dieser Doppelperspektive heraus nachschreibt. Er ist 1965 in Sofia geboren, seine Eltern flohen 1971 nach Deutschland und von dort weiter nach Kenia, wo der Vater als Ingenieur in Nairobi arbeitete. Erst Mitte der 80er-Jahre kehrte Ilija Trojanow nach Deutschland zurück, doch Bulgarien hat er weiter im Reisegepäck. Sein Debüt als Romancier, "Der Weltensammler", war auch sein größter Erfolg; doch den Rezensenten, die nun "Macht und Widerstand" als sein Opus magnum bezeichnet haben, widerspricht Trojanow nicht. Jahrelang hat er Material gesammelt für diesen Roman, in Archiven geforscht und ein eigenes Privatarchiv angelegt, mit zahlreichen Menschen in Bulgarien gesprochen, Opfer des Regimes zumeist, die, wie er sagt, überquellen vor lauter Erzählbedarf. Auf der Seite der einstigen Machthaber hatte er es dagegen schwerer, Gesprächspartner zu finden, bei ihnen war das Schweigebedürfnis stärker ausgeprägt als der Mitteilungsdrang. Ilija Trojanow liest am Sonntag, 11. Oktober, 16 Uhr in der Hauptstelle der Stadtbücherei.

Parallel finden drei Lesungen für Kinder statt: Vanessa Walder mit "Das wilde Määäh" am Mittwoch, 7. Oktober, 15.30 Uhr; Am Donnerstag, 8. Oktober mit Ute Krause und "Minus Drei". Und am Freitag, 9. Oktober, mit Usch Luhn und "Ponyherz". Alle drei Lesungen finden in der Hauptstelle der Stadtbücherei in Dachau statt.

Karten für "Dachau liest - das Literaturfestival" beim Kulturamt Dachau: 08131/75 286 und E-Mail: info@dachau.de oder München Ticket.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: